B2B-Marktplätze

E-Commerce ohne Kanalkonflikte

14.04.2016 von Birthe Udsen
Viele mittelständische Unternehmen scheuen den Einstieg in den B2B-Onlinehandel über Marktplätze. Dabei lassen sich auch dort Vertriebskanäle schützen und Marken aufbauen.

Wer es im Privatleben gewohnt ist, online zu shoppen, im Internet eine riesige Auswahl zu haben und Preise und Leistungen ausgiebig zu vergleichen, erwartet dies heute auch im Geschäftsleben. Diese Haltung wird den B2B-Handel grundlegend verändern. Nach Angaben des Vetriebsnetzwerks Facilityworld erzielten deutsche B2B-Händler bereits 2013 im Durchschnitt mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes über Online-Kanäle. Bis 2019 prognostiziert der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco für den B2B-Onlinehandel einen jährlichen Zuwachs von 15 Prozent. Angesichts dieser rasanten Entwicklungen im E-Commerce erscheint ein entspanntes "Vielleicht nächstes Jahr" auch für Mittelständler nicht mehr als Option.

Deutsche B2B-Händler erzielten bereits 2013 im Durchschnitt mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes über Online-Kanäle.
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Chancen des Online-Vertriebs überwiegen
Die Vorteile des E-Commerce auch für den geschäftlichen Handel liegen auf der Hand: Einkäufer und Verkäufer sparen Zeit und Geld. Sie können mehr Kunden erreichen, neue Märkte erschließen, über Analysen ihre Kunden besser kennenlernen und insgesamt schneller am Markt agieren. Doch es gibt auch ernstzunehmende Argumente, die Händler vom E-Commerce abhalten. Intern schrecken die hohen Initialkosten für den Aufbau und Betrieb eines eigenen Webshops. Hier stellen B2B-Marktplätze eine deutlich günstigere und damit risikoarme Alternative dar. Als weitere interne Hürde werden dezentral und schlecht gepflegte Stammdaten genannt. Die Konsolidierung der Stammdaten ist allerdings nicht nur für den Onlinehandel, sondern für flüssige Geschäftsprozesse generell eine Pflichtaufgabe. Als größte Gefahr sehen Händler mögliche Kanalkonflikte. Die Artikel und Preise sollen online nur für ausgewählte Zielgruppen sichtbar sein. Hier gibt es die Möglichkeit eines geschützten Online-Shops oder Marktplatzes. Doch die vage Angst, dass die Geheimhaltung online nicht gelingt, hält Händler vom Schritt in den Onlinevertrieb ab. Damit riskieren sie allerdings, den Anschluss an den E-Commerce und ihre Kunden zu verlieren.

Kanalkonflikte als das Kernproblem
Ob ein eigener Shop oder ein Marktplatz, für den Einstieg in den E-Commerce gibt es nicht den einen richtigen Weg. Dieser hängt vom Unternehmen, seiner Situation und seiner Strategie ab. Die ersten Fragen, die Unternehmen beim Thema Onlinehandel bewegen, sind meist: Wie gehe ich mit meinen Vertriebspartnern um, wie reagieren sie? Welche Produkte verkaufe ich wo? Welche Artikel sollte ich besser nicht online anbieten? Wie gehe ich mit der Preisgestaltung um? Sollte ich auch meine Markenartikel online verkaufen? Für viele dieser Fragen gibt es bereits erprobte Ansätze:

Vertriebspartner für Onlinehandel mit ins Boot holen
Wer über Vertriebspartner beziehungsweise Verkaufsagenten für bestimmte Regionen verkauft, sollte sie zum E-Commerce animieren und ihnen je nach Situation eine Beteiligung anbieten, wenn in ihrer Region über den Onlinekanal Einnahmen erzielt werden. Falls der Partner selbst für das Unternehmen in den E-Commerce einsteigt, kann er für diesen Vertriebsweg günstigere Einkaufspreise erhalten. Manche B2B-Marktplätze ermöglichen bereits die genaue Trennung von Verkaufsregionen, so dass sich der Vertrieb gezielt für eine Region online steuern lässt. Bei neuen Vertriebspartnerschaften sollten Unternehmen den Online-Kanal gleich mit berücksichtigen, auch wenn er aktuell noch nicht im Fokus steht.

Onlinehandel muss zur Vertriebsstrategie passen
Welche Produkte eignen sich für den E-Commerce? Sollte man gleich alle Artikel online verkaufen oder nur einzelne Sortimente beziehungsweise in einzelnen Ländern? Den einen richtigen Weg gibt es nicht, vielmehr sollte der Onlinehandel zur Vertriebsstrategie passen. Wer sich in fünfzig Jahren einen Namen im Geschäft gemacht hat, braucht diesen online nicht aufzugeben. Im Gegenteil, er kann sein Renommee weiter ausbauen. Vorteil des Onlinevertriebs ist es, dass man wenig investieren muss, Produkte und Märkte sondieren kann und sehr genaue Erkenntnisse erhält: Welche Unternehmen welcher Branchen schauen sich meine Produkte an? Welche meiner Produkte entwickeln sich aktuell bei portugiesischen Händlern zum Verkaufsschlager? Derartige Fragen wird einem der Distributor oft nicht beantworten können. Der direkte Onlinehandel bietet jedoch eine Fülle an Analysemöglichkeiten, aus denen aktuelle Erkenntnisse gewonnen und sofort für einen noch besseren Vertrieb genutzt werden können.

Nur Überproduktion oder auch Markenwaren online anbieten?
Oft beginnen Unternehmen zunächst damit, Restposten beziehungsweise Ladenhüter online zum Beispiel über Marktplätze zu verkaufen, um sie ohne große Kosten zu veräußern. Aber auch Markenprodukte lassen sich online verkaufen, zum Beispiel in schwächeren Verkaufsgebieten und neuen Märkten. Der Markeninhaber erfährt so genau, wie die Wahrnehmung seiner Marke im Netz ist. Gegenüber einer Verkaufskette von zwei bis drei Akteuren bedeutet dieses Wissen über die eigene Kundschaft und ihr Kaufverhalten einen großen Vorteil und kann direkt zur Markenführung beitragen. Lediglich die Artikel, die sich sehr gut verkaufen lassen sowie die Regionen, in denen der meiste Umsatz generiert wird, sollten für den E-Commerce zunächst nicht berücksichtigt werden.

Mehrwerte der Markenartikel online erlebbar machen
Mit der Digitalisierung und dem Onlinehandel werden Unternehmen und ihre Produkte auch im B2B-Markt vergleichbarer. Falls der Preis das einzige Unterscheidungsmerkmal ist, ist der Onlinevertrieb der richtige Weg. Über ihn können die Vertriebskosten und damit der Preis auf ein Minimum reduziert werden. Um auch mit Mehrwertstrategien online erfolgreich zu sein, sollte der Kunde diese Mehrwerte auch tatsächlich benötigen. Und er sollte den Zusatznutzen online direkt erkennen können. Diese Strategie trifft auch auf Markenartikel zu.

Fazit: Einen perfekten Start ins Online-Geschäft gibt es nicht
Unternehmen im B2B-Handel sollten jetzt prüfen, welche der vielfältigen Möglichkeiten des Online-Vertriebs für sie passt. Andere Unternehmen der eigenen oder auch anderer Branchen zeigen mögliche Wege auf. Wer erst zu hundert Prozent auf den Einstieg in den Onlinehandel vorbereitet sein möchte, wird scheitern. Denn die Entwicklungen im Internet sind so schnelllebig, dass eine solche Vorbereitung nie möglich ist. Lieber jetzt kleiner anfangen und schnell aus den ersten Erfahrungen lernen. (haf)