Beim Managen der Liquidität konzentrieren sich Unternehmen meist auf die Bereiche Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Dabei wird ein leistungsfähiger Hebel oft unterschätzt: eine effiziente Supply Chain, begleitet von optimierter Logistik.
Heute liegen die Kosten der Supply Chain beziehungsweise Logistik, abhängig von der Branche, meist bei zwischen 5 und 10 Prozent des Umsatzes - also ein enormes Potenzial (siehe Abb. 1). Eine gründliche Analyse zeigt, dass die Kosten des Transports, der Lagerhaltung und der Bestandsführung die wesentlichen Kostentreiber sind, was nicht überrascht. Doch vielen Unternehmen fehlen sowohl das Know-how als auch die Ressourcen, um die Möglichkeiten zu nutzen, die eine optimierte Supply Chain und Logistik hier bieten. Dabei sind die Ansätze mannigfaltig.
Bestandsreduzierung
So müssen Unternehmen in Zeiten der stetig fortschreitenden Globalisierung der Märkte ihre Einkaufsstrategie überdenken. Denn allzu oft werden Instrumente, die für eine Rationalisierung des Einkaufs sorgen, nur vereinzelt und auch lediglich ansatzweise eingesetzt. Im Fokus sollten hier das Global Sourcing, kooperative Einkaufsmodelle zur Bestellmengenbündelung sowie die Nutzung externer Expertise zur direkten Reduzierung der Einkaufspreise stehen.
Durch optimierte und stringent genutzte Planungs- und Forecasting-Prozesse lassen sich nicht nur die Bestandsmengen deutlich reduzieren und den tatsächlichen Bedürfnissen anpassen - sie sorgen auch, ähnlich wie ein aktives Produktlebenszyklusmanagement, für eine drastische Korrektur des Wertberichtigungsbedarfs nach unten. Diese Maßnahmen empfehlen sich vor allem in Branchen und Industrien, deren Produkte schnell veralten, also etwa in Bereichen der mobilen Telefonie, der Laptops und Notebooks.
Weitreichende Möglichkeiten zur Bestandsreduktion bieten auch Konzepte zur Lieferantenintegration wie CPFR (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment), VMI (Vendor Management Inventory), also der Lieferantengesteuerte Bestand und JIT/JIS (Just in Time, Just in Sequence). Als Zusatznutzen ergeben sich hieraus außerdem Kostensenkungspotenziale bei Kunden und Lieferanten.
Logistik und IT in neuer Führungsrolle
Warum IT und Logistik zusammengehören Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) plädiert für einen engen Schulterschluss von Logistik und IT. Dabei gilt folgende Definition: "Logistik ist die ganzheitliche Planung, Steuerung, Koordination, Durchführung und Kontrolle aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Informations- und Güterflüsse." Die BVL formuliert zwölf Thesen, die Sie auf den folgenden Seiten finden.
These 1: Logistik und IT zusammendenken "Die Verbindung zwischen Informationstechnologie und Logistik birgt das größte Potenzial für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland", schreibt die BVL. Daher müssten Logistikwirtschaft und -wissenschaft eine taktgebende Führungsrolle in der Informatik und bei der Entwicklung von Informationstechnologien übernehmen.
These 2: Informationslogistik als eigene Disziplin Nur Länder mit eigener Technologieentwicklung werden einen signifikanten Wettbewerbsvorsprung halten können, so die BVL. Die Informationslogistik müsse als eigenständiges Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsumfeld begriffen werden mit dem Ziel, Software zu produzieren wie Autos. Die Vereinigung fordert in Deutschland hundert neue Logistiklehrstühle und "viele davon mit IT-Bezug".
These 3: Megatrends und Innovationen "Die deutsche IT-Forschung und Innovation muss bewusst beschleunigt werden, indem die Standortvorteile genutzt und gestärkt werden", schreibt die BVL. Konkret: Die vertikale Integration von Logistik und IT soll vorangetrieben werden. Dabei kommt der Informationslogistik als Bindeglied zwischen IT und Produktion eine Schlüsselrolle sowohl beim Management als auch beim Design der Systeme zu.
These 4: E-Commerce und M-Commerce "Erfolgreiche Zustellsysteme im E-Commerce und M-Commerce basieren auf einer umfassenden Logistik- und IT-Kompetenz", erklären die Logistiker. Ihre Prognose: Unternehmen, die nicht auf die Verbindung von IT und Logistik fokussieren, werden mittelfristig aus dem Wettbewerb ausscheiden.
These 5: Komplexität Die BVL gibt zu bedenken, dass Komplexität und Dynamik in der Logistik überproportional wachsen. "Die größte strategische Chance besteht aus deutscher Sicht in einer schnellen innovativen Entwicklung branchenspezifischer IT-Werkzeuge in der Logistik", heißt es.
These 6: Transparenz "Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind die Grundlage des logistischen Managements und Garanten für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Supply Chains", sagt die BVL. Dies gelinge nur mit der Entwicklung und konsequenten Einführung neuer Informationstechnologien.
These 7: Collaboration "Logistik ist ein internationales Geschäft", stellt die BVL fest. IT-Lösungen, die eine IT-gestützte, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit im Sinne von Collaboration und einen schnellen, automatisierten Datenaustausch ermöglichen, seien ein wesentliches Differenzierungsmerkmal der Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Bestehende Lösungen und Forschungsvorhaben hierzu müssten von Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik unterstützt werden.
These 8: Normung und Standards "Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationslogistik führt zunehmend zu De-facto-Standards", beobachtet die BVL. Die notwendige Geschwindigkeit und Tiefe der Standardisierung und Normung zu gewährleisten, sei eine internationale Aufgabe, die auch auf nationaler Ebene unterstützt und aktiv gefördert werden müsse. Die Logistiker sprechen sich für internationale Standards aus.
These 9: Digitale Infrastruktur Laut BVL vertausendfacht sich die Datenmenge in der Logistik alle zehn Jahre. Investitionen des Bundes in breitbandige und mobile Datennetze müssen zur Wettbewerbssicherung des Standortes und zur Sicherstellung eines schnellen und sicheren Datenaustausches erhöht werden, fordert die Vereinigung.
These 10: Sicherheit und Compliance "Rechtssicherheit auf Basis klarer, transparenter Regeln und länderübergreifende Lösungen und Vereinbarungen sind für die Logistik essenziell", schreibt die BVL. Die Logistiker wollen eine sichere „German Cloud“ schaffen.
These 11: Industrie 4.0 "Die 4. Industrielle Revolution und konkret die Soft- und Hardware- Entwicklungen sowie die korrespondierende Algorithmik und deren Anwendung in der Logistik müssen von den Entscheidungsträgern in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft vorangetrieben werden", fordert die BVL.
These 12: Mensch und IT Nach den Zahlen der BVL beschäftigt die Logistik in Deutschland über 2,8 Millionen Menschen. Sie ist auch in Zeiten einer Industrie 4.0 auf menschliche Flexibilität, Kreativität und Schaffenskraft angewiesen. "Es gilt, insbesondere Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologien in den Dienst einer „Social Logistics“ zu stellen, die die Vernetzung des Menschen in den „Social Networks“ einer Industrie 4.0 propagiert und ihn zugleich als soziales Individuum adressiert", erklären die Logistiker.
Zudem muss auch die gesamte interne Logistik, oftmals gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Bearbeitungs- und Fertigungsstufen, sowie auch die eigenen und fremden Bezugs- und Distributionsnetzwerke intensiv analysiert werden. Allzu oft entstehen hier unnötige Kosten, weil aus übertriebenem Sicherheitsdenken überdimensionierte Bestände an Rohmaterialien, Halbfertigprodukten und Fertigprodukten weit über den tatsächlichen Bedarf vorgehalten werden.
Potenziale für Kostensenkung
Oftmals vernachlässigen Unternehmen auch Möglichkeiten zur Senkung operativer Supply-Chain-Kosten. Ein besonders weites Feld für Kostenreduzierungen bieten Fracht- und Lagerkosten aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung in der Supply Chain/Logistik. Ein weiteres enormes Sparpotenzial steckt auch in der Steigerung der Prozesseffizienz sowie in der Schnittstellenoptimierung und -Organisation.
Die Grundlage für eine nachhaltige Frachtkostenreduzierung bildet die Optimierung der Transportströme und der Netzwerkstruktur. Eine verbesserte Disposition sorgt für eine Tourenoptimierung und Transportbündelung - als Folge werden die Ladungsträger besser ausgelastet. Zusätzliche Kosteneinsparungen lassen sich durch Neu- beziehungsweise Nachverhandlungen der Frachtraten und die Neuverteilung des Frachteneinkaufs über Rahmenverträge gegenüber Spot-Märkten realisieren.
Auch in der internen Logistik gibt es Einsparmöglichkeiten. Unternehmen können ihre Materialflüsse optimieren und oft eine Vielzahl von Lager- und Handling-Stufen vermeiden. Weitere Verbesserungschancen bieten die bedarfsgerechte Lagerdimensionierung bei gleichzeitigem Einsatz moderner Lager und Transporttechnik. Zudem muss geprüft werden, welche Leistungen durch eine Fremdvergabe kostengünstiger bereitgestellt werden können.
Umgekehrt aber gehören auch Leistungen, die bereits im Rahmen von Outsourcing nach außen verlagert wurden, auf den Prüfstand: Sind die Kosten-Leistungs-Relationen wirklich marktgängig und günstig? Durch Neu- oder Nachverhandlungen können oft deutliche Kostensenkungen erreicht werden.
Wichtige Vorarbeiten
Um für die Umsetzung ein zielgerichtetes Vorgehen bei möglichst niedrigen Kosten sicherzustellen, sollte der Konzeptentwicklung und Implementierung unbedingt eine Analyse (Quick-Scan) der Supply Chain/Logistik vorangehen. Dadurch wird gewährleistet, dass ausschließlich Instrumente zum Einsatz kommen, die größtmögliche Potenziale realisierbar machen. Denn im aktuellen Wirtschaftsumfeld mit weltweitem Wettbewerb und im oft politisch unsicheren globalen Markt müssen Unternehmen die Möglichkeiten, die die Supply Chain/Logistik zur Realisierung von Kosteneinsparungen und Verbesserung der Liquidität bieten, unbedingt nutzen. Auf diese Weise können sie trotz dieser Herausforderungen einen erheblichen Beitrag zur Profitabilität und finanziellen Stabilität leisten. (bw)