Die Miet-Wohnung soll endlich gekündigt werden, das neue Eigenheim ist schon gekauft. Die Vermieterin hält sich aber nur selten an ihrem Erstwohnsitz auf, wo sich auch die Wohnung der kündigenden Mieter befindet. Die meiste Zeit befindet sie sich stattdessen am Wohnort ihres Ehemannes, der ein eigenes Haus mehrere Hundert Kilometer von der Mietwohnung entfernt besitzt. Als Adresse ist im Mietvertrag aber der Erstwohnsitz der Vermieterin genannt. Damit ein Mietvertrag fristgerecht gekündigt ist, muss die Kündigung den Vermieter bis zum 3. Werktag eines Monats erreichen.
Kündigung wird per Einwurfeinschreiben zugestellt
Um sicher zu gehen, dass die Kündigung fristgerecht zugestellt wird, schicken die Mieter am 29.5 die Kündigung in zwei getrennten Einwurfeinschreiben auf den Weg: Eines an den Erstwohnsitz der Vermieterin, weil es sich dabei ja um die im Mietvertrag genannte Adresse handelt. Das zweite Einwurfeinschreiben geht an den Zweitwohnsitz, an dem sich die Vermieterin in der Regel aufhält.
Die Vorteile einer Kündigung per Einwurfeinschreiben scheinen auf der Hand zu liegen: Die Kündigung wird sicher zugestellt, worüber der Briefzusteller einen Vermerk anlegt. Zudem reicht es, wenn die Kündigung im Briefkasten der Vermieterin landet. Eine persönliche Übergabe des Briefes mit dem Kündigungsschreiben ist bei einem Einwurfeinschreiben nicht erforderlich – die Vermieterin könnte sich ja einfach weigern, die Kündigung entgegen zu nehmen.
Einwurfeinschreiben geht an Absender zurück
Am 30. Mai schaut der Mieter via Online-Statusabfrage der Deutschen Post nach, ob seine beiden Kündigungsschreiben bereits zugestellt wurden. Für das Einwurfeinschreiben an den Erstwohnsitz passte alles, es war korrekt und fristgerecht zugestellt worden.
Doch bei dem zweiten Einschreiben, das an den Zweitwohnsitz der Vermieterin gerichtet war, wo sie sich überwiegend aufhielt, erlebte der Mieter eine böse Überraschung: „Die Sendung konnte nicht zugestellt werden und wird an den Absender zurückgesandt“ stand da zu lesen. Obwohl das Einschreiben zweifelsfrei an die richtige Adresse geschickt wurde, unter der die Vermieterin jede Woche ihre Post empfing. Und das in einem eher kleinen Ort, wo jeder jeden kennt und der Postbote mit allen Bewohnern persönlich bekannt ist.
Nun war die Kündigung ja vielleicht rechtskräftig zugestellt worden, weil sie ja am Erstwohnsitz rechtzeitig zugestellt wurde. Doch für den Fall eines Rechtsstreits wollte der Mieter auf Nummer sicher gehen. Schließlich erreichte das Einwurfeinschreiben an den Erstwohnsitz die Vermieterin keinesfalls vor dem 3. Juni, weil sie nur selten vor Ort war. Die Vermieterin konnte behaupten, dass dem Mieter bekannt gewesen sei, dass sie eine Kündigung, die an ihren Erstwohnsitz gerichtet war, nie fristgerecht erhalten würde und dass die Mieter deshalb die Kündigung an die andere Adresse, also an ihren Zweitwohnsitz, hätte schicken müssen. Der Mieter war also völlig verunsichert: Trotz zweier Einwurfeinschreiben und der damit verbundenen Kosten besaß er keineswegs Rechtssicherheit - und schlief schlecht.
Online-Status-Abfrage der Deutschen Post liefert verwirrende Ergebnisse
Der Mieter fragte etwas später erneut die Online-Status-Abfrage ab. Was er nun zu sehen bekam, verbesserte seine Stimmung keineswegs: „Die Sendung wurde zurückgesandt und dem Absender am 5.6. zugestellt“. Das Einwurfeinschreiben soll also an den Mieter zurückgekommen sein. Nur: Er hatte die Rücksendung nie erhalten.
Telefon-Hotline verwirrt noch mehr
Der Mieter rief nun die kostenpflichtige Telefonnummer der Deutschen Post an. Dort erhielt er eine verblüffende Auskunft: Das Einwurfeinschreiben sei tatsächlich zugestellt worden und zwar am 5. Juni, also einige Tage später. Aber nicht ihm, dem Absender, sondern der Empfängerin. Es habe einen erneuten Zustellversuch gegeben, das könne das System aber online nicht abbilden. Dieser zweite Zustellversuch sei erfolgreich gewesen.
Das stellt den Mieter nun aber keineswegs zufrieden. Denn die gesetzlich vorgegebene Frist für die Kündigung des Mietvertrages wurde damit überschritten, der Mieter müsste für einen weiteren Monat Miete zahlen, sofern das Einwurfeinschreiben an den Erstwohnsitz sich als nicht ausreichend herausstellen sollte.
Doch wie war es überhaupt möglich, dass ein Einwurfeinschreiben im ersten Anlauf nicht zugestellt werden konnte, obwohl die Adresse existierte? Und wieso klappte die Zustellung dann eine Woche später? Wieso liefert die Online-Status-Abfrage vollkommen falsche Informationen?
Das sagt die Deutsche Post
Wir fragten bei der Pressestelle der Deutschen Post nach. Diese recherchierte in dem Fall nach. Und kam zu einem verblüffenden Ergebnis: Das Einschreiben war demnach doch fristgerecht am 30. Mai zugestellt worden: „das Einschreiben wurde am 30.05 korrekt zugestellt, nur der Vermerk im „System“ ist fehlerhaft. Wie dieser Fehler passiert ist, können wir nicht zweifelsfrei nachvollziehen“, erklärte die Pressestelle.
Und weiter: „Die Zustellerin kann sich an die korrekte Zustellung zweifelsfrei erinnern und hat eine Bestätigung der Empfängerin, dass diese diesen Brief erhalten hat. Damit ist die Auslieferung der Sendung bestätigt“. Sowohl die Informationen der Online-Status-Abfrage als auch die der Hotline waren also falsch!
Damit stellte sich die Frage nach dem rechtlichen Wert eines Einwurfeinschreibens: In unserem konkreten Fall konnte der Post-Kunde weder mit der Online-Status-Abfrage noch mit der kostenpflichtigen Hotline Gewissheit über das Schicksal seines Einwurfeinschreibens erlangen. Ihm wäre noch als letzte Möglichkeit ein Anruf bei der Beschwerdestelle geblieben. Ob diese das richtige Ergebnis hätte ermitteln können, bleibt offen. In jedem Fall hatte der Mieter nach dem Absenden des Einwurfeinschreibens keine Rechtssicherheit. Damit verfehlte das Einwurfeinschreiben seinen wesentlichen Zweck.
Der Rat des Rechtsexperten zur rechtssicheren Zustellung
Wir baten einen Rechtsexperten um eine Bewertung des Falles. Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote erklärte uns hierzu: „In unserer anwaltlichen Praxis haben wir es erstaunlich häufig mit angeblich durch Einwurfeinschreiben zugestellten Schreiben zu tun, die aber offenbar nie bei den Adressaten ankamen. Von der Zustellung d. h. dem bewiesenen Zugang kann die Wirksamkeit des Vertrages letztlich abhängen. Wie die Gerichte mit dieser Problematik umgehen, ist sehr unterschiedlich.“ Das weckt schon einmal kein besonderes Vertrauen in das Einwurfeinschreiben als rechtlich zuverlässiges Instrument.
Otto Freiherr Grote fährt fort: „Vor allem, wenn der Adressat Umstände belegen kann, die die Beweiskraft des Zustellungsvermerks erschüttern können, hat der Versender schlechte Karten. Hierzu kann es unter Umständen schon ausreichen, darzulegen, dass jemand anderes die Post im betreffenden Zeitraum (etwa wegen Urlaubsabwesenheit des Adressaten) entgegengenommen und nicht an den Adressaten übergeben hat.“
Übergabe-Einschreiben ist ebenfalls nicht sicher
Wenn das Einwurfeinschreiben also kein absolut zuverlässiges Mittel ist, was soll man dann verwenden? Denn das Übergabe-Einschreiben als Alternative birgt ebenfalls Risiken: „Wenn etwa der Adressat nicht anzutreffen ist, wird der mittel einer Benachrichtigungskarte zur Abholung aufgefordert. Unterbleibt die Abholung, ist die Zustellung fehlgeschlagen.“
Tipp 1: Bote soll Kündigung zustellen
Der Rechtsexperte empfiehlt daher anstelle eines Einschreibens einen Boten zu verwenden: „… sicherer dürfte die Beauftragung eines Boten sein, der die Sendung ausschließlich persönlich zustellen und quittieren lassen soll und hierüber einen Vermerk anzufertigen hat.“ Der Bote muss natürlich über jeden Zweifel erhaben sein.
Tipp 2: Gerichtsvollzieher soll Kündigung zustellen (Postzustellungsurkunde)
Wer absolut sicher gehen will, dass ein wichtiges Schreiben fristgerecht und über jeden Zweifel erhaben zugestellt wird, beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung einer so genannten Postzustellungsurkunde. Diese Möglichkeit dürfte nur wenigen Personen bekannt sein. „Die Beauftragung eines Gerichtvollziehers mit der Zustellung ist in der Tat die sicherste aber auch aufwändigste Methode“ betont Otto Freiherr Grote. Die Kosten hierfür sind durchaus überschaubar und dürften in der Regel um die zehn Euro betragen, wenn der Gerichtsvollzieher einen Zustelldienst beauftragt.
Fazit: Im Zweifelsfall besser Gerichtsvollzieher als Einschreiben
Für die Masse der Fälle dürfte das (Einwurf)-Einschreiben als Zustellmethode ausreichend sicher sein. Und zwar in allen diesen Fällen, in denen der Absender nicht davon ausgehen muss, dass der Empfänger die Entgegennahme verweigern wird. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn der Empfänger kein Interesse daran hat, das Einschreiben entgegen zu nehmen. Dann verbietet sich nicht nur das Übergabe-Eeinschreiben, bei dem der Empfänger den Erhalt mit seiner Unterschrift bestätigen muss, sondern auch das beliebte Einwurfeinschreiben, falls es bei letzterem Problem mit der Zustellung gibt (wie in unserem Beispiel). Die sicherste Zustellungsform mit Beweiskraft ist die Zustellung per Gerichtsvollzieher (Paragraph 132 BGB). Den für Ihren Fall zuständigen Gerichtsvollzieher erfahren Sie bei Ihrem Amtsgericht.
Das Problem mit der mangelnden Rechtssicherheit des Einwurfeinschreibens spielt auch eine Rolle in Zusammenhang mit dem viel beworbenen E-Postbrief der Deutschen Post. Dieses neue Mailverfahren bewirbt die Post ausdrücklich damit, dass man den E-Postbrief auch als Einschreiben verschicken kann und damit eine „Zuverlässige Übermittlung auch als Einschreiben“ bekommt. Die Post fährt in ihrer Werbung für den E-Postbrief fort: „Manchmal braucht man eine Empfangsbescheinigung, die beweiskräftig ist. Geben Sie den E-Potsbrief als Einschreiben auf und Sie erhalten eine Bestätigung über den Versand, die Zustellung beziehungsweise den Empfang Ihres E-Postbrief.“