Bei der Gründung der Arineo GmbH Ende 2018 ging es in vielerlei Hinsicht heiß her. Es musste damals schnell gehen und dennoch sollte ein zuverlässiger Rahmen geschaffen werden, in dem die Gründer das Konzept der "Kollegialen Organisation" im Alltag erproben und die als Selbstverpflichtung auferlegte Überführung der GmbH in das Eigentum der Beschäftigten vorbereiten konnten.
Ziel war es, das innerhalb von fünf Jahren umzusetzen. Stand heute wird das auch erreicht: Kürzlich haben elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Göttinger IT-Dienstleisters einen Verein für die Arineo-Belegschaft gegründet und damit den Grundstein für die Überführung des Unternehmens in das Verantwortungseigentum der Belegschaft gelegt. Die soll zum 1. Januar 2024 erfolgen. Mit der neuen Struktur hofft das Unternehmen, mehr Bewerber zu gewinnen, Mitarbeiter langfristig zu halten und somit seine Position und dauerhafte Existenz am IT-Dienstleistungsmarkt zu sichern. Vereinsvorsitzende ist Wibke Jellinghaus.
Ab dem kommenden Jahr können dann alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem Unternehmen länger als sechs Monat angehören, dem Verein als aktives und stimmberechtigtes Mitglied beitreten. Eine Mitgliedschaft ohne Stimmrecht ist für ehemalige Mitarbeiter oder verdiente Unterstützer des Unternehmens möglich. Über den Verein wird die Belegschaft das Unternehmen mittelbar kontrollieren. Damit ist auch ausgeschlossen, dass Mitarbeiter ihre Anteile am Unternehmen verkaufen, vererben oder sonst wie weitergeben.
Zum Video: Ein Systemhaus wird zum Verein
Der Verein wählt die drei externen Mitglieder des Aufsichtsrates, darunter den Vorsitzenden oder die Vorsitzende. Zusätzlich wird die Person, die den 1. Vorstandsvorsitz des Vereins innehat, automatisch Mitglied im Aufsichtsrat. Zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder kommen aus der Reihe der Mitarbeiter und werden von der gesamten Belegschaft gewählt. "Mit diesem Konstrukt soll die von Arineo entwickelte Unternehmensform der 'Employee owned Company' sichergestellt werden. Sie dient dazu, einen Verkauf des Unternehmens zu verhindern", teilt das Unternehmen mit.
"Wir sind der Überzeugung, dass das von uns erarbeitete Unternehmenskonstrukt der Employee owned Company handfeste Wettbewerbsvorteile bietet", erläutert Dr. Marko Weinrich, Sprecher der Geschäftsführung. "Unternehmen der IT-Dienstleistungsbranche haben keine Vermögenswerte wie Produktionswerke oder Fertigungshallen. Einzig die Mitarbeitenden, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten stellen das Vermögen des Unternehmens dar." Deshalb müsse man eine stabile Umgebung bieten, die für neue Bewerber und bereits Beschäftigte Mitarbeitende attraktiv ist und ihre Arbeitsmotivation erhält. Bisher funktioniert das ganz gut: Das Unternehmen beschäftigt nach nicht einmal fünf Jahren bereits über 360 Personen.
"Wichtig ist mir zu unterstreichen, dass wir mit dem Konzept der Employee owned Company keine Basisdemokratie im Unternehmen etablieren. Die Arineo GmbH bleibt als Unternehmen wie bisher erhalten", sagt Jellinghaus. Es gehe vielmehr darum, die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, um hervorragende IT-Dienstleistungen für die Kunden erbringen zu können. "Das ist schließlich unser Unternehmenszweck", rekapituliert Jellinghaus.
Langfristig geplante Nachfolgeregelung
Zum Konzept gehört auch eine sauber geregelte Nachfolge für die jeweils aktuelle Geschäftsführung. Auch da hat Arineo jetzt wichtige Weichen gestellt. Dazu wurden Wibke Jellinghaus, Dr. Astrid Selke, Dr. Thomas Brodag, Leandro Meermeier, Daniel Piekorz und Philipp Stickling eine Gesamtprokura erteilt. Die zwei Frauen und vier Männer kristallisierten sich über ein Auswahlverfahren, bei dem sich alle Beschäftigten für die Nachfolge in der Geschäftsführung bewerben konnten, als geeignete Kandidaten heraus. Sie arbeiten nun zunächst in der Geschäftsleitung mit. "So können sie in typischen Führungsaufgaben sichtbar werden und Verantwortung übernehmen", erläutert Marko Weinrich, Sprecher der Geschäftsführung.
"Die Einarbeitung in die Aufgaben der Geschäftsführung ist eine hervorragende Möglichkeit herauszufinden, ob diese Rolle wirklich zu uns passt", sagt Thomas Brodag. Indem die Geschäftsführung aus den eigenen Reihen nachbesetzt und im Tagesgeschäft ausgebildet wird, soll ein nahtloser Übergang der Geschäftsführungstätigkeiten auf die nachfolgende Generation sichergestellt sein, wenn die aktuelle in den kommenden Jahren nach und nach in den Ruhestand geht.
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