Exklusivinterview

"Ein großes Maß an Vertrauen aufbauen"

07.04.2010
Seit November 2009 verantwortet Stefan Herrlich als Geschäftsführer das Deutschland- und Europa-Geschäft von Siemens Enterprise Communications (SEN). Im Gespräch mit ChannelPartner erklärt er, wie er den Vertrieb auf einen Channel-Fokus umbauen will.
"Wir haben 30 bis 40 Prozent des Weges geschafft." Stefan Herrlich, Geschäftsführer Deutschland und Leiter Vertrieb EMEA bei Siemens Enterprise Communications

Seit November 2009 verantwortet Stefan Herrlich als Geschäftsführer das Deutschland- und Europa-Geschäft von Siemens Enterprise Communications (SEN). Im Gespräch mit ChannelPartner erklärt er, wie er den Vertrieb auf einen Channel-Fokus umbauen will.

Sie haben im November 2009 mit dem Umbau der Vertriebsorganisation in Richtung indirekter Vertrieb begonnen. Wie weit sind Sie auf diesem Weg und bis wann wollen Sie die Umstrukturierung abgeschlossen haben?

Stefan Herrlich: Ich würde sagen, wir haben 30 bis 40 Prozent des Weges geschafft. Unser Ziel ist es, bis zum Beginn des kommenden Geschäftsjahres mit der Reorganisation durch zu sein. Das wäre der 01.10.2010.

Was genau ändert sich an der Vertriebsstruktur von SEN?

Herrlich: Bisher waren die beiden Säulen des direkten und indirekten Vertriebs getrennt und jeweils nochmals in Kundensegmente aufgeteilt. Nun führen wir für alle diese Kundensegmente - Global / Named Accounts, Large Enterprise und SMB - sowie die direkten und indirekten Vertriebskanäle zusammen, mit dem Ziel den indirekten Kanal zu forcieren und durch die bisherige Direktvertriebsmannschaft zu unterstützen.

Wie wollen Sie diesen massiven Kulturwechsel in einer bisher sehr direkt ausgerichteten Vertriebsmannschaft durchsetzen?

Herrlich: Wir sprechen mit jeden Mitarbeiter und jeder Führungskraft und haben ein Team von 14 Coaches zur Hand, die uns bei dem Veränderungsprozess unterstützen. Außerdem haben wir von Anfang an unsere Partner aus der Distribution und dem Handel mit einbezogen und testen in Pilotprojekten die Umsetzbarkeit unserer Konzepte. Uns ist bewusst: Es gilt, bei Mitarbeitern, Partnern und Kunden ein großes Maß an Vertrauen aufzubauen. Deshalb ist uns eine intensive Kommunikation ausgesprochen wichtig.

Sie haben ja schon einmal versucht, den SMB-Vertrieb auf rein indirekt umzustellen - ohne Erfolg.

Herrlich: Ja, wir hatten im Jahr 2002 damit begonnen, alle Kunden mit weniger als zehn Mitarbeitern auf eine Betreuung durch den Channel umzustellen. Dies wurde dann auch über die Distribution sehr erfolgreich umgesetzt. Leider ist dieser Ansatz dann durch die Eingliederung der Enterprise-Sparte in Siemens Com nicht weiterverfolgt worden.

Ist die Konzentration auf den indirekten Vertrieb eine weitere Maßnahme, Personal zu sparen und Stellen abzubauen? Werden die bisher im Direktvertrieb arbeitenden Mitarbeiter also ihre Jobs verlieren?

Herrlich: Auf keinen Fall, die Personalanpassung ist abgeschlossen. Die bisherigen Account Manager werden je nach Kunde und Segment weiter als Account Manager arbeiten, im Direct-Touch-Ansatz den Partner beim Kunden und in Projekten begleiten oder als Partner Manager den indirekten Kanal betreuen.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob ein Kunde direkt oder indirekt betreut wird?

Herrlich: Das hängt natürlich in erster Linie vom Kunden selbst, von dessen Größe, der Region und dem Marktsegment ab. Die bereits erwähnten Pilotprojekte sollen uns außerdem dabei helfen, die Segmentierung optimal zu definieren. So sehen wir uns beispielsweise vertikale Märkte wie den Gesundheitsbereich oder den Hotelmarkt genau an und prüfen, ob wir diese Bereiche rein indirekt betreuen können.

Sie hatten 2007 die Zahl der Distributoren, mit denen Sie in Deutschland zusammenarbeiten, drastisch reduziert. Nun ist seit vergangenem Jahr mit Westcon ein neuer Distributor unter Vertrag. Planen Sie, weitere Distributoren aufzunehmen?

Herrlich: Das kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Wir wollen auf jeden Fall eine Überdistribution vermeiden. Ich sehe die Zusammenarbeit mit Westcon auch nicht in Konkurrenz zu den bestehenden Distributionsverträgen mit Komsa, NT plus und Partners in Europe, sondern als Ergänzung. Westcon ist zum einen europaweit tätig und zum anderen stärker auf den IT-Sektor konzentriert als die anderen genannten Unternehmen.

Und wie ist die Zusammenarbeit mit Versatel einzuordnen, die zur CeBIT 2010 bekannt gegeben wurde?

Herrlich: Versatel ist als Reaktion auf die Anforderungen von Kunden an uns herangetreten, die von ihrem Carrier mehr als nur Netzanschlüsse beziehen wollten. Wir treten dabei als Service-Provider auf und übernehmen sämtliche Aufgaben wie auch die Installation und die fortlaufende Wartung der Systeme.

Aber der Vertrieb wird an Versatel ausgelagert ...

Herrlich: Nein, der Vertrieb des neuen Versatel-Angebotes wird durch Versatel-Vertriebsmitarbeiter durchgeführt. Es geht darum, neue, bisher unerschlossene Marktsegmente zu bedienen, und nicht darum, unsere bestehende Vertriebsmannschaft zu ersetzen. Diese setzen wir zur Unterstützung des Versatel-Vertriebes ein.

Was ist mit Kunden, die noch langjährige Mietverträge haben? Sollen diese weiter direkt betreut werden?

Herrlich: Wir haben derzeit noch zirka 50.000 Mietverträge, die aber nur zehn Prozent unseres Umsatzes darstellen. Bereits seit Mitte 2009 schließen wir im Übrigen keine neuen Mietverträge mehr ab, sondern bieten den Kunden eine Kombination aus Leasing- und Wartungsverträgen an - auch unter Beteiligung des Channels. Den Partnern steht es natürlich frei, ihren Kunden weiterhin auch Mietverträge anzubieten.

Die Unified-Communications-Produkte von SEN werden allgemein positiv bewertet. Dennoch hakt es beim Verkauf. Woran liegt die zögerliche Marktakzeptanz?

Herrlich: Das Thema gewinnt in dem Maß an Bedeutung, in dem wir von der reinen Technikdiskussion wegkommen. Wir konzentrieren uns zunächst darauf, Unified Communications an große Kunden zu verkaufen. In diesen Unternehmen gibt es häufig ganze Abteilungen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Je kleiner der Kunde, desto mehr sind wir auf gut ausgebildete Fachhändler angewiesen, die Kunden von den definitiv vorhandenen, greifbaren Vorteilen und dem Nutzen unserer UC-Lösungen überzeugen können.

Sie hatten Ende 2009 große Lieferschwierigkeiten. Woran lag das?

Herrlich: Die massiven Probleme waren durch eine Knappheit bei bestimmten Bauteilen, zum Beispiel LC-Displays, bedingt. Das war eine sehr unerfreuliche und schwierige Zeit, die zu sehr viel Frust geführt hat. Wir haben unsere Partner hierbei sogar bevorzugt beliefert, einerseits, um ein Zeichen zu setzen, andererseits, weil der Direktvertrieb mehr Möglichkeiten hat, solche Engpässe zu überbrücken.

Hat sich die Lage entspannt?

Herrlich: Ja, wir liegen bei der Produktion nun wieder im Plan und haben bei den Anlagen und Systemen den Rückstand aufgeholt. Bei den Endgeräten sind wir noch nicht ganz so weit, hier erwarten wir eine Entspannung im Laufe des Monates April. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerben können wir unsere Kunden auch deshalb wieder relativ schnell bedienen, weil wir in unseren zwei eigenen Werken in Leipzig und in Brasilien produzieren und damit direkten Zugriff auf die gesamte Lieferkette haben.

Zu Frust bei den Händlern führen auch die steigenden Anforderungen des "Go-Foward"-Partnerprogramms. Gleichzeitig sei die Betreuung durch SEN schlechter geworden, heißt es. Was werden Sie dagegen tun?

Herrlich: Das Bild wird sich sehr schnell zum Besseren wenden, weil wir nun auch den direkten Vertrieb in der Channel-Betreuung einsetzen. Die Presales-Ressourcen werden bereits zusammengefasst und stehen dann Channel-unabhängig zur Verfügung. Ich denke, die meisten Partner sehen die Notwendigkeit, Kenntnisse und Fähigkeiten aufzubauen. Wir finden uns schließlich alle in der IP-Welt wieder, in der eine andere Art von Komplexität herrscht als in der "alten" TK-Welt. Deshalb müssen wir Schulungen und Zertifizierungen sicherstellen, um die Qualität, für die unser Name steht, nicht zu gefährden. (haf)