Sogenannte Abo-Fallen sind eine moderne Geißel des Internets: Auf dem ersten Blick werden kostenlose Leistungen angeboten, beispielsweise Malvorlagen, Software oder Rezepte. Meist gut versteckt in den AGB findet sich dann eine Regelung, dass das Angebot entgegen der offensichtlichen Werbung zum einen mit Kosten verbunden ist, zum anderen wird dem Nutzer auch noch ein Abo mit einer Laufzeit von 12 oder 24 Monaten untergeschoben. Einschlägig spezialisierte Rechtsanwälte oder Inkassobüros machen dann - aufbauend auf der Vorleistung der "Anbieter"- später die Kosten für den Abo-Zeitraum geltend. Auf die reinen Abo-Gebühren werden dann noch einmal erhebliche Rechtsanwalts- oder Inkassokosten aufgeschlagen.
Die Rechtsprechung ist in der Regel davon ausgegangen, dass eine entsprechende Kostenvereinbarung versteckt in AGB nicht wirksam ist. Nach unserem Eindruck werden nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund die Kosten wohl auch in der Regel nicht durch die entsprechenden Anbieter eingeklagt. Unabhängig davon hat die Politik das Problem erkannt - nicht zuletzt deshalb, weil eine große Anzahl von Internetnutzern, die nicht zuletzt auch Wähler sind, mit diesem Problem konfrontiert ist.
Die Button-Lösung
Nachdem im November 2010 das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum besseren Schutz der Verbraucherinnern und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr" vorgelegt hat, macht die Bundesregierung nun Ernst und hat jetzt im August 2011 einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Die weitreichenden Folgen für den Internethandel ergeben sich aus einem geplanten § 312 g Abs. 3 - 4 BGB. Diese Normen sollen nach dem Gesetzentwurf wie folgt lauten:
"(3) Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem Vertrag nach Absatz 2 Satz 1 so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern "zahlungspflichtig bestellen" oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
(4) Die Erfüllung der Pflicht aus Absatz 3 ist Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages nach Absatz 2 Satz 1."
Anders als beim ursprünglich angedachten Referentenentwurf ist die Ausgestaltung des Buttons nunmehr sehr konkret. Der Button (Schaltfläche) muss
- gut lesbar
- und mit nichts anderem
- als den Wörtern "zahlungspflichtig bestellen"
- oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein.
Es wundert nur, dass der Gesetzgeber nicht noch ein amtliches grafisches Muster dieses Buttons bereitgestellt hat.
Auch Internethandel ist elektronischer Geschäftsverkehr
Der Gesetzentwurf, der erkennbar auf die Abo-Fallen abzielt, greift auch erheblich in den allgemeinen Internethandel ein. Der klassische Internet-Shop, der Verkauf über eBay, Amazon oder andere Plattformen, ist ein "Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr". Das Gesetz würde somit für jeden Internethändler gelten, insbesondere für solche, die einen eigenen Internet-Shop haben. Aus unserer Beratungspraxis ist uns eigentlich kein Fall bekannt, in dem bei einem klassischen Warenkauf über das Internet der Verbraucher nicht halbwegs vernünftig über den Preis der Ware sowie Liefer- und Versandkosten informiert wird. Alle bekannten Internet-Shop-Lösungen zeigen einen Endpreis einschließlich Versandkosten im Rahmen des Bestellablaufes an. Eine entsprechende Informationsverpflichtung über den Preis der Ware sowie Liefer- und Versandkosten gibt es bereits jetzt, und zwar gemäß EGBGB, sowie nicht zuletzt aus der Preisangabenverordnung.
Die jetzt angedachte Lösung hat eine zwingende Umprogrammierung von Internet-Shops zur Folge, da nach den neuen Anforderungen der Bestellvorgang so zu gestalten ist, dass der Verbraucher eine Bestellung erst abgeben kann, nachdem er - bezogen auf den Warenhandel im Internet - über den Preis und die Liefer- und Versandkosten informiert wurde und er die Kenntnisnahme durch den Button entsprechend bestätigt hat.
Wird die neue Informationspflicht nicht ordnungsgemäß umgesetzt, ist der Vertrag null und nichtig.
Dass eine entsprechende fehlende Information mit Bestätigungsmöglichkeit im Weiteren wettbewerbswidrig wäre, versteht sich an dieser Stelle schon fast von selbst.
"Bürokratiekosten" für den Internethandel in Höhe von 41,5 Millionen Euro, aber "nur" 150 Euro pro Shop
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der sachliche Anwendungsbereich ausdrücklich auch die Warenlieferung mit einbezieht. Hierbei ist sich der Gesetzgeber über die Kosten durchaus bewusst, heißt es doch in der Gesetzesbegründung:
Um Waren- oder Dienstleistungsangebote online zu präsentieren, werden Internetauftritte häufig individuell nach den Vorgaben des Versandhändlers erstellt. Vielfach kommen jedoch auch vorgefertigte Shopsysteme und Verkaufsplattformen zum Einsatz, die über alle wesentlichen Grundfunktionalitäten verfügen und nur an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Versandhändlers, der die Lizenz für ein solches System erworben hat, angepasst werden müssen.
Diese unterschiedlichen Gegebenheiten sind bei der Ermittlung, welcher Anpassungsaufwand für die einzelne Online-Verkaufsplattform durchschnittlich anzusetzen ist, zu berücksichtigen. Bei individuell erstellten Internetauftritten trägt jedes Versandhandelsunternehmen die Kosten für die erforderlichen Anpassungen seines Internetauftritts. Shop-Systeme sind vom jeweiligen Anbieter nur einmalig anzupassen, die veränderte Funktionalität steht dann prinzipiell jedem Nutzer dieses Shop-Systems zur Verfügung. Das einzelne Versandhandelsunternehmen wird hier nur mit den Kosten für ein Update (d. h. für eine aktualisierte und verbesserte Version) belastet, die gegenüber einer Individualprogrammierung in der Regel geringer ausfallen. Weil insbesondere kleinere Unternehmen auf vorgefertigte Shop-Systeme zurückgreifen, wird hier die Belastung des einzelnen Unternehmens bezogen auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit relativ gering ausfallen. Ähnliches gilt bei der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen über Apps oder andere Plattformen.
Die gemäß § 312g Absatz 3 Satz 2 BGB-E erforderliche unmissverständliche Beschriftung der Bestellschaltfläche erfordert für die überwiegende Zahl der bestehenden Online- Verkaufsplattformen eine Anpassung. Allerdings ist die bloße Veränderung der Aufschrift einer Schaltfläche mit nur geringem technischen Aufwand und entsprechend geringen Kosten verbunden. Ähnliches gilt, wenn im Einzelfall für die Abgabe der Bestellung keine Schaltfläche vorgesehen ist (§ 312g Absatz 3 Satz 1 BGB-E).
In der Gesamtschau all dieser Faktoren und unter Berücksichtigung der insgesamt geringen Komplexität der erforderlichen Anpassungen kann ein durchschnittlicher Anpassungsaufwand von circa 150 Euro je Unternehmen als realistisch angenommen werden. Bezogen auf die Gesamtzahl der im Online-Versandhandel tätigen Unternehmen entstehen damit einmalig Bürokratiekosten von circa 41,5 Millionen Euro.
Selten war der schöne Begriff "Bürokratiekosten" so angebracht ...
Folge bei Verstoß: Nichtigkeit des Vertrages
Wird der Bestellprozess den inhaltlichen Anforderungen nicht gerecht, so ist der Vertrag im Ganzen nichtig, der Unternehmer kann vom Verbraucher das Entgelt nicht verlangen. In dem Referentenentwurf hieß es noch: "Es sind allerdings Fälle denkbar, in denen der Verbraucher ein Interesse an der Erfüllung des Vertrages hat, z. B. bei Dauerschuldverhältnissen. Der Verbraucher ist dann nicht schutzlos, vielmehr wird in der Regel ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen. Weil der Unternehmer für die inhaltliche und funktionale Gestaltung seines Internetauftritts verantwortlich ist, hat er einen Verstoß ... regelmäßig zu vertreten."
Geplante Übergangsfrist
Das Gesetz soll am ersten Tag des 3. auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten. Dies kommt letztlich einer Vorlaufzeit von drei Monaten gleich.
Unsere Einschätzung
Ob das Gesetz in dieser Form tatsächlich in Kraft treten wird, wissen wir natürlich nicht. Ebenfalls ist nicht bekannt, wie eilig es der Gesetzgeber hat. Wie bereits dargestellt, halten wir die Preisdarstellung beim Warenverkauf über das Internet für kein relevantes Problem. Dass einem Kunden eine Ware untergeschoben wird, bei der der Eindruck entsteht, sie sei kostenfrei, ist praktisch nicht der Fall. Die "Abo-Fallen-Industrie" hat somit dem gesamten Internethandel einen Bärendienst erwiesen, da ein sehr kleiner Teil von schadensträchtigen Unternehmen extreme Folgekosten in mehrstelligen Millionenbetrag im Rahmen der Umstellung des Bestellvorganges in jedem Internet-Shop für den gesamten Internethandel zur Folge hat.
Für Shop-Betreiber bietet es sich an, sich bereits jetzt vorzubereiten und den Button "zahlungspflichtig bestellen" in den Bestellablauf einzubauen. Wer ein Shop-System ohne Update-Möglichkeit hat, sollte sich bereits jetzt, wenn eine Umprogrammierung nicht möglich ist, nach Ersatz umsehen. (oe)
Der Autor Johannes Richard arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er hat sich auf die Bereiche Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert und ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.
Kontakt und Infos:
Tel.: 0381 448998-0, E-Mail: rostock@internetrecht-rostock.de, Internet: www.internetrecht-rostock.de