Elektronische Rechnungsstellung (E-Invoicing) ist seit vielen Jahren in Thema, wird aber in Firmen aber in der Regel erst konkret wahrgenommen, wenn sie selbst davon betroffen sind. Das liegt auch an der in Deutschland etwas holprigen und umständlichen Umsetzung. Allerdings kommen die Einschläge näher. E-Rechnungen sind bereits in vielen Länder Pflicht, deshalb müssen sich Firmen mit internationalem Geschäft damit auseinandersetzen. Aber auch wer sich auf Deutschland beschränkt, kommt um das Thema nicht mehr herum. Details erklärt André von de Finn, Regional Vice President Sales DACH bei OpenText, im Interview mit ChannelPartner.
ChannelPartner: Viele haben schon gehört, dass eine Pflicht zur E-Rechnung bevorsteht - es aber oft ignoriert. Geplant ist ja immer viel, man wartet dann gerne, bis es einen wirklich betrifft. Wie ist denn in Deutschland Anfang 2024 der Stand der Dinge?
Andre von de Finn: Nachdem die EU-Kommission 2022 im Rahmen der Initiative "VAT in the Digital Age" einen Entwurf für E-Invoicing vorgelegt hat, ist das Bundesfinanzministerium (BMF) nachgezogen. Im April 2023 hat auch das BMF eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, mit der E-Invoicing für B2B-Unternehmen obligatorisch werden soll. Ziel ist es, dem Mehrwertsteuerbetrug vorzubeugen.
Mit der Einführung werden inländische Rechnungen in elektronischer Form und im strukturierten Format Pflicht. Anders als in Italien wird es hierzulande allerdings kein Clearance-Modell geben, bei dem die Finanzbehörden ausgehende Rechnungen prüfen und freigeben müssen, bevor sie den Empfänger erreichen.
Wann ist es soweit beziehungsweise welche Deadlines gibt es und wer ist davon betroffen?
Andre von de Finn: Die E-Invoicing-Pflicht wird voraussichtlich in drei Etappen ausgerollt. Momentan ist der Roll-Out des E-Invoicing ab Anfang 2025 geplant, ab dann muss jedes deutsche Unternehmen in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen, sofern diese der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU entsprechen.
Zwei Jahre später, also ab Anfang 2027, gilt dann der verpflichtende Versand einer elektronischen Rechnung für alle Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 800 Millionen Euro. Wieder ein Jahr darauf wird der verpflichtende Versand dann auch für klein- und mittelständische Unternehmen eingeführt. Das Meldesystem an die Finanzbehörden kommt dagegen frühestens im Jahr 2028.
Die E-Rechnungs-Pflicht kommt ja nicht nur für B2B-Transaktionen in Deutschland, sondern in ganz Europa. Was gilt es da zu beachten?
Andre von de Finn: Jedes Land geht das Thema E-Invoicing und dessen Einführung unterschiedlich an. Wir sprechen also unteranderem über diverse unterschiedliche Plattformen, Formate, Archivierungsanforderungen. Unternehmen müssen also für jedes Land die entsprechenden Anforderungen kennen, verstehen und technisch rechtzeitig umsetzen.
Darüber hinaus wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch Änderungen und Ergänzungen geben, die internationale Regierungen und Behörden kurzfristig und möglicherweise zunächst nur in ihrer eigenen Landessprache erlassen. Dies kann für viele Unternehmen in Zukunft zu einer sehr großen Herausforderung werden, da sie gezwungen sind, sich für jedes Land, in dem sie aktiv sind, sich kontinuierlich über die Gesetzeslage zu informieren und die aktualisierten Anforderungen umzusetzen.
Stattdessen können sie mit einem Full-Service-Anbieter zusammenarbeiten, der nicht nur ihre E-Invoicing-Plattform betreibt, sondern sich auch laufend mit den sich ändernden Anforderungen auseinandersetzt, Unternehmen proaktiv darauf hinweist und Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.
Sind Ausnahmen und Übergangsfristen vorgesehen?
Andre von de Finn: Da der Rollout der E-Invoicing-Pflicht schrittweise über vier Jahre gestreckt wird, ergeben sich automatisch einige "Schonfristen" für Unternehmen. Zunächst ist nur der Empfang elektronischer Rechnungen Pflicht. Während große Unternehmen ab 2027 E-Rechnungen auch versenden müssen, können sich kleinere Unternehmen noch etwas "ausruhen". Erst drei Jahr nach der Einführung müssen dann alle mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen sämtliche notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um E-Rechnungen in einem strukturierten Format zu empfangen, zu verarbeiten und zu versenden.
Warum sollten Unternehmen das Thema aber dennoch nicht auf die lange Bank schieben - beziehungsweise wie profitieren sie, wenn sie schnell handeln?
Andre von de Finn: Die Investition in eine ganzheitliche, automatisierte E-Invoicing-Plattform lohnt sich bereits heute. Einer der größten Vorteile ergibt sich durch die Automatisierung von Prozessen, die mit Rechnungseingang und -ausgang verbunden sind, sowie die daraus resultierenden Kosteneinsparungen.
Beim Rechnungseingang extrahiert die Lösung automatisch alle relevanten Informationen aus dem standardisierten Rechnungsdokument und konvertiert sie in das Zielformat des weiterverarbeitenden Systems. Folglich sind weder weitere Scanning- und OCR-Schritte noch zusätzliche Eingriffe und Prüfungen durch einen menschlichen Mitarbeiter notwendig. Die dadurch bereitgestellten "perfekten" Daten bilden dann die Grundlage für eine automatisierte Verbuchung, Freigabe sowie elektronische Archivierung. Außerdem erhalten Mitarbeiter eine für sie lesbare Visualisierung.
Beim Rechnungsausgang prüft die Lösung automatisch, ob alle Pflichtangaben gemäß den jeweiligen Landesvorgaben vorhanden sind, konvertiert das Dokument in das den Empfängeranforderungen entsprechende Format und leitet die Rechnung dann an das Empfängersystem des Kunden und/oder die staatliche Meldeplattform weiter.
Darüber hinaus verschlankt eine ganzheitliche E-Invoicing-Plattform den IT-Stack ungemein, da Unternehmen nicht mehr auf eine Vielzahl von lokalen Insellösungen sowie parallelen Ansprechpartnern, Service Level Agreements, Preismodellen und Prozessen angewiesen sind.
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