Deutschland-Chef Oliver Klinck im Interview

Ebay fokussiert sich auf ausgewählte Branchen

14.01.2022 von Matthias Hell
Online-Marktplätze boomen, doch ausgerechnet Marktplatzpionier Ebay kann von diesem Trend nur beschränkt profitieren. Im großen ChannelPartner-Interview erklärt Deutschland-Chef Oliver Klinck, mit welcher Strategie er das ändern will und wie Ebay Händler dabei unterstützt.
Mit der neuen Kampagne "eBay. Das seid ihr." geht Ebay in das Weihnachtsgeschäft
Foto: eBay

Mit einer neuen Markenplattform geht Ebay in das Weihnachtsgeschäft 2021: Mit dem Motto "eBay. Das seid ihr." will die E-Commerce-Plattform den offenen Ansatz ihres Marktplatzmodells in den Mittelpunkt der Kommunikation stellen. Ob sich der neue Marken-Claim für die Kunden wesentlich anders anhört als vorhergehende Kampagnen wie "Kauf bunter" oder "Deins. Meins. eBay."? Dabei könnte der Pionier unter den Online-Marktplätzen einen Push gebrauchen: Vom Corona-Boom hat Ebay mit einem Jahreswachstum von 17 Prozent im Jahr 2020 deutlich weniger profitiert als Rivale Amazon, der im gleichen Zeitraum um 40 Prozent zulegte.

Im Gespräch mit ChannelPartner erklärt Deutschland-Chef Oliver Klinck nun, mit welcher Strategie Ebay bei Käufern und Händlern punkten will, wo die Online-Plattform aktuell mit ihren Initiativen steht und wie man die gewerblichen Anbieter bei ihrem Marktplatzgeschäft unterstützen will.

ChannelPartner: Herr Klinck, von außen betrachtet befindet sich Ebay heute in einer paradoxen Situation: Fast alle großen Händler - von Otto über Zalando bis zu MediaMarktSaturn - verfolgen inzwischen ein Marktplatzmodell. Dabei konnten diese Händler vom Online-Boom in der Corona-Krise stärker profitieren als Ebay, das von jeher auf den Marktplatzgedanken setzt. Kommt in einer Plattform-E-Commerce-Welt das reine Marktplatzmodell unter Druck?

Oliver Klinck: Auch wir haben seit Beginn der Corona-Krise deutlich an Umsatz zugelegt und sind damit alles andere als unzufrieden. Wichtig ist für Ebay, dass wir uns auch weiterhin auf das reine Marktplatzgeschäft konzentrieren. Für uns würde es keinen Sinn machen, plötzlich selbst in den Retail einzusteigen.

Wir haben vor einiger Zeit damit begonnen, uns auf ausgewählte Verticals zu konzentrieren. So erfüllen wir in diesen Bereichen die jeweiligen Kundenerwartungen noch besser - und können gleichzeitig unsere Marktplatz-Power ausspielen. Denn während viele Online-Händlerinnen und -Händler vor allem ein recht spitzes Produktsegment abdecken, haben wir eine riesige Angebotsbreite und können bis in den Longtail hinein das gesamte Spektrum abdecken.

Oliver Klinck ist seit 2020 Deutschland-Chef von Ebay
Foto: Ebay

Auf welche Verticals konzentriert sich Ebay?

Klinck: Wir haben 2020 mit den Bereichen Autoteile und B-Ware begonnen. Am Anfang stand dabei die Frage: Was ist für die Kundinnen und Kunden in den jeweiligen Kategorien relevant? Im Bereich B-Ware ging es beispielsweise zunächst darum, die entsprechenden Angebote besser findbar zu machen. Außerdem haben wir daran gearbeitet, Kundinnen und Kunden zu erklären, was zum Beispiel ein wiederaufbereitetes iPhone ist. Wir haben die entsprechenden Zustandsbeschreibungen in unsere Artikelseiten integriert und sichergestellt, dass die angebotene Ware mit den nötigen Zertifizierungen verkauft wird.

Außerdem haben wir zahlreiche neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt, die daran arbeiten, die Basis an Händlerinnen und Händler im B-Ware-Bereich zu vergrößern und auch mehr Marketing dafür zu machen. Und wir haben die Qualität der Anbieter unter anderem durch Mystery Shopping überprüft. Inzwischen sehen wir, dass sich diese Maßnahmen auszahlen: Wir haben heute 50 Prozent mehr Angebote im Bereich B-Ware und auch die Kundennachfrage steigt kontinuierlich.

In diesem Jahr haben wir mit den Bereichen Sneakers und Luxusuhren weitere Verticals erschlossen. Auch hier haben wir eigene Echtheitsprüfungszentren aufgebaut. Nach diesem Muster wollen wir auch in Zukunft vorgehen und immer mehr für Ebay relevante Verticals ausbauen. Unser Motto ist: "Stärke deine Stärken!"

Eine weitere Stärkung erhofft sich Ebay auch von dem im April lancierten Programm "eBay Deine Stadt" für lokale Online-Marktplätze. Was können Sie ein halbes Jahr nach dem Start über die Resonanz auf das Projekt berichten?

Klinck: Wir sind mit der Entwicklung von "eBay Deine Stadt" sehr zufrieden. Zu den zehn Städten, mit denen das Projekt gestartet ist, sind inzwischen ein Dutzend weitere Partnerstädte dazugestoßen. In den teilnehmenden Städten sind bereits weit mehr als 1.000 Händlerinnen und Händler neu zu Ebay gekommen und wir beobachten, dass Händlerinnen und Händler, die an dem Programm teilnehmen, deutlich mehr verkaufen als andere Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger bei Ebay.

Einen gewissen Aufholbedarf sehen wir noch auf Seiten der Käuferinnen und Käufer: Die meisten Kundinnen und Kunden der "eBay Deine Stadt"-Teilnehmer stammen nicht aus den jeweiligen Städten, sondern aus dem bundesweiten - und zum Teil weltweiten - Nutzerkreis von Ebay.

"Beim Thema lokales Onlineshopping braucht es einen langen Atem"

Das deckt sich mit den Erfahrungen anderer lokaler Online-Marktplätze, die ebenfalls eine eher moderate lokale Online-Nachfrage beobachten. Könnte das daran liegen, dass sich der Local-Shopping-Gedanke und das Konzept Online-Handel generell nur schwer vereinbaren lassen?

Klinck: Ich denke, es ist eine Frage der Zeit, bis das Thema lokales Online-Shopping bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommt. Damit das so ist, haben wir "eBay Deine Stadt" kräftig mit lokalen Marketingmaßnahmen unterstützt. Daneben bleibt noch immer der Aspekt, wie stark sich die betreffenden Städte für das Projekt engagieren.

Im April 2021 startete Ebay in zehn deutschen Städten lokale Online-Marktplätze. Inzwischen sind ein Dutzend weitere Städte dazugekommen und über die Initiative mehr als 1.000 Händlerinnen und Händler neu zu Ebay gekommen.
Foto: Ebay

Grundsätzlich vergleiche ich das gerne mit dem Thema Nachhaltigkeit: Auch hier hat es lange gedauert, bis die Konsumentinnen und Konsumenten das wirklich in ihr Verhalten aufgenommen haben. Genauso muss man beim lokalen Onlineshopping einen langen Atem haben. Und das ist bei Ebay der Fall: Denn egal, ob Kundinnen und Kunden bundesweit, global oder lokal einkaufen - das alles passt gleichermaßen zu unserem Geschäftsmodell.

Eine weitere Neuerung sind die Versandservices, die Sie gemeinsam mit dem Logistiker Fiege anbieten. Im August 2019 haben Sie dazu den Service Ebay Fulfillment gestartet. Wo stehen Sie damit heute, rund zwei Jahre später?

Klinck: Der Service wird weiterhin kontinuierlich hochgefahren. Wir sprechen für Ebay Fulfillment vor allem Händlerinnen und Händler an, die ein gutes, häufig nachgefragtes Inventar haben, bei denen in Sachen Versandservices aber noch Verbesserungsbedarf besteht. Denn die Versandgeschwindigkeit ist einer der wichtigsten Hebel, um die Kundenerfahrung zu verbessern und damit auch beim Umsatz einen merklichen Anstieg zu erzielen. Wir setzen dabei auch auf eine selbst entwickelte KI-Lösung, die erkennt, in welchen Kategorien welche Standards von den Händlerinnen und Händlern beim Versand angeboten werden und welche Optimierungen dabei möglich sind.

In der Tat liegen die Kundenerwartungen bei der Versandgeschwindigkeit heute sehr hoch. Ist das auch der Grund, warum Sie im Juni das zusätzliche Angebot "eBay-Sofortversand by Fiege" lanciert haben? Wollen Sie damit eine Art "Prime-Versand" für Ebay-Händler ermöglichen?

Klinck: Wir haben "eBay-Sofortversand by Fiege" als Lösung konzipiert vor allem für kleinere und mittlere Händlerinnen und Händler, die bislang nicht die Möglichkeit hatten, Sendungen taggleich bei ihnen abholen zu lassen. Der Service ist in den Pilotstädten Berlin und Dresden gut angelaufen und es gibt bereits weitere Städte in der Pipeline. Wir sehen jedoch auch, dass wir die Händlerinnen und Händler noch für den Service unterstützen müssen. Denn während für die Kundinnen und Kunden die Lieferung am nächsten Tag mittlerweile Standard ist, ist für viele kleinere Händlerinnen und Händler die taggleiche Abholung noch zu schnell. Hier gilt es zunächst, den nötigen Adaptionsaufwand zu leisten, bevor man am "eBay-Sofortversand by Fiege" teilnehmen kann.

Als Gegengewicht zu Amazon Prime bietet Ebay heute auch eigene Versandservices an
Foto: Ebay

"Wir wollen die Komplexität für die Seller maximal abpuffern"

Als Gegenstück zu den Fulfillment-Dienstleistungen, die Ebay mittlerweile für seine Händler anbietet, fungiert auf Endkundenseite gewissermaßen das Premiumprogramm "eBay Plus". Bei der Einführung des Angebots 2015 wurde oft gemutmaßt, Ebay wolle ein eigenes "Prime"-Ökosystem aufbauen. Inzwischen ist es um "eBay Plus" etwas ruhiger geworden...

Klinck: "eBay Plus" muss man von zwei Seiten betrachten. Das eine ist die Seite der Käuferinnen und Käufer. Hier funktioniert "eBay Plus" als Loyaltyprogramm sehr gut. Sie sammeln Punkte für jeden Kauf, genießen kostenlose Versand- und Retourenservices und bekommen alle Neueinführungen bei ebay.de - wie zuletzt unser Bonus-Programm für Privatverkäufe - als erste angezeigt. Das ist bekannt und sorgt auch dafür, dass "eBay Plus" in diesem Bereich kontinuierlich wächst.

Das andere ist die Seite der Verkäuferinnen und Verkäufer. Hier müssen die Händlerinnen und Händler bestimmte Kriterien erfüllen, um an "eBay Plus" teilnehmen zu können. Wie schon bei den Fulfillment-Services ist es auch dabei so, dass es für kleine und mittlere Händlerinnen und Händler generell fordernd ist, die steigenden Retail-Standards zu erfüllen. Dabei kann es beispielsweise im Weihnachtsgeschäft wichtiger sein, zu zeigen, bis zu welchen Stichtagen man pünktlich liefern kann, als unbedingt ein "eBay Plus"-Logo in seinen Angeboten zu haben. Aber insgesamt wird "eBay Plus" auch von den Händlerinnen und Händlern gut angenommen und die Zahl der teilnehmenden Verkäuferinnen und Verkäufer ist stabil.

Sie haben das im Juli eingeführte Bonusprogramm für Privatverkäufe erwähnt. Lange schien es Ebay in der Außendarstellung vor allem darum zu gehen, die professionellen Händler stärker in den Mittelpunkt zu stellen, um von dem Image des "Online-Auktionshauses" wegzukommen. Wieso stellen Sie mit der aktuellen Kampagne nun doch wieder das C2C-Thema in den Mittelpunkt?

Klinck: Im Sinne unserer Strategie "Stärke Deine Stärken" wollen wir damit zeigen, dass man bei Ebay nicht nur einkaufen kann, sondern schon immer bei uns auch verkaufen konnte. Das ist etwas, was in dem Maße nur bei Ebay möglich ist! Im übrigen ist uns das auch deshalb so wichtig, weil wir wissen, dass Nutzerinnen und Nutzer, die bei Ebay kaufen und verkaufen, deutlich höhere Umsätze generieren.

Die Privatverkäufe stärken Sie ebenfalls dadurch, dass die 2019 für gewerbliche Händler eingeführte neue Zahlungsabwicklung seit Anfang 2021 auch für Privatanbieter zugänglich ist. Wie zufrieden sind Sie mit der Umstellung auf das zentrale Bezahlabwicklungsverfahren?

Klinck: Wir sind sehr zufrieden mit dem Schritt, weil er eine deutlich verbesserte Kauferfahrung ermöglicht. Was wir gemerkt haben ist allerdings, dass wir die Kommunikation dazu noch intensivieren müssen. Uns ist bewusst, dass die neue Zahlungsabwicklung eine gewisse Komplexität mit sich bringt. Doch die Umstellung ist nötig und wir haben viel in die Kommunikation investiert, um diese Komplexität für unsere Händlerinnen und Händler maximal abzupuffern.

Ähnlich verhält es sich seit Jahresanfang auch im Privatkundenbereich. Hier gab es zunächst einen kleinen Aufschrei, weil wir die Bezahlung per Überweisung abgeschafft haben. Doch der Schritt war nötig, weil mit der Überweisung immer wieder auch schlechte Kauferfahrungen verbunden waren. Außerdem haben wir die Klarna Sofortüberweisung eingeführt, die nun auch Käuferschutz gewährleistet. Die neue Zahlungsabwicklung bietet Käuferinnen und Käufern eine nahtlose und harmonisierte Kauferfahrung einschließlich neuer Zahlungsoptionen. Deshalb müssen auch unsere Privatverkäuferinnen und -verkäufer diesen Weg mitgehen.

eBay-Deutschlandchef Oliver Klinck bei der virtuellen Händlerkonferenz "eBay Open"
Foto: Ebay

Händler-Konferenz "eBay Open" hat sich etabliert

Ebay hat in den vergangenen Tagen zum dritten Mal sein Händler-Event "eBay Open" veranstaltet. Auf die physische Konferenz 2019 folgte 2020 ein Digital-Event und nun eine über einen Monat verteilte virtuelle Veranstaltungsserie. Was hat Sie zu diesem Formatwechsel bewogen?

Klinck: Wir haben uns dazu entschlossen, weil wir gesehen haben, dass die Notwendigkeit, mit unseren Händlerinnen und Händlern in Kontakt zu treten, noch größer geworden ist. Das liegt zum einen am regulatorischen Umfeld, in dem sie sich bewegen, das immer komplizierter wird und wo es immer mehr Fragen gibt, die an uns herangetragen werden. Zum anderen gibt es auch bei Ebay selbst immer mehr Themen. Mit der neuen Zahlungsabwicklung sind wir natürlich für viele neue Aspekte direkter Ansprechpartner der Händlerinnen und Händler geworden.

Wie 2019 soll es die eBay Open 2022 auch wieder als physisches Veranstaltungsformat geben

Zudem geht Ebay immer gezielter in bestimmte Verticals, also Warengruppen, und entwickelt dafür ganz spezifische Angebotsformen, die wir den Händlerinnen und Händlern erklären müssen. Aus diesem Grund haben wir entschieden, dass die "eBay Open" dieses Mal länger als zwei Tage dauert und der Content, den wir dabei produziert haben, für die Händlerinnen und Händler auch länger verfügbar bleiben soll.

Wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz auf das neue Format?

Klinck: Die "eBay Open", die sich von 20. September bis zum 21. Oktober erstreckt hat, wurde von den Händlerinnen und Händlern sehr gut angenommen. Insgesamt haben 2.300 Menschen an dem Event teilgenommen. Wir haben in der Zeit 71 Videos veröffentlicht und damit mehr als 35 Stunden Content produziert. Zudem haben wir eine eigene Social-Media-Plattform entwickelt, die es ermöglicht hat, mit den Händlerinnen und Händlern direkt zu kommunizieren und über die sich die Teilnehmenden auch untereinander austauschen konnten. Das alles hat dazu geführt, dass die Händlerinnen und Händler sehr aktiv dabei waren - in den Sessions, die ihre jeweiligen Interessen betrafen, aber auch außerhalb des offiziellen Programms.

Wissen Sie schon, wie es nach den drei, bisher sehr unterschiedlichen Veranstaltungen mit der "eBay Open" weitergeht?

Klinck: Wir werden die "eBay Open" auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder veranstalten. Wenn möglich wollen wir unsere Händlerinnen und Händler dann auch wieder persönlich treffen. Doch beschäftigen wir uns auch damit, wie man die positiven Teile des digitalen Setups in ein physisches Event integrieren kann. Beispielsweise, dass der Content aufgenommen wird und dauerhaft verfügbar bleibt. Das haben wir noch nicht entschieden, aber es ist gut vorstellbar, dass wir uns in Richtung eines hybriden Events bewegen werden.

Marken-Quiz: Warum heißt Ebay eigentlich Ebay?