Herr Heithecker, die IFA platzt aus allen Nähten und ist seit Monaten ausgebucht. Das klingt nach einem sorgenfreien Leben als Messechef. Oder gibt es gut einem Monat vor dem Start der IFA noch Dinge, die Ihnen Sorgen machen?
Jens Heithecker: Sorgen machen wir uns nicht, aber natürlich sind wir wach und können nicht ausruhen. Aufbauend auf dem Erfolg des Vorjahres ist die IFA 2013 weiter auf Erfolgskurs und wird in der vermieteten Ausstellungsfläche um zwei Prozent wachsen. Doch das Limit setzt im Moment unser Messegelände, so dass wir im Außenbereich wachsen. In den Hallen selbst haben wir dazu keine Chance mehr. Für uns ist die Frage, wie wir für die IFA 2014 die neue Fläche der kongresstauglichen Mehrzweckhalle CityCubeBerlin integrieren und einige Aussteller neu platzieren. Das ist für einen Messeveranstalter eine Herausforderung und eine sehr interessante Aufgabe.
Bei allem Lob für die IFA gibt es doch auch Kritik an der veralteten Infrastruktur und der unübersichtlichen Hallenstruktur. Braucht die IFA einen besseren Messestandort?
Heithecker: Hier stimme ich in mehreren Punkten nicht mit Ihnen überein. Unser Messegelände ist zwar historisch gewachsen, die Infrastruktur jedoch auf neuestem Stand. Mit der Hallenstruktur bin ich sogar besonders glücklich, weil so viele Aussteller eine eigene Halle bespielen. Dies spart Standbaukosten und ermöglich perfekte Inszenierungen der Marken, ohne mit Standnachbarn in Konflikt zu geraten. Zusätzlich sehen wir den Vorteil, Besucherströme besser führen zu können als in Randbereiche von riesigen neuen Hallen. Wir haben für die IFA aus meiner Sicht die optimale Größe erreicht, um für Fach- und Privatbesucher wie auch für die Medien einerseits einen allumfassenden Überblick über die globalen Neuheiten und Trends der IFA-Branchen geben zu können. Andererseits ist die IFA aber beispielsweise für Fachbesucher auch an zwei bis drei Tagen machbar, um alles gesehen zu haben. Sie sehen, wir fühlen uns vom Messegelände her sehr gut aufgestellt, bei allen Wünschen, die auch ich habe.
Der CE-Markt entwickelt sich derzeit eher seitwärts. Wird sich das auch auf die IFA auswirken?
Heithecker: Immerhin, der CE-Markt wächst und zwar weltweit. Selbst im kritischen Europa wächst der Consumer Electronic Markt in diesem Jahr um rund zwei Prozent. Da heißt nicht, dass es einfach wäre, diese positive Entwicklung gleichermaßen auf die IFA zu übertragen. So ist der TV-Markt beispielsweise von weltweiten Überkapazitäten geprägt. Kaum ein TV-Hersteller arbeitet momentan profitabel. Für die IFA heißt die Herausforderung, mit den Markttrends zu gehen bzw. diese zu antizipieren oder noch einfacher gesagt: qualitatives Wachstum.
Beim Ordervolumen konnten Sie jedes Jahr neue Rekordwerte vermelden. Ist jetzt bald die Obergrenze erreicht?
Heithecker: Dies ist eher eine philosophische Frage nach dem Ende des Wachstums. Die IFA ist mit einem Ordervolumen von mehr als 3,7 Milliarden Euro im letzten Jahr das wichtigste Ereignis für Handel und Industrie. In Berlin wird für die Welt das Weihnachtsgeschäft für Consumer Electronics und Hausgeräte vorbereitet. Inwieweit diesbezüglich noch Platz nach oben ist, ist von der Marktsituation, den Produkten, dem Handel und der Industrie abhängig.
Erfolgreiche Messen versuchen ja oft, Ableger in anderen Kontinenten zu etablieren. Wurde auch bei Ihnen darüber nachgedacht?
Heithecker: Nachgedacht haben wir über vieles, eine IFA-Kopie oder wie auch immer geartete Ableger sehen wir nicht.
Sehen Sie gegenüber dem Vorjahr neue Trendthemen, die auf der diesjährigen IFA wichtig sein werden?
Heithecker: Smart Home und die digitale Revolution könnten, in fast allen Bereichen unseres Lebens, nicht präsenter sein, das spiegelt auch die IFA wider. Vor allem das Intelligente, Smarte ist es, das die Branchen Consumer Electronic und Elektrohausgeräte zunehmen verbindet, ist eines der Trendthemen der IFA.
Die IFA ist was die Produkte anbelangt klassisch eine Consumer-Messe. Wo sehen Sie trotzdem Anknüpfungspunkte an die Business-Welt?
Heithecker: Sorry, eine kleine Korrektur vorab: Die IFA ist eine Messe für Konsumenten-Produkte, aber für Handel und Medien eine Fach- und Business-Messe. Über die schwindende Trennung von Consumer- und Businesswelten wurde und wird andernorts viel sinniert. Schlagwort wäre hier beispielsweise BYOD. Auch weiß ich aus persönlicher Erfahrung, dass gerade mittlere und kleinere Händler in beiden Kundenwelten zu Hause und vor allem kompetent sind. Der dahinter stehende Trend spielt uns sicherlich in die Hände, so dass wir eine Vielzahl an bereits entstandenen Verknüpfungen sehen und sehr entspannt sein können.
Wenn ein Fachhändler die IFA besucht, was sollte er sich auf jeden Fall anschauen?
Heithecker: Alles, denn ob Großstand oder iZone, die neuen Produkte sollen seine Erfolgsbasis für die nächste Saison werden. Deshalb sollte sich der Fachhändler auf intensive Trüffelsuche begeben. Und er sollte sich die Zeit für die IFA International Keynotes nehmen, die persönliche Einblicke der weltweiten Industriechefs geben: ob mit Philips’s Consumer Lifestyle-CEO Pieter Nota, mit dem CEO & Präsident des amerikanischen Mobilfunkanbieters Sprint Dan Hesse, mit Ford-Chef Alan Mullaly und Vestels Präsident Dr. Turan Erdogan, direkter und besser kann man Innovationen, Strategien und Trends nicht erfahren.
Noch eine persönliche Frage: Finden Sie überhaupt Zeit, einmal ganz unvoreingenommen mit den Besuchermassen durch die Hallen treiben zu lassen?
Heithecker: Treiben lassen: kaum. Mein Terminkalender wirkt hier eher wie ein Beschleuniger. Mein Trick ist ein anderer: Ich frage immer, welche Highlights mein Gegenüber gesehen hat und lerne so mehr, als nur vorbeizuhetzen. (awe)