Mentale Unterstützung

Einzel-, Team- oder Gruppencoaching?

25.07.2008
Wenn Personen vor neuen Herausforderungen stehen, benötigen sie oft neben der fachlichen eine mentale Unterstützung. Deshalb engagieren Unternehmen zunehmend Coachs. Doch wann ist eher ein Einzelcoaching und wann eher ein Team- oder Gruppencoaching angesagt? Hierüber bestehen häufig Unsicherheiten.

Einzelne Mitarbeiter, oder auch ganze Mitarbeitergruppen stehen häufig vor neuen Herausforderungen, die von ihnen verlangen, sich zu entscheiden und gewohnte Denk- sowie Verhaltensmuster aufzugeben. Zum Beispiel, wenn es um das Führen von Mitarbeitern geht. Oder um das Gewinnen von Neukunden. Oder um die Frage: Wie arbeiten wir künftig als Team zusammen?

Entsprechend steigt auch hier der Bedarf an Beratung sowie Unterstützung - fachlich und mental. Hieraus hat sich ein scheinbar ganz neuer Beratungsmarkt entwickelt, für den sich der Begriff Coaching etabliert hat. Unter diesem Label werden die unterschiedlichsten Beratungsleistungen angeboten - für Einzelpersonen und Personengruppen. Das schafft Verwirrung bei den potenziellen Coaching-Interessenten. Deshalb seien hier die Grundformen kurz erläutert.

Die Mutter aller Coaching-Formen ist das sogenannte (Einzel-)Coaching. Bei ihm trifft sich eine Person, der sogenannte Coachee, mit einem Berater beziehungsweise Coach, um mit ihm eine Lösung für eine aktuelle berufliche oder private Herausforderung zu erarbeiten. Das Coaching kann sich, wenn der Coachee eine Privatperson ist, zum Beispiel um die Frage drehen: Soll ich meinen Job wechseln? Oder: Wie kann ich die vielen Anforderungen, die an mich beruflich oder privat gestellt werden, unter einen Hut bringen? Im Zentrum des Coachings steht also eine Frage, die aus gegebenem Anlass einer baldigen Antwort bedarf und bei der die betreffende Person das Gefühl hat: Alleine bin ich nicht entscheidungs- und/oder handlungsfähig - zum Beispiel, weil mir wichtige Infos fehlen.

Beim Coaching lautet die Grundannahme also stets: Grundsätzlich kann die Person ihr Leben alleine mit Erfolg meistern. Das hat sie in der Vergangenheit bewiesen. Sie benötigt aber in der aktuellen Situation zeitlich befristet eine punktuelle Unterstützung. Der Fokus liegt beim Coaching also klar auf der zu bewältigenden Aufgabe. Anders ist dies in einer Therapie. Hier steht die Person im Zentrum der Betrachtung.

Fachwissen und psychologisches Know-how sind gefragt

Dessen ungeachtet stößt man auch beim Coaching, wenn es zum Beispiel darum geht, warum sich eine Person nur schwer entscheiden kann, schnell auf Fragen wie: Zeigt die betreffende Person in vergleichbaren Situationen regelmäßig ähnliche Denk- und Verhaltensmuster? Schiebt sie zum Beispiel Grundsatzentscheidungen häufig auf die lange Bank? Oder denkt sie vorschnell "Das klappt nie?" Das heißt, auch in den Coachingsitzungen werden Fragen erörtert, die die Persönlichkeit tangieren. Deshalb muss ein Coach neben dem erforderlichen Fachwissen auch psychologisches Know-how haben - auch um gegebenenfalls sagen zu können: Stopp, hier kommen wir in einen Bereich, der meine Kompetenz (und den Rahmen eines Coachings) übersteigt. Ich empfehle Ihnen, einen Spezialisten aufzusuchen

Ähnlich verhält es sich im Unternehmenskontext - auch wenn hier die Anlässe, einen Coach zu engagieren, andere als im Privatbereich sind. Hier kann ein Anlass zum Beispiel sein: Ein Unternehmer ist unsicher, ob er expandieren soll oder nicht. Oder eine Führungskraft steht vor der Aufgabe, seine Mitarbeiter zu mehr Leistung zu motivieren. Oder ein Projektmanager fragt sich, wie er die Bereichsfürsten als Mitstreiter für ein Projekt gewinnt. Das heißt: Im Zentrum stehen hier berufsbezogene Fragestellungen. Dennoch stößt man auch hier, wenn man sich als Coach zum Beispiel mit einer Führungskraft trifft, schnell auf Aspekte, die auch die Persönlichkeit betreffen. Zum Beispiel auf Fragen wie: Warum schreckt die Führungskraft davor zurück, Mitarbeitern zu sagen, dass sie mit deren Leistung unzufrieden ist? Warum türmen sich auf ihrem Schreibtisch immer mehr Aufgaben, obwohl sie viele an Mitarbeiter delegieren könnte? Schnell werden dann auch Aspekte berührt, die ihre Wurzeln in der Persönlichkeit und Biografie der Führungskraft haben. Deshalb muss auch im Unternehmenskontext bei Einzelcoachings Vertraulichkeit gewährleistet sein. Denn wenn der Coachee befürchtet "Was ich sage, können Dritte erfahren"", ist er bereit, mit dem Coach über solche Fragen zu sprechen. Also ist auch keine Weiterentwicklung als Person und Führungskraft möglich.

Häufig stehen in Unternehmen ganze Mitarbeitergruppen vor der Herausforderung, neue Denk- und Verhaltensmuster zu zeigen - zum Beispiel, weil sich die Struktur des Unternehmens oder dessen Marktes gewandelt hat. Dann ist vielfach ein Einzelcoaching nicht sinnvoll - nicht nur aus Kostengründen, sondern auch weil im Einzelcoaching kein (Erfahrungs-)Austausch mit Kollegen erfolgt. Des Weiteren findet keine Verständigung auf ein gemeinsames Vorgehen statt. Dann ist eher ein Team- oder Gruppencoaching angesagt.

Alternative: Teamcoaching

Von Teamcoaching spricht man, wenn die Mitarbeiter, die am Coaching teilnehmen, ein Arbeitsteam bilden - also gemeinsam eine Aufgabe lösen müssen und/oder beim Erfüllen ihrer Aufgaben wechselseitig auf Unterstützung angewiesen sind. Dabei müssen die Teammitglieder nicht demselben Bereich angehören. Sie können auch, wie dies zum Beispiel bei Projektteams oft der Fall ist, in unter-schiedlichen Bereichen oder gar in verschiedenen Unternehmen arbeiten.

Zentral steht beim Teamcoaching das (bessere) Lösen einer gemeinsamen Aufgabe. Deshalb drehen sich beim Teamcoaching die Sitzungen häufig um folgende Fragen:
- Was ist unser gemeinsames Ziel?
- Welche Aufgaben ergeben sich hieraus?
- Welche Erwartungen werden beim Lösen der Aufgabe an uns gestellt?
- Wollen wir und können wir diese Erwartungen erfüllen? Und:
-Was ist nötig, damit wir die Aufgabe bestmöglich lösen?

Häufig gestellte Fragen sind zudem:
- Was hindert uns daran, dieses Ziel zu erreichen?
- Welche Strukturen/Verhaltensmuster sind nötig, damit die Zusammenarbeit funktioniert? Und:
- Wer macht was bis wann?

Sowohl beim Verständigen auf ein gemeinsames Vorgehen, als auch beim Umsetzen der vereinbarten Lösung sind Reibereien vorprogrammiert - nicht nur weil die Teammitglieder beim Erfüllen ihrer Aufgaben aufeinander angewiesen sind, sondern auch weil die Beteiligten oft unterschiedliche Meinungen und Interessen haben. Deshalb hat der Coach beim Teamcoaching auch die Funktion eines Moderators und Teamentwicklers, der dafür sorgt, dass
- die verschiedenen Interessen und Sichtweisen klar benannt werden und
- die realen Knackpunkte (der Zusammenarbeit) angesprochen werden (und sich die Teilnehmer nicht über Scheinprobleme zanken).
Der Coach muss auch darauf achten, dass die vereinbarten Lösungen realistisch und tragfähig sind, unter anderem, weil sie
- den übergeordneten Bereichs- und Unternehmenszielen entsprechen und
- die Interessen nicht nur aller Beteiligten, sondern auch der Betroffenen angemessen berücksichtigen.

Beim Teamcoaching werden oft auch Verhaltensweisen einzelner Mitglieder angesprochen, die die Arbeit des Teams oder einzelner Mitglieder erschweren - zum Beispiel "Herr Schmitt liefert mir die benötigten Unterlagen zu spät." Oder: "Von Frau Mayer erhalte ich nur auf Nachfrage die nötigen Informationen." Dann ist der Coach als (Gesprächs-)Moderator gefragt. Denn im Rahmen einer Teamcoaching-Sitzung kann zwar erörtert werden, welche Merkmale der Organisation oder welche Strukturen der Arbeitsbeziehung dazu führen, dass eine Person ein gewisses Verhalten zeigt. Teamcoaching-Sitzungen sind aber nicht der Ort, um zum Beispiel darüber zu sprechen, welche Persönlichkeitsmerkmale von Frau Mayer dazu führen, dass diese Infos nicht weitergibt. Etwa, weil sie den Kollegen Huber als Konkurrent empfindet. Oder weil sie die Macht genießt, die daraus resultiert, im alleinigen Besitz gewisser Infos zu sein. Solche persönlichen Aspekte dürfen in einem Teamcoaching nicht erörtert werden. Denn dies käme einem Bloßstellen der betreffenden Person vor der Gruppe gleich. Solche Fragen können in Einzelcoachings angesprochen werden, die parallel zum Teamcoaching stattfinden.

Ergänzende Einzelcoachings sind auch sinnvoll, wenn es um das Umsetzen der vereinbarten Lösung geht - sei es im Kontakt mit Kunden oder im Führungsalltag. Dann treten bei den Teammitgliedern oft Verhaltensunsicherheiten auf, die zu Selbstzweifeln oder zu Zweifeln an der vereinbarten Lösung führt. Hilfreich ist dann, wenn zumindest den Schlüsselpersonen im Team (wie zum Beispiel den Führungskräften) ein Ansprechpartner zur Seite steht, der ihnen ein Feedback über ihr Verhalten gibt und mit ihnen Lösungen für die Probleme erarbeitet, die beim Umsetzen auftauchen.

Alternative: Gruppencoaching

Von Gruppencoaching spricht man, wenn die Teilnehmer keine Arbeitsteam bilden, aber in ihrer Organisation eine ähnliche Funktion haben oder dort vor vergleichbaren Herausforderungen stehen. Hier gilt es zwei Situationen zu unterscheiden:
a. Die Teilnehmer arbeiten alle für dasselbe Unternehmen. Oder:
b. Sie sind Mitarbeiter verschiedener Unternehmen.
Beides ist möglich.

Als klassisches Beispiel für ein Gruppencoaching kann gelten: Ein Unternehmen hat mehrere junge Führungskräfte. Diese wurden zwar in Schulungen auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet, aufgrund ihrer geringen Führungserfahrung sind sie aber oft noch unsicher, wie sie im Führungsalltag auf gewisse Herausforderungen reagieren sollen. Zum Beispiel, wenn ihnen von der Firmenleitung Ziele vorgegeben werden, die sie selbst als sehr anspruchsvoll (oder gar unrealistisch) erachten und sie diese ihren Mitarbeitern "verkaufen" müssen. Oder wenn ein "alter Hase" in ihrem Team, auf dessen Unterstützung sie angewiesen sind, aus der Reihe tanzt. Oder wenn ...

Aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung wissen junge Führungskräfte dann oft nicht, wie sie reagieren sollen. Sie können zudem häufig nicht einschätzen: Tauchen die Probleme aufgrund meines Verhaltens auf oder sind sie situationsbedingt? Entsprechend groß ist die Gefahr, dass sie aus einer Situation falsche Schlüsse ziehen und unangemessen reagieren.

In solchen Situationen ist ein Gruppencoaching oft (günstiger und) effektiver als ein Einzelcoaching. Warum? Gerade weil die Führungskräfte noch unerfahren sind, ist es für sie lehrreich, sich mit Kollegen auszutauschen. Denn dann erfahren sie vielfach, dass auch ihre Kollegen mit ähnlichen Führungsproblemen kämpfen. Die Probleme sind also nicht personen-, sondern situationsbedingt. Sie erfahren im Austausch mit den Kollegen aber auch, wo diese mehr oder weniger Probleme haben - also wo vermutlich ihre Stärken und Schwächen liegen.

Coach ist auch Rat- und Impulsgeber

Diesen gemeinsamen (Reflektions-)Prozess darf der Coach beim Gruppencoaching nicht nur moderieren. Er muss ihn auch stimulieren und die Teilnehmer dazu veranlassen, aus den Erkenntnissen die nötigen Schlüsse zu ziehen. Zugleich muss er ihnen als Rat- und Impulsgeber zur Seite stehen und die Führungskräfte auf mögliche alternative Betrachtungsweisen sowie Lösungswege hinweisen, an die diese aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung mit dem Führen allgemein und mit speziellen Führungssituationen nicht denken. Deshalb muss der Coach praktische Führungserfahrung haben. Entsprechendes gilt, wenn die Teilnehmer Verkäufer sind. Dann muss der Coach Vertriebserfahrung haben.

Oft gibt es in Klein- und Mittelunternehmen zu wenig Führungskräfte, Salesmanager oder Projektmanager, um ein solches Gruppencoaching firmenintern durchzuführen. Dann kann man ein Gruppencoaching auch mit Teilnehmern, aus unterschiedlichen Unternehmen machen - sofern sich hieraus keine Konflikte ergeben, zum Beispiel weil die Unternehmen unmittelbare Wettbewerber sind. Eine solche Gruppenkonstellation hat auch Vorteile. So erhalten die Teilnehmer zum Beispiel einen Einblick, wie gewisse Aufgaben in anderen Unternehmen gelöst werden. Das erweitert ihr Verhaltensrepertoire. Ein Nachteil einer solchen Gruppenkonstellation ist: Der Lernprozess kann nicht so scharf auf die Strategie beziehungsweise die Philosophie des jeweiligen Unternehmens fokussiert werden, wie wenn alle Teilnehmer für dasselbe Unternehmen arbeiten.

Zum Autor: Roland Jäger ist Inhaber der Unternehmensberatung rj management, Wiesbaden, Tel.: 0611/450 416 4-51; Mail: rj@konsequent-fuehren.de; Internet: www.konsequent-fuehren.de. (mf)