Von Boris Böhles
Über AMDs neuen Gehäusestandard "DTX" wurde bisher so gut wie gar nicht berichtet. Ab dem vierten Quartal soll der Mini-Formfaktor den etablierten ATX-Markt aangreifen. ChannelPartner gibt Händlern und Assemblieren einen Ausblick auf die Tower der Zukunft.
Nach "ATX" und "BTX" wäre nach alphabetischer Logik eigentlich "CTX" an der Reihe, aber AMD überspringt das C und benennt seinen neuen, offenen Gehäusestandard für PCs "DTX". Laut AMD wollte man nicht mit der bereits bestehenden Namensgebung "CTX" im Netzteil- und Speichersegment ins Gehege kommen.
Kleiner, günstiger und effizienter als die schon Ursteincharakter tragenden ATX-Tower sollen die DTX-Gehäuse sein und zudem einen leisen Betrieb gewährleisten. Das klingt vielversprechend, ist allerdings auch kein wirklich neuer Ansatz. Denn Intel versuchte bereits im Jahr 2003 mit BTX ein solches Konzept im Markt zu etablieren - bekanntlich erfolglos. Aber AMD ist von DTX überzeugt und möchte es besser machen als die Konkurrenz.
DTX im Detail
Die aus den Datenblättern hervorgehenden DTX-Spezifikationen klingen vielversprechend. AMD ging erstmals im Januar 2007 mit den DTX-Plänen an die Öffentlichkeit. Mittlerweile stehen die endgültigen Spezifikationen fest, und auf der Computex stellten vor einigen Wochen erste Hersteller bereits kompatible Komponenten zum Einbau vor.
Der Standard sieht vor, dass Mainboards nur noch einen PCI-Express- und einen herkömmlichen PCI-Slot anbieten. Somit sind Systeme mit zwei Grafikkarten (SLI- oder Crossfire-Verbund) nicht möglich. IDC prognostiziert, dass trotz dieses Nachteils PC-Gehäuse mit kleinem Formfaktor in den nächsten zwei Jahren zwischen 20 und 30 Prozent des gesamten Desktop-Markts ausmachen. AMD sieht dabei seine DTX-Lösung als die führende an. Das bedeutet aber andererseits auch, dass an ein schnelles Ende von ATX mittelfristig noch nicht zu denken ist.
Vorteile
Widmen wir uns zunächst den Vorteilen von DTX gegenüber ATX. Warum sollte ein Händler DTX- anstelle von ATX-Systemen verkaufen? Die Antwort lautet: Die Systeme sind günstiger und kleiner als PCs in etablierten ATX-Gehäusen. Mit Abmessungen von 354 x 325 x 96 (L x B x H) und einem Gehäusevolumen von rund elf Litern sind sie ein ganzes Stück kleiner. Dies soll vor allem die Platzierung auf dem Schreibtisch und eventuell sogar "unsichtbar" hinter dem Monitor ermöglichen.
Der neue Formfaktor erfordert auch eine spezielle Mainboard-Größe. Im Moment erhältliche Boards sind - mit Ausnahme von Mini-ITX - nicht zu DTX kompatibel. Die kleineren DTX-Platinen haben aber das gleiche Lochschema wie ihre großen ATX-Schwestern und können deshalb in ATX-Gehäusen verwendet werden. Dies ist hauptsächlich ein Vorteil für die Mainboard-Hersteller. Sie könnten so theoretisch ganz auf die kostspieligere Produktion von ATX-Platinen (da durch den kleineren Formfaktor bis zu vier Mainboards aus einer Mutterplatine gewonnen werden können) verzichten, ohne treue ATX-Gehäusebesitzer als Kunden zu verlieren.
Je kleiner ein Gehäuse ist, desto schwieriger gestaltet sich das Abführen von Wärme. Laut AMD sollen Aluminiumkühler und Lüfter ausreichen, um einen DTX-PC ausreichend zu kühlen. Dabei soll es keine Leistungsbeschränkungen beim Prozessor und der Grafikkarte geben. Bei hohen Temperaturen müsse man lediglich leistungsstärkere Lüfter einsetzen. Dies hat natürlich zu Folge, dass die Systeme lauter werden. AMD gibt prinzipiell für ein standardmäßiges DTX-System einen Geräuschpegel von maximal 30 Dezibel an. Dies ist angenehm leise, und beim Einsatz im Büro kommen ohnehin keine High-End-Komponenten zum Einsatz, die laute Lüfter erfordern würden.
Anders als bei ATX-Gehäusen saugt der CPU-Lüfter standardmäßig die Luft direkt von außen durch eine gelochte Öffnung in der Seitentür an. Die CPU wird so besser gekühlt, und gleichzeitig kommt Frischluft von außen in das Gehäuse. Zusätzlich gibt es einen Front- und einen Heck-Gehäuselüfter. Der Frontlüfter ist am Fuß des Towers angebracht. Er bläst direkt Luft von hinten über die eingebaute Grafikkarte und pustet außerdem noch das optische Laufwerk seitlich an. Über dem Steckplatz der Grafikkarte befindet sich ebenfalls eine gelochte Öffnung nach außen, wodurch dort entstehende Wärme entweichen kann.
Nachteile
Rein technisch weist DTX gegenüber ATX nicht viele Nachteile auf. Büroanwender werden gar nichts vermissen, für Gamer hingegen wird es ärgerlich sein, dass sie nicht mehrere Grafikkarten einsetzen können, und sie vermissen eine für ATX erhältliche Armada von Kühllösungen und Modding-Möglichkeiten. Generell werden sich die Anwender, die gern viele verschiedene Komponenten in ihren PC einbauen wollen, nicht mit DTX anfreunden, da nicht genügend Platz im Gehäuse vorhanden ist. Diese Individualisten legen sich also definitiv kein DTX-Gehäuse zu. Das wiederum beschert dem bewährten ATX-Standard zwar eine kleine, aber immerhin vorhandene Zielgruppe. Sie allein könnte allerdings den alten Standard nicht am Leben erhalten, weil die Produktionskosten für eine solch kleine Klientel zu hoch wären. Aber Spieler und Bastler sind auch nicht die Zielgruppe von DTX.
Ein weitaus größeres Problem wird es sein, den Standard zu etablieren. Denn kleine Formfaktoren sind schon lang auf dem Markt und stehen DTX nichts nach. Barebones lassen sich individuell bestücken und können durch den Einsatz von Silent-Komponenten auch lautlos betrieben werden. Noch kleinere Computer wie Apples "Mac Mini" sind schick und können im Büro einen Desktop vollkommen ersetzen.
Weiterhin finden immer mehr Notebooks ihren Platz auf einem Schreibtisch. Sie sind nicht mehr wesentlich teurer als Desktops und leisten längst genauso viel. Laut AMD haben Notebooks zwar den Nachteil des verhältnismäßig kleinen Displays, und große Bildschirme in Verbindung mit kleinen, energieeffizienten Systemen seien immer öfter gefragt. Dem sei entgegenargumentiert: Auch an Notebooks lassen sich externe Monitore, Tastaturen und Mäuse anschließen.
Im vierten Quartal soll der Startschuss für DTX fallen, eine erste Bilanz wird man sicherlich Mitte 2008 ziehen können.