Ein HD-Panel macht noch kein HDTV

27.04.2006
Der Hype um hoch auflösendes Fernsehen ist fast genauso groß wie die Verwirrung um das richtige Equipment. CE-Business zeigt auf, worauf es bei HDTV ankommt.

Der Hype um hoch auflösendes Fernsehen ist fast genauso groß wie die Verwirrung um das richtige Equipment. ComputerPartner zeigt auf, worauf es bei HDTV ankommt.

Hoch auflösendes Fernsehen (HDTV) erfreut sich enorm hoher Beliebtheit - in den USA und in Asien. In Europa (und Afrika) hingegen tut sich dieser Standard schon deutlich schwerer. Das ist erstaunlich, hat doch die EU-Kommission schon am 27. April 1989 die Einführung von HDTV beschlossen und eine Milliarde Mark Fördermittel in das Projekt D2-Mac investiert - nicht erstaunlich, da man damals das "Fernsehen der Zukunft" auf analogem (!!) Weg übertragen wollte. Das Scheitern war somit programmiert. Der Schreck über den kapitalen Fehlschlag steckt heute noch vielen in den Knochen.

Vielen, aber nicht allen. Denn das hochauflösende Fernsehen hat sich selbst in Deutschland langsam, aber sicher, in die Köpfe und die Wohnzimmer der Konsumenten geschlichen. Schon vergangenes Jahr waren laut GfU-Zahlen 55 Prozent aller in Deutschland verkauften LCD-Fernseher HD-ready. Bei den Plasmas lag der Anteil bei rund 40 Prozent. Für dieses Jahr sagen die Marktkenner ein weiteres rasantes Wachstum voraus. Kein TV-Hersteller kommt an HDTV vorbei, auch kein Beamer-Hersteller oder Anbieter von DVD-Playern, -Rekordern oder -Receivern und -Konsolen der nächsten Generation. Auch immer mehr Camcorder der gehobenen Preisklasse nehmen Videos in höchster Auflösung (1.920 x 1.080 Pixel) auf.

Während mehr als 150 LCD- und Plasma-TVs sowie Beamer das EICTA-Logo "HD-ready" tragen und somit für eine gewisse Zukunftssicherheit sowie HD-Qualität bei der Ausgabe sorgen, ist das Angebot an Receivern, die das HDTV-Logo zu Recht tragen könnten, noch sehr übersichtlich. Zu den Vorreitern in Sachen DVB-S2 (mit MPEG4-Chip) gehören Pace, Humax, Philips und Technisat. Die Preise für deren Geräte liegen zwischen 200 und 400 Euro.

Bei den DVD-HDD-Rekordern wird es schon schwieriger. Es gibt wohl schon zahlreiche Rekorder mit HDMI-Ausgang. Geräte, die auch über einen HMDI-Eingang verfügen, sind aber noch Zukunftsmusik. Vor allem die Hollywood-Studios blockieren den Vertrieb dieser Geräte, solange es noch keine Einigung über den Kopierschutz gibt. Das verzögert auch die Auslieferung von HD- oder Blu-Ray-Rekordern. Die Angst ist (berechtigterweise) zu groß, dass die hochwertigen Digitaldaten der Filme für Raubkopien missbraucht werden. Deshalb kann derzeit der Konsument nur solche Filme in HD-Qualität ansehen, die entweder per Satellit oder Kabel ausgestrahlt werden oder die auf DVD gebrannt sind. Eigene Mitschnitte als "Sicherheitskopie" sind noch nicht drin.

So entsteht echtes HDTV

Damit der Anwender Filme in hoch auflösender Qualität genießen kann, benötigt er folgende Produkte:

Das Ausgabemedium (Fernseher oder Beamer) muss HD-ready sein. Das bedeutet: Es hat eine native 16:9-Auflösung von wenigstens 720 Zeilen, verfügt über (mindestens) einen analogen YUV-Komponenteneingang, besitzt (mindestens) einen HDCP-kopierschutzfähigen digitalen Eingang (DVI-D/-I oder HDMI) und kann über beide Eingänge (jeweils bei 50 und 60 Hertz, beim digitalen unverschlüsselt und verschlüsselt) Vollbilder von 1.280 × 720 Pixeln (720p) und Halbbilder von 1.920 × 1.080 Pixeln (1080i) annehmen.

Die digitalen Video- und Audiodaten erhält das Ausgabegerät idealerweise von einem HDTV-zertifizierten Receiver, einer Settop-Box oder einem HD-Rekorder mit integriertem Tuner.

Um dieses Logo zu Recht zu tragen, müssen Receiver wahlweise DVB-T-, DVB-S- oder DVB-C-Signale empfangen und verarbeiten können. Geräte mit Aufnahmemöglichkeit (beispielsweise mit Festplatte) werden nur dann zertifiziert, wenn sie Bilddaten bis zur Auflösung von 1.280 x 720p und 1.920 x 1.080i verarbeiten und im 16:9-Format darstellen können.

Settop-Boxen müssen die Kompressionsstandards MPEG2 und MPEG-4/H.264 AVC unterstützen und Daten im Frequenzbereich 50 Hz wiedergeben können.

Alle Geräte ohne Bildschirm müssen, wie auch die HD-ready-Ausgabegeräte, mindestens einen Komponenten-, einen DVI- oder einen HDMI-Ausgang besitzen und den Kopierschutz HDCP unterstützen.

Um nun das Optimum aus den Geräten herauszuholen, sollte auch die optimale Verbindung gewählt werden. Alle aktuellen DVD-Player unterstützen HDCP. Darum müssen sie unbedingt über DVI oder besser noch HDMI am Fernseher oder Beamer angeschlossen werden. HDMI-Buchsen verstehen digitale Bild- und Audiodaten, DVI nur digitale Bilder. Der analoge oder digitale Ton muss also anderweitig übertragen werden. Schließt man den Player über YUV oder DVI ohne HDCP-Unterstützung an, bleibt der Bildschirm schwarz.

Nicht alle DVD-Abspielgeräte sowie Fernseher und Beamer werden standardmäßig mit einem HDMI-Kabel ausgeliefert, da diese sehr teuer sind. Man braucht sie aber.

Bei der Auswahl des Kabels ist die Länge entscheidend. Je kürzer es ist, umso bessere Bildqualität gibt es. Stehen die Geräte weiter auseinander, kann ein höherwertiges Kabel helfen - oder ein so genannter HDMI-Repeater, der das Signal aktiv auffrischt.

Erst wenn alle diese Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt, also auf ein und dasselbe Format eingestellt sind, kann man echtes HDTV erleben - sofern auch die Inhalte, also TV-Sendungen und DVD-Filme, in HDTV-Qualität angeboten werden. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Das aktuelle HDTV-Angebot

Am 1. Januar 2004 nahm "Euro 1080" als erster europäischer HDTV-Sender den Betrieb auf. Das Pay-TV-Programm "HD1", das über Astra ausgestrahlt wird, bietet europaweite Übertragungen von Sport- und Musik-Events, Shows, kulturellen Ereignissen und Spielfil-men in HD-Qualität und in fünf Sprachen. Die Belgier entschieden sich für die HDTV-Variante "1.080i", also 1.080 Zeilen bei einer Bildwiederholfrequenz von 50 Hz und einer horizontalen Auflösung von 1.920 Zeilen. Geräte, die nicht exakt diese Auflösung unterstützen, müssen die Daten umrechnen. Das kann zu Qualitätseinbußen führen. Das gewählte Kompressionsverfahren ist MPEG2.

Seit Ende Oktober 2005 bietet die ProSie-ben/Sat.1-Gruppe kostenlos über ihre Sender "Pro7 HD" und "Sat.1 HD" HDTV-Sendungen über Astra an. Damit auch Zuschauer ohne HDTV-Receiver das Programm empfangen können, wird es parallel in HDTV- und in PAL-Standard-Auflösung ausgestrahlt.

Neben echtem HD-Material (bei dem die Sendungen und Filme mit HD-Kamera in HD-Qualität aufgenommen wurden) gibt es auch viele Standardaufnahmen, die auf HD-Qualität hochskaliert werden. Der Qualitätsunterschied zwischen den beiden ist erheblich. Die künstlich aufgeblasenen Sendungen sollen aber laut ProSieben zumindest DVD-Qualität bieten. Kein Wunder: Solche "unechten" HD-Filme werden nämlich auch sehr oft auf DVD angeboten.

Für zwölf Euro extra zur monatlichen Gebühr gibt es bei Premiere die drei HDTV-Kanäle "HD Film", "HD Sport" und "HD Thema". Der Bezahlsender strahlt ebenfalls in 1.080i aus und nutzt das Kompressionsverfahren MPEG4/H.264 AVC. Der Empfang ist nur mit Sat-Receivern möglich, die den Decodierstan-dard DVB-S2 unterstützen.

Die meisten Content-Anbieter bevorzugen die Satellitenübertragung. Die Einspeisung ins Kabel steckt noch in den Kinderschuhen. Die Kabelanbieter Kabel BW und ISH gehören hier zu den Pionieren. Erst wenn es zu einer Einigung mit Kabel Deutschland kommt, die großen Privatsender wie RTL, Sat.1 und Pro-Sieben auch das Kabel mit HD-Inhalten bestücken und das Gros der derzeit noch analog belieferten Kabelkunden auf digital umgestellt worden ist, kann das Kabel eventuell mit dem Satelliten mithalten. Die Übertragung über DVB-T wird zwiespältig bewertet. Frankreich und Großbritannien wollen beispielsweise noch dieses Jahr mit der terrestrischen HDTV-Ausstrahlung beginnen. In Deutschland ist der DVB-T-Empfang aktuell nur in einigen Bal-lungsgebieten gewährleistet.

Meinung der Redakteurin:

Es ist noch ein langer Weg bis zum voll digitalisierten Wohnzimmer. Die rechtlichen Streitereien um Kopierrechte, die uneinheitlichen Standards und die unterschiedliche Ausstattung der einzelnen Bausteine TV, Receiver und Rekorder sowie Sound und Camcorder erhöhen den Informations- und Beratungsbedarf der kaufwilligen Kunden. Und das ist dann wieder was Gutes für die informations- und beratungswilligen Fachhändler. (go)