Ich stimme Cal Newports Aussage in der Harvard Business Review zu, dass wir einen Weg benötigen, um uns mit Kollegen abzustimmen und zu vernetzen. Ich gehe jedoch noch weiter und sage: Die Unternehmen müssen über einen sozialen und mobilfähigen Workflow nachdenken, um bestehende Geschäftsprozesse zu erweitern. Im Rahmen dieser Diskussion gibt es einige weitere Bereiche, über die wir nachdenken sollten und die bedacht werden müssen.
Näher zum Kunden
Unsere E-Mail-Kommunikation dient nur zu einem Teil der Kommunikation mit Kollegen. E-Mail ist so allgegenwärtig wie keine andere Form des Austauschs. Sie hat sich zum Quasi-Standard bei der Verbindung externer Kommunikation mit internen Geschäftsprozessen entwickelt. Im Rahmen einer Umfrage, die IDC im vergangenen Jahr durchführte, sprachen wir mit Anwendern aus verschiedenen Fachbereichen wie Vertrieb, Marketing, Personalwesen und Service. Wir fragten diese, wie häufig sie mit externen Kunden kommunizieren. 34 Prozent hatten demnach täglich Kontakt zu Kunden, 21 Prozent wöchentlich. Damit kommunizieren mehr als die Hälfte der Anwender jede Woche über die Unternehmensgrenzen hinweg. Nur 22 Prozent der Befragten gaben an, nie mit externen Kunden in Kontakt zu treten.
Betrachten wir unsere eigenen Erfahrungen als Kunden wird deutlich, dass sich die Art verändert hat, wie wir interagieren. Wir suchen online, lesen Bewertungen, lassen Waren zu uns nach Hause liefern. Wir können theoretisch sogar das Bild einer Pizza twittern, wenn wir hungrig sind und eine Pizza geliefert bekommen wollen. Um also die Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen, müssen unsere Mitarbeiter sich an den Prozessen, Self-Service-Möglichkeiten und der engen Zusammenarbeit mit den Kollegen ausrichten.
Diese enge Zusammenarbeit ist kritisch. Sie kann verschiedene Kommunikationskanäle beinhalten, darunter auch E-Mail. Der springende Punkt ist, dass jedes Unternehmen sich für eine bestimmte Kombination von Werkzeugen entscheidet, von der es sich eine optimale Kundenerfahrung verspricht. Wenn die Unternehmenskultur es ermöglicht, dem Mitarbeiter eine positive Erfahrung beim Umgang mit den Kunden zu bieten, ist das toll.
Wenn Unternehmen eine gebrochene, unzusammenhängende Form der Zusammenarbeit entwickeln, erschweren sie zunächst den Mitarbeitern das Leben. Am Ende ist jedoch der Kunde der Leitragende. Eines meiner Lieblingszitate von Phil Libin bringt das Problem sehr schön auf den Punkt: "Alle Tools, die die Arbeit der Menschen innerhalb Ihres Netzwerks oder Unternehmens in den Mittelpunkt stellen, zäumen das Pferd von hinten auf."
E-Mail ist eine Angewohnheit
Eine der interessantesten Anfragen im Laufe meiner beruflichen Laufbahn kam von einem Anwender eines weltweit operierenden Unternehmens. Er wollte wissen, ob es möglich ist, alle offenen Fenster seines Outlook-Clients zu sichern, wenn dieser abstürzt. Um seinen Arbeitstag zu organisieren machte er einfach alle wichtigen Kunden-Mails auf, die beantwortet werden müssen. Er hatte so viele offene Fenster, dass die Anwendung regelmäßig abstürzte.
E-Mail war für ihn also eher ein Ersatz für ein Aufgaben-Management-System. Viele von uns schauen nach dem Aufstehen erst einmal auf das Smartphone und priorisieren ihre Aufgaben nach dem Inhalt der Inbox. Daran ist nichts auszusetzen, wir sind das einfach so gewohnt. Um dieses Verhalten zu ändern, müssen die Anwender lernen, sich auf andere Kanäle zu verlassen. Es ist gut, wenn Sie ein bevorzugtes Task-Management-System haben. Wenn Sie Ihre Aufgaben lieber in einem Tool wie Slack verwalten: Auch gut. Jeder Mensch ist hier anders gestrickt.
Die E-Mail-Technologie bietet zahlreiche Möglichkeiten. Outlook 2016 bekam durch Updates einige grundlegenden Produktivitätsverbesserungen spendiert. Dazu zählt zum Beispiel die Option, kürzlich geöffnete Dateien an eine Nachricht anhängen zu können. Oder auch das aktuelle Update für mobile User, mit dem nun Terminvorschläge einfacher erstellt werden können. Auch gibt es Lösungen wie IBM Verse, bei dem die klassische E-Mail-Oberfläche neu designt wurde. Personen, denen Sie bereits Nachrichten geschickt haben, werden hier als Avatare dargestellt. Dazu verfügt die Lösung über ein soziales Task-Management am unteren Bildschirmrand. All diese technologischen Updates verändern langsam und in kleinen Schritten die Art, wie wir E-Mail nutzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der unsere Gewohnheiten ändern wird, sind automatische Hilfssysteme. Mit dem Aufkommen einfacher kognitiver Systeme werden wir einen großen Teil des Aufwands abschütteln können, den wir heute noch mit E-Mails verbinden. Antworten auf erhaltene Mails oder eine einfache Terminplanung können erledigt werden, indem das kognitive System auf CC gesetzt wird und dann die Planung übernimmt. Oder das System empfiehlt eine Handlung auf Basis des bisherigen Verhaltens. Die Grundlagen dafür deuten sich bereits in unseren herkömmlichen Mail-Systemen an.
In Slack jedoch haben die Bots das Sagen. Hier gibt es für fast alles einen Bot. Das heißt, dass wir nicht nur schrittweise mehr Effizienz und Produktivität bei E-Mails erreichen. Wir können darüber hinaus auch mit Bots arbeiten, die unsere Spesenabrechnung machen oder uns sagen, wie unsere Kollegen gerade gelaunt sind. Um gleichmäßig konzentriert zu arbeiten und nicht zwischen Aufgaben hin- und herzuwechseln ist eine gute, so genannte "In-Application-Experience" wichtig – die Anwendung muss den Benutzer gleichermaßen effizient unterstützen und ihm eine positive Erfahrung bieten. Wir werden deshalb künftig weitere Tools wie Slack auf dem Markt sehen. Dennoch werden E-Mails uns auf absehbare Zeit begleiten, da Geschäftsprozesse darauf basieren und es der Gewohnheit entspricht.
Arbeitszeit und Produktivität
Ein Blick auf die andere Seite des Atlantiks, konkret auf Statistiken des amerikanischen Arbeitsministeriums zu abgeleisteten Arbeitsstunden im Vergleich zum Arbeitsergebnis, erhellen diese Debatte. Der Beitrag der Erwerbstätigen zum Bruttoinlandsprodukt steigt. Jedoch nicht, weil es eine Produktivitätssteigerung über alle Branchen hinweg gibt. Wir arbeiten einfach mehr. Seit 2011 ist die Zahl der gearbeiteten Stunden der Erwerbstätigen in den USA stärker gestiegen als die Produktivität.
Auch steigen die Arbeitsstunden der Erwerbstätigen weiterhin deutlich an, während die Produktivität im Wesentlichen stagniert. Dazu kommt, dass bis 2020 die so genannten Millienials in das Arbeitsleben starten. Zeitgleich jedoch wird sich die Zahl der Erwerbstätigen über 55 Jahren verdoppeln. Das bedeutet, dass die Unternehmen Trainings und Unterstützung für die ganzen Millienials und andere Mitarbeiter bereitstellen müssen, um die Produktivität aufrecht zu erhalten oder zu steigern.
Immer agilere Geschäftsmodelle verändern die Art, wie wir arbeiten und wie wir über Arbeit denken. Was uns noch fehlt ist die Formel, um effizienter und damit produktiver zu sein. Die Technologiebranche spiegelt sich trotz der zahlreichen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und Kommunikation (bislang) nicht in den Daten zur Arbeitsproduktivität wieder. Der Umstieg auf neue Technologien erfolgt schrittweise und allmählich.
Vielleicht geschieht das jedoch nicht schnell genug. Änderungen können lange brauchen – vor allem, wenn es keinen zwingenden Grund dafür gibt. Nur ein paar der Unternehmen, die in den 1950er-Jahren auf der Liste der Fortune 500 standen, existieren heute noch. Der durch die Veränderungen der Kundenerwartungen angetriebene Wandel wird sich verstärkt in dieser Liste niederschlagen. Unternehmen, die in Zukunft erfolgreich sind, haben nicht nur Produktivität, Bindung und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter im Griff - sondern auch die der Kunden, Partner und Zulieferer.
Gestiegene Anforderungen der Kunden, individuelle Produktivität, mehr Arbeitsstunden – das alles heißt nicht, dass wir zwei oder drei Zeitfenster am Tag schaffen, in denen ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zur Kommunikation bereitsteht. Für die meisten ist das einfach nicht machbar. Vielmehr müssen sowohl Unternehmen als auch Anwender offener und flexibler sein, wenn es darum geht, wie Arbeit erledigt wird. Sie müssen auch offener für das Feedback über alle Kanäle hinweg sein. Und sie müssen in der Lage sein, Änderungen bei Bedarf schnell umzusetzen. Ein Teil dieser Aufgabe besteht darin zu erkennen, wann diese Veränderungen notwendig sind. Sie umzusetzen jedoch ist der Schlüssel zum Erfolg.