Best Practises für mittelständische IT-Anbieter

Dos & Don'ts im Partnervertrieb

30.12.2021 von Frank Zscheile
Vor allem kleinere Hersteller von Hard- und Software sind auf kompetente Vertriebspartner angewiesen. Deshalb sollten diese Anbieter ihre Reseller gut behandeln.
Lokale und regionale Systemhäuser benötigen oft zusätzliche Unterstützung.
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Wenn kleine IT-Unternehmen trotz guter Produkte und hoher Nachfrage nicht wachsen, liegt es zumeist an der fehlenden Hebelwirkung durch Vertrieb und Partnering. Und da die Ressourcen für den direkten Vertrieb limitiert sind, läuft es letztlich auf Partnerschaften als entscheidende Multiplikatoren hinaus. Finanzinvestoren wissen dies und unterstützen deshalb mit Vorliebe SMEs, die ein gut durchdachtes Partnermanagement pflegen oder das Potenzial dazu haben.

Darüber sprachen wir mit Marko Maschek, Partner und Mitgründer bei dem Finanzinvestor Marondo Capital, mit und Petra Pirron, Global Vice President Marketing & Partner Business bei Datavard. Dieser Heidelberber ISV ist seit 2019 ein Portfolio-Unternehmen von Marondo, Marko Maschek ist dort Aufsichtsrat.

channelpartner.de: Frau Pirron, vor Ihrer Zeit bei Datavard waren Sie bei SAP für Partner- und Mittelstandsmarketing zuständig, Sie kennen also beide Seiten der Medaille. Heute müssen Sie Ihrerseits mit großen Partnern, bei denen die Marktmacht liegt, verhandeln und einen guten Deal erreichen. Ist dies nicht frustrierend? Welche Möglichkeiten hat man als kleiner potenzieller Partner überhaupt?

Petra Pirron, Global Vice President Marketing & Partner Business bei der Datavard AG: "Wir versetzen Partner in die Lage, auch Service-Anteile selbst zu übernehmen."
Foto: Datavard AG

Petra Pirron, Global Vice President Marketing & Partner Business bei der Datavard AG: In der Tat klingt das nach der Devise „Friss oder stirb!“ Die Großen sind die Marktmacher, die Kleinen müssen sich fügen, um überhaupt ins Geschäft zu kommen können. Meine Erfahrung ist, dass man durchaus eine Chance hat, wenn man errstens ausreichend agil ist und zweitens fachlich eine Nische besetzt.



In unserem Spezialgebiet, dem Datenmanagement in SAP, haben wir in einigen Bereichen natürlich starke Bewerber und stehen hier bei einer Accenture Kopf an Kopf. Für unsere Produkte hat sich Accenture dann entschieden wegen der Gesamtheit unseres Portfolios sowie aufgrund der Tatsache, dass wir uns in unseren Spezialgebieten agiler auf die Situation beim Kunden eingestellt haben als Wettbewerber, die zum Teil doppelt oder dreifach so groß sind wie wir. Da zeigt sich, wie wichtig die Beweglichkeit eines kleinen Teams ist.

channelpartner.de: Sie setzen fünf Partnermodelle ein, oft auch überlappend, mehrere Modelle mit einem Partner. Ist das nicht zu komplex?

Petra Pirron, Datavard: Von dieser strengen Einteilung haben wir uns im Grunde längst gelöst. Denn sie verhindert, dass man Partnerschaften flexibel gestaltet. Es geht doch darum, dass wir unsere Partner in die Lage versetzen, ihre Endkunden ganzheitlich zu bedienen. Dafür liefern wir Ihnen wahlweise unsere Produkte, also Intellectual Property, und implementieren diese dann im Projekt bei deren Kunden.

Oder aber wir versetzen den Partner in die Lage, auch Service-Anteile selbst zu übernehmen, und leisten dann nur noch Second-Level-Support. Bei Accenture haben wir zum Beispiel über 300 Fachkräfte darin trainiert, für unsere Produkte Service zu erbringen. Viele Softwarehersteller sind hier einfach noch zu starr – für uns war dies ein Wettbewerbsvorteil im Rennen um Accenture als wertvollen Multiplikator. Wir gehen agil auf potenzielle Partner zu, sehen uns deren Geschäftsmodell an und überlegen, wie wir dies am besten un-terstützen können.

Marko Maschek, Partner bei Marondo Capital: "Ein 'Ampelsystem' zum Monitoring der Partner ist wichtig."
Foto: Marko Maschek

Marko Maschek, Partner bei Marondo Capital: Mit dieser Strategie hat Datavard - als unser Portfolio-Unternehmen - große namhafte Partner wie Google, Microsoft, SAP und eben Accenture zusammen für sich gewinnen können. Ebenso setzen lokale und regionale Systemhäuser wie Syntax oder Convista und auch „Rising Stars“ der US-Softwarebranche wie Snowflake oder App Dynamics Datavard-Produkte ein.

channelpartner.de: Könnten Sie uns bitte noch einmal genauer erklären, wie die Zusammenarbeit mit Accenture, einem der weltweit größten Beratungshäuser und Systemintegratoren, funktioniert?

Petra Pirron: Gleich zu Beginn der Partnerschaft haben wir in verschiedenen Workshops – auf Executive- und Spezialisten-Ebene – uns viel Zeit genommen, um die Value Proposition und die gemeinsame Positionierung, den „technologischen Match“, zu erarbeiten. Die Anlaufphase, der sogenannte Ramp-Up, dauerte dann in der Tat mehr als zwölf Monate. Dazu gehörte es, die Vertriebsteams und Spezialisten des Partners zu informieren und zu trainieren. Sicherlich hilft es dabei, wenn man schnell die ersten gemeinsamen Kundenprojekte gewinnt und interne Erfolgsstories schreiben kann.

Wichtig sind auch stets ein enger und regelmäßiger Austausch sowie das Einholen von Feedback auf verschiedenen Verantwortungsebenen. Je besser wir verstehen, wie und woran der Partner den gemeinsamen Erfolg misst, desto schneller können wir Vorschläge und Lösungen erarbeiten und bei auftretenden Problemen handeln.

channelpartner.de: Welche Risiken gilt es beim Partnering zu vermeiden?

Marko Maschek, Marondo: Ein großes Problem kann die Abhängigkeit von einem oder wenigen Partnern sein. Welcher Anteil am Umsatz kommt von welchem Partner? Ist das sinnvoll diversifiziert? Stammen mehr als zehn Prozent des Jahresumsatzes von einem Unternehmen, dann ist das schon eine höhere Abhängigkeit.

Wichtig ist auch ein „Ampelsystem“ zum Monitoring der Partner. So bekommt man Veränderungen frühzeitig mit. Kritisch kann es sein, wenn der Kontakt wechselt und man es mit neuen Managern zu tun hat. Hier kann man unter Umständen böse Überraschungen erleben. Man braucht eine Mischung aus gutem alten Account Management und einer gewissen Prise Bauchgefühl. Ist die Pipeline leer, fehlen die Umsätze oder werden Meetings grundlos abgesetzt, ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas in der Beziehung nicht stimmt und der Klärung bzw. Richtungsänderung bedarf.

channelpartner.de: Welche Möglichkeiten der Risikominimierung hat ein SME hier?

Petra Pirron: Auf jeden Fall flexibel bleiben. Zum einen ist es gut, möglichst langfristige Verträge abzuschließen, zum anderen sollte man auch Marktlage, also Angebot und Nachfrage ausnutzen. Beispielsweise laufen S/4HANA-Implementierungen momentan gut, weil es den Kunden besser geht oder sie sich zumindest besser fühlen als im zweiten Halbjahr 2020, als viele Projekte zunächst auf Eis gelegt wurden. Hätten wir hier in der Vergangenheit Tagesraten fest vereinbart, würden wir heute unter Marktpreis liefern.

channelpartner.de: Was kann ein SME auf der strategischen Seite tun?

Marko Maschek: Expertise zu haben, die weder Kunde noch Partner vorweisen können. Das schafft eine hohe Bindung. Sektor-Know-how aufzubauen ist ebenfalls ein probates Mittel, nicht schnell wieder ausgetauscht zu werden. Wichtig ist auch die langfristige Denke. Es dauert Jahre, um funktionierende Partnerschaften aufzubauen und Win-Win-Situationen zu kreiieren. Das muss auch Finanzinvestoren klar sein. Ein gutes Partnermanagement hilft der Unternehmensentwicklung. Logos schaffen Akzeptanz bei potentiellen Kunden. Last, but not least könnte der Partner auch der ideale Exit-Kandidat sein.