Oliver Schobert, Executive Director Enterprise Sales & Marketing bei Adesso

Einsatz von GenAI bei klassischen Geschäftsprozessen

18.11.2024 von Ronald Wiltscheck
In den ersten sechs Monaten 2024 konnte IT-Dienstleister Adesso seine Erlöse im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2023 um 16 Prozent auf 631,1 Millionen Euro erhöhen - gegen den Markttrend. Ein Grund mehr, Oliver Schobert, Executive Director Enterprise Sales & Marketing bei Adesso, dazu zu befragen.
Oliver Schobert, Executive Director Enterprise Sales & Marketing bei Adesso: "Als deutscher IT-Dienstleister mit Hersteller-unabhängigem Beratungs- und Implementierungsansatz bieten wir dem öffentlichen Sektor ein einzigartiges Portfolio. "
Foto: adesso

channelpartner.de: Die adesso Group ist mittlerweile an über 60 Standorten weltweit vertreten. In welche weiteren Regionen wollt Ihr noch expandieren?

Oliver Schobert, Executive Director Enterprise Sales & Marketing bei Adesso: Mit Standorten in Europa, der MENA-Region und Indien sind wir in Märkten mit hohem Wachstumspotenzial gut positioniert. Eine strategische Expansion machen wir immer in erster Linie vom Marktpotenzial abhängig. Es kommt aber durchaus vor, dass der Eintritt in einen neuen Markt mit dem Gewinn eines Neukunden verbunden ist. Aktuell haben wir keine Pläne, weitere Regionen zu erschließen.

channelpartner.de: Wollt Ihr dafür organisch wachsen oder auch akquirieren? Welche IT-Dienstleister stehen dabei für Euch im Fokus? Solche wie arteno?

Oliver Schobert, Adesso: Beides ist möglich. Im Falle von Expansionsplänen wägen wir von Fall zu Fall ab, welche Optionen es gibt und was sinnvoll ist. Mit Akquisitionen verfolgen wir immer auch strategische Ziele, etwa den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten, die Erweiterung unseres Portfolios oder die Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur. Weitere Akquisitionen sind derzeit nicht geplant.

channelpartner.de: 2023 hat die Adesso SE in Deutschland einen Umsatz von 930,6 Millionen Euro erzielt. Mit welchen Erlösen hier zu Lande rechnet Ihr 2024?

Oliver Schobert: Obwohl wir immer internationaler werden, wachsen wir nach wie vor auch in Deutschland stark. Im ersten Halbjahr konnten wir den Inlandsumsatz um 17 Prozent steigern. Es ist derzeit nicht absehbar, dass sich daran strukturell etwas ändert.

channelpartner.de: Wann wollt Ihr die Umsatzmilliarde in Deutschland packen?

Schobert: Da wir bereits im ersten Halbjahr 2024 einen Inlandsumsatz von über 522 Millionen Euro ausweisen konnten und unser zweites Halbjahr allein arbeitstagebedingt in der Regel stärker ausfällt, dürfte die Marke 2024 erreicht werden.

channelpartner.de: Euer GenAI-Umsatzziel 2024 habt Ihr bereits im August erreicht, bis Ende 2024 soll die von Euch ursprünglich anpeilte GenAI-Umsatzmarke für 2024 sogar verdoppelt werden. Was stimmt Euch so zuversichtlich? Eure GenAI-Kunden EnBW, RWE und die BayernLB? Kommen noch weitere solche Hochkaräter dazu?

Schobert: Die Nachfrage nach GenAI-basierten Lösungen ist hoch. Wir führen derzeit zahlreiche vielversprechende Gespräche mit bestehenden und neuen Kunden unterschiedlichster Größe und aus den verschiedensten Branchen. Viele dieser Projekte sind vor allem langfristig angelegt und bieten das Potenzial, mit den Anforderungen unserer Kunden zu wachsen. Die Investitionen in das Know-how unserer Teams zahlen sich hier deutlich aus, denn wir haben die Kapazitäten, Flexibilität und Agilität, um im Neu- und Bestandsgeschäft weiter zu skalieren.

channelpartner.de: Welche konkrete GenAI-Projekte habt Ihr bereits bei Euren Kunden realisiert? Mit welchen LLMs? Denen von OpenAI, Meta, Google, Aleph Alpha oder anderen?

Schobert: Wir unterstützen zahlreiche namhafte Kunden bei der Einführung von GenAI in ihren Unternehmen. Dazu gehört unter anderem RWE. Für den Energieversorger haben wir eine GenAI-basierte Value-Based-Maintenance-Lösung entwickelt, die bei der Analyse und Optimierung von Instandhaltungsprozessen unterstützt.

Durch die Früherkennung von Schadenspotenzialen in Kraftwerken reduziert sie den kostenintensiven Personal- und Ressourceneinsatz und verbessert gleichzeitig die Entscheidungsfindung bei der Instandhaltungsplanung. EnBW wiederum hat mit uns einen Chatbot auf Basis des GPT-4-Modells in Microsoft Azure OpenAI erstellt, der Betriebsdaten von Windkraftanlagen analysiert und aufbereitet. Er liefert Diagnose- und Wartungsteams schnell detaillierte Antworten und visualisierte Analysen zu Fragen des Anlagenbetriebs.

Einige unserer Kunden setzen GenAI auch für klassische Geschäftsprozesse wie die Dokumentenklassifikation ein. Darüber hinaus implementieren wir häufig Generative Knowledge Agents, die einen sicheren und datenschutzkonformen Zugriff auf die GPT-Technologie im Unternehmensumfeld ermöglichen.

In unseren Projekten setzen wir alle LLMs (Large Languade Models) aktiv ein. Wir beraten unsere Kunden herstellerunabhängig und wählen gemeinsam mit ihnen je nach Anwendungsfall und Anforderungen das geeignete Modell aus.

channelpartner.de: Mit Eurer adesso business cloud tragt Ihr der wachsenden Nachfrage nach souveränen Cloud-Lösungen in Deutschland Rechnung. Dabei tretet Ihr ja nicht selbst als Cloud Provider am Markt auf, sondern arbeitet mit Anbietern wie Ionos, Schwarz Digits/StackIT und OVHcloud zusammen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit diesen europäischen Cloud Providern? Wächst deren Anteil an den von Euch gebotenen Cloud-Lösungen auf Kosten der drei großen Hyperscaler AWS, Microsoft Azure und Google Cloud?

Schobert: Auch hier betone ich, dass wir herstelleragnostisch vorgehen. Wir pflegen zu allen unseren Partnern ein gutes Verhältnis und arbeiten mit allen gleich gut zusammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen aus Deutschland, Europa oder den USA stammt.

Alle unsere Technologiepartner bieten Konzepte an, um den regulatorischen Anforderungen und Datenschutzbestimmungen in Europa und Deutschland gerecht zu werden. Dabei punktet jedes Unternehmen mit seinen individuellen Stärken.

Vor diesem Hintergrund sehen wir die adesso business cloud nicht als Konkurrenz zu den Angeboten unserer Partner, sondern als sinnvolle Ergänzung unseres Portfolios im Bereich Private Cloud Hosting. Mit ihr können wir beispielsweise im Rahmen von Multi-Cloud-Konzepten sehr spezifische Anforderungen abbilden, ohne die Komplexität in einem Projekt unnötig zu erhöhen.

channelpartner.de: Mit welchen weiteren großen Technologie-Anbietern arbeitet Ihr darüber hinaus zusammen? Auf Eurer Website nennt Ihr noch SAP, Salesforce und ServiceNow. Darüber hinaus wurdet Ihr auch von Snowflake als Partner ausgezeichnet. Gelangen damit noch weitere Spezialtechnologien (wie die CRM-Software von Adito oder die Speicherlösungen von Netapp) in Euer Portfolio? Welche?

Schobert: Wir setzen auf ein umfassendes Partnernetzwerk, um unseren Kunden jederzeit die bestmögliche Technologie zur Verfügung stellen zu können. Zu unseren Partnern zählen unter anderem auch Microsoft, AWS und Google. Unsere Strategie ist es, dieses Netzwerk konsequent weiter auszubauen, dazu gehören auch Kooperationen mit Unternehmen mit hochspezialisierten Anwendungen. Darüber hinaus bieten wir über unsere Tochtergesellschaften auch eigene Produkte an, wie zum Beipsiel in|sure ecosphere, unsere Software-as-a-Service-Lösung für Versicherungen.

channelpartner.de: Ihr habt auch viele Kunden im öffentlichen Sektor. Wie gestaltet sich Euer Business mit Ämtern und Behörden?

Schobert: Als deutscher IT-Dienstleister mit herstellerunabhängigem Beratungs- und Implementierungsansatz bieten wir dem öffentlichen Sektor ein einzigartiges Portfolio. Rückblickend auf die Zurückhaltung aufgrund der unklaren bundespolitischen Haushaltslage zu Beginn des Jahres spüren wir natürlich, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation die Vertriebszyklen verlängert.

Dennoch ist die Nachfrage unserer Kunden aus dem öffentlichen Umfeld nach Dienstleistungen, bei denen insbesondere regulatorische und datenschutzrechtliche Anforderungen eine zentrale Rolle spielen, hoch. Dazu zählen beispielsweise Anfragen für das Application Management, für SAP-Transformationsprojekte oder Cloud-Migration und Managed Services.

channelpartner.de: Viele mittelständisch geprägten IT-Dienstleister, aber auch große Häuser wie Bechtle, Cancom und Computacenter, berichten derzeit von zurückgehenden Erlösen im Geschäft mit mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Ist das auch bei Euch der Fall?

Schobert: Das können wir so nicht bestätigen. Allerdings haben wir auch ein anderes Portfolio als die genannten Unternehmen. Getragen von einer breiten Nachfrage nach den Digitalisierungsdienstleistungen von adesso konnten die Umsätze in allen Branchen gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden, die meisten sogar mit deutlich zweistelligen Wachstumsraten. Nach wie vor tragen viele mittelständische Unternehmen zu unserem Wachstum bei.

channelpartner.de: Welche Eurer Verticals (Automotive, Banken, Bauen & Wohnen, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen, Handel, Lotteriegesellschaften, Life Scienes, Manufacturing Industry, Medien, Messegesellschaften, Öffentliche Verwaltung, Sport, Transport & Logistik, Verkehrsbetriebe, Versicherungen) wird 2025 voraussichtlich am besten performen? Warum?

Schobert: Das ist schwer zu prognostizieren. Ausgehend von der aktuellen Geschäftsentwicklung dürften vor allem unsere Kernbranchen weiter wachsen, denn viele haben nach wie vor dringenden Digitalisierungsbedarf. Dazu gehören das Banken- und Versicherungswesen, der öffentliche Sektor, die Energiewirtschaft sowie das Gesundheitswesen.

channelpartner.de: Von dem "Great Place to Work"-Institut wurdet Ihr in der Vergangenheit oft als ein sehr guter Arbeitgeber ausgezeichnet. Was sind Eure Erfolgsrezepte bei der Mitarbeiterbindung?

Schobert: Ein Beitrag dazu ist, dass wir unsere Kultur und unsere Werte, die wir seit der Gründung des Unternehmens pflegen, auch in dynamischen Zeiten bewahren. Ein transparenter, wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander ist uns sehr wichtig. Darüber hinaus investieren wir gezielt in die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden, indem wir flexible Homeoffice-Modelle, umfangreiche Benefits und Weiterbildungsangebote anbieten.

Auch unser erfolgreiches Wachstum spielt eine Rolle. Wir bieten ein Umfeld, in dem sowohl Berufseinsteiger als auch Professionals gleichermaßen lernen, sich entfalten und mit dem Unternehmen wachsen können.

channelpartner.de: Wie gestaltet sich bei Euch die Akquise von neuen Fach-, Führungs- und Nachwuchskräften? Ist die Akquise von neuen Mitarbeitern aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage nun einfacher geworden?

Schobert: Vor gut zehn Jahren haben wir noch viel in Personalmarketing investiert, um IT-Spezialisten auf adesso aufmerksam zu machen. Heute ist das Unternehmen eine bekannte Größe im Markt. Das liegt nicht zuletzt an unserer Präsenz an über 30 Standorten in Deutschland. Die gesamte Unternehmensgruppe beschäftigt heute rund 11.000 Mitarbeiter.

Wir haben ein gut strukturiertes, effizientes Recruiting-Team, das sich professionell mit jeder einzelnen Bewerbung auseinandersetzt und sich dabei mit den Geschäftsbereichen und deren Anforderungen abstimmt. Heute erhalten wir jährlich bis zu 90.000 Bewerbungen über Ausschreibungen, Mitarbeiterempfehlungen und proaktive Anfragen.

Bei spezialisierten, schwer zu besetzenden Positionen unterstützen uns punktuell auch externe Personalberater. Und tatsächlich beobachten wir, dass sich die angespannte Wirtschaftslage derzeit sogar positiv auf das Recruiting auswirkt. Die Zahl der Bewerbungen ist in letzter Zeit weiter gestiegen.

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