Als Nortel Networks, Kanadas größter Netzwerkanbieter, vor genau zwölf Monaten den Gang zum Konkursrichter antreten musste, war das Drama um den Netzwerker noch nicht zu Ende. Nicht nur, weil über 30.000 Mitarbeiter weltweit nicht wussten, wie es weitergehen würde, sondern weil Nortel allerhand Sparten in Besitz hielt, die für konkurrierende Netzwerker und VoIP-Anbieter einen lohnenden Kauf darstellten. Immerhin war Nortel VoIP-Marktführer in Nordamerika und verkaufte dort mehr Software-Switches für IP-Telfone als die Konkurrenten zusammen; des Weiteren war Nortel im Mobilfunkmarkt der größte Carrier-Ausrüster.
Zwar verneinte Nortel anfangs jegliches Interesse an einem Verkauf und damit an seiner Zerschlagung, doch die Gefolge des Insolvenzantrages (nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechtes) sich offenbarende tatsächliche Verschuldungshöhe des Unternehmens sowie der Zusammenbruch des Finanzsystems und die dadurch sich deutlich verschlechternde Kreditsituation der Carrier und TK-Ausrüster lies den Kanadiern keine andere Wahl: Sie mussten daran gehen, profitable Geschäftseinheiten zu verkaufen.
Die Konsequenz: Seit Januar 2009 hat Nortel folgende Geschäftseinheiten verkauft: Im Juli 2009 ging die Tausende Mitarbeiter zählende Mobilfunksparte (CDMA und dessen Nachfolger LTE) für 794 Millionen Euro an den schwedischen TK-Ausrüster Ericsson, der sich davon den Einstieg und Durchbruch in dem lukrativen US-Geschäft mit Carriern verspricht; im September war dann VoIP-Spezialist Avaya am Zug: Er kaufte für rund 635 Millionen Euro das Enterprise-Telefoniegeschäft mit rund 6.000 Mitarbeitern. Des Weiteren gingen verbliebene Teile des LTE-Geschäftes für magere sieben Millionen Euro an das japanische Unternehmen Hitachi; für rund 196 Millionen Euro wechselte die Abteilung CVAS (Carrier VoIP and Application Solution) mit 2.200 Mitarbeitern zu dem amerikanischen IP-Spezialisten Genband; in einer zweiten Offerte sicherten sich Ericsson und Kapsch das GSM-Geschäft mit 630 Mitarbeitern für rund 103 Millionen Euro; und schließlich konnte sich der amerikanische Carrier-Ausrüster Ciena Ende Dezember das MEN-Geschäft (Metro Ethernet Networks) und 2.200 Mitarbeiter für rund 535 Millionen Euro sichern.
(Anmerkung: In den Fällen Ericsson und Ciena wurde der Konkurrent Nokia Siemens Networks (NSN) überboten; dass NSN im Fall MEN nicht einmal die Hilfe eines Finanzinvestors half, muss man als garantiert schlechte Pointe für das Joint Venture werten, zeigt es doch zumindest ungefähr an, wie wenig die Joint Venture-Partner Nokia und Siemens bereit sind, in ihr Unternehmen zu investieren.)
Während dieser Verkäufe gab Nortel Lenker Mike Zafirovski seine Posten ab; er hatte im Januar erklärt, der Bankrott ermögliche Nortel einen Neuanfang; als aber der vormalige Motorola-Chef im August mit rund zwölf Millionen Dollar Abfindung demissionierte, stand fest, dass Nortel unwiederbringlich abgewickelt wird und sämtliche Millionen aus den Verkaufserlösen an die Gläubiger gehen würden. Zum Zeitpunkt des Bankrotts hatte Nortel mehr als zwei Milliarden Dollar Schulden angehäuft.
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Was plant Avaya mit seine VoIP-Partnern?
Nun sind Beobachter, Partner und Kunden des Netzwerkers gespannt, was die Käufer mit ihren Neuerwerbungen anstellen werden.
Am Dienstag kommender Woche will Avaya erklären, wie es die VoIP-Abteilung aufstellen und die zahlreichen, sich überlappenden Produkte ausrichten will. Bis jetzt ist nur klar, dass die neuen Nortel-Kunden von Avaya erwarten, dass sie in den kommenden 18 Monaten die volle Unterstützung erhalten.
Das betrifft nicht nur die Software-Switches und Sicherheits-Werkzeuge, sondern auch die wichtigen Unified Communications-Produkte für Büros und Unternehmensfilialen. Nortels diesbezügliches Angebot ist nämlich vollständig - ein Umstand, der es Avaya schwer machen dürfte, die Produkte vor ihrer Abschreibung aus dem Verkehr zu ziehen oder Migrationsvorschläge zu Partnerprodukten wie denen von Brocade, Extreme Networks und Juniper Networks zu machen.
Klar erscheint, dass Avaya ein vorsichtiges Konzept bevorzugen muss, um die zahlreichen Kunden nicht zu verprellen. Damit ist aber auch klar, dass es für Avaya keine schnelle Amortisation des Kaufes geben kann, weshalb Beobachter und Analysten derzeit auch rätseln, welche Rolle Avayas Eigner, die beiden Finanzinvestoren Silver Lake und TPG Capital, jetzt spielen werden. Immerhin können Nortel und Avaya zusammen rund 42 Prozent aller in Nordamerika verkauften Telefonanlagen für sich reklamieren - ein Bestand, den anzutasten sich Avaya hüten wird.
Ob solche Vorgehensweise auch für die zahlreichen Partner der beiden Unternehmen gelten wird, ist derzeit offen. Während die Partner sorgfältig darauf achten werden, welche Channel-Strategie Avaya wählen wird, um ihre Investitionen und ihr Engagement zu bewahren, muss Avaya umgekehrt darauf achten, den Zielen seiner Investoren zu genügen.
Ciena, Ericsson und Genband hingegen haben mehr Zeit. Während Ericsson, das mit Hans Vestberg gerade einen neuen CEO installiert hat, im Moment nur damit rechnen muss, in ruinöse Wettbewerbe um CDMA und LTE hineingezogen zu werden, muss Ciena erst mal die Neuerwerbung sortieren. Das gilt auch für Genband, wobei es nun mit Kunden wie AT&T und Verizon zu tun haben wird.
Das momentane Fazit: Nur für Avaya, seine Partner und die neuen Partner von Nortel wird es jetzt ernst. Das weiß man bei Avaya, das wissen die Partner und die Kunden. (wl)
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