Beurteilung durch Branchenexperten

Digitalpakt 2.0 mit viel Licht und viel Schatten

19.12.2024 von Peter Marwan
Endlich – hörte man es erleichtert von überall: Nach langem Ringen wurde ein Beschluss für den Digitalpakt 2.0 gefasst. Der bietet durchaus neue Chancen – sagen die einen. Die anderen warnen: Das Fell des Bären sollte nicht verteilt werden, bevor er nicht wirklich erlegt ist.
"Der Digitalpakt 1.0 war erfolgreich, nun muss ein Digitalpakt 2.0 auf das bisher Erreichte aufbauen, bereits getätigte Investitionen absichern und für Zukunftssicherheit sorgen", sagt Ralf Koenzen, Geschäftsführer von Lancom Systems.
Foto: Lancom Systems

Es klang wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, als sich Bund und Länder nach langem Gezerre und viel später als zunächst geplant kurz vor Weihnachten doch noch auf einen Beschluss zum Digitalpakt 2.0 und damit einen Plan für die weitere Digitalisierung des Bildungssystems einigten.

Sowohl die Hersteller als auch die Dienstleister könnten das Paket in einem insgesamt unfreundlichen Umfeld gut gebrauchen. Und auch die Schulen sehen sich danach, den einmal begonnen Weg weitergehen zu können und längst geplante oder angedachte Projekte bald tatsächlich anschieben zu können. Brancheninsider sehen aber noch reichlich Bedarf an Feintuning und warnen vor verfrühten Hoffnungen oder überzogenen Erwartungen.

Weichen gestellt - jetzt muss der Zug rollen

"Die erste Auflage des Digitalpakts hat die Weichen für die dringend notwendige Digitalisierung der Schulen gestellt und wichtige Erkenntnisse geliefert", sagt etwa Joachim Rieß, Account Executive bei Dell Technologies. "Künftig kommt es darauf an, Zuständigkeiten klarer zu regeln, bürokratische Hürden weiter abzubauen und den Schulen mehr technische Expertise zur Verfügung zu stellen. Entscheidend ist dabei ein ganzheitlicher Ansatz: Gute Digitalisierung braucht praxisorientierte Konzepte, eine nachhaltige Infrastruktur und die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten."

"Der Digitalpakt 2.0 darf auf keinen Fall eine Kopie seines Vorgängers werden, sondern muss ein noch stärkerer Innovationsmotor sein, der Lehrpläne, Technik und Schulorganisation gleichermaßen adressiert", sagt Joachim Rieß, Account Executive bei Dell Technologies.
Foto: Dell Technologies

Er sieht im Digitalpakt 2.0 aber durchaus die Chance, "die bereits begonnene Modernisierung in den Bereichen Infrastruktur sowie Aus- und Weiterbildung voranzutreiben und über den reinen Projektstatus hinaus in den Alltag zu integrieren." Das von der Politik ausgegebene Ziel, flächendeckend eine zeitgemäße digitale Bildungsinfrastruktur zu schaffen, rücke damit "in greifbare Nähe".

Rieß sieht auch die Chance, dass Entscheidungen auf den Prüfstand gestellt, gegebenenfalls angepasst und damit effektiver umgesetzt werden können, als bei der Erstauflage des Digitalpakts. Er fordert: "Der Digitalpakt 2.0 darf auf keinen Fall eine Kopie seines Vorgängers werden, sondern muss ein noch stärkerer Innovationsmotor sein, der Lehrpläne, Technik und Schulorganisation gleichermaßen adressiert. Es liegt an allen Beteiligten - Politik, IT-Branche und Bildungsträgern -, jetzt gemeinsam Nägel mit Köpfen zu machen."

Standardisierung der IT als Schlüssel zum Erfolg

Ein entscheidender Schlüssel für den Erfolg ist aus seiner Sicht die Standardisierung der IT, die Vereinfachung der Beschaffung und das Know-how der Channelpartner. "Gerade sie haben in den vergangenen Jahren eine hohe Expertise im Bereich der Schuldigitalisierung und ihrer besonderen Herausforderungen aufbauen können", betont Rieß. Dell Technologies sehe sich in diesem Umfeld als starker Partner an der Seite des Channels und stell mit seinem Portfolio passende Lösungen bereit.

Ralf Koenzen, Geschäftsführer von Lancom Systems, hat sich schon öfter engagiert und pointiert zum DigitalPakt Schule geäußert und ist ein großer Befürworter. Er freut sich deshalb über den Beschluss - bleibt aber vorsichtig: "Im Gegensatz zu den Aussagen von Mitgliedern der noch amtierenden Regierung ist die Einigung keineswegs bindend für die nächste Bundesregierung und den noch nicht beschlossenen Haushalt 2025. In trockenen Tüchern ist noch nichts!"

Mehr Geld auf dem Papier als in der Kasse

Auch den Teil der Abmachung, wonach die Länder bisherige Ausgaben gegenrechnen dürfen, sieht Koenzen kritisch. "Das bedeutet, dass von den 2,5 Milliarden Euro, die die Länder nach der Vereinbarung für den neuen Digitalpakt aufbringen müssten, nur 500 Millionen Euro wirklich neues Geld wären." Zwar würden mit dem Bundesanteil von ebenfalls 2,5 Milliarden Euro rechnerisch bis 2030 weitere 5 Milliarden in die Bildung investiert - en Teil davon ist aber schon abgerechnet, bringt also in den folgenden Jahren kein neues Geschäft und keine weiteren Verbesserungen in den Schulen.

Ein weiterer Wermutstropfen: "Leider sind Kosten für die Netzwerkverwaltung nicht berücksichtigt", merkt Koenzen an. "Zur Hardware-Beschaffung, egal ob Tablets, Notebooks, Whiteboards oder Netzwerkkomponenten, gehört auch eine kontinuierliche und professionelle Betreuung! Aus vielen Tausend Schulprojekten Erfahrung wissen wir, dass die Realität oft anders aussieht: Endgeräte bleiben bisweilen nach der ersten Euphorie ungenutzt und verwaisen, weil Funktionsstörungen durch mangelnde Wartung nicht behoben werden. Investitionen liegen brach."

Dass Schulbehörden und Verwaltungen die laufende Betreuung der digitalen Infrastruktur übernehmen, ist aus seiner Erfahrung heraus wenig realistisch. "Der Fachkräftemangel und das Ringen um IT-Personal in freier Wirtschaft und öffentlichem Dienst verschärft die Lage. Lehrkräfte fehlen ebenfalls an fast allen Schulen und sollen sich um die Ausbildung unserer Kinder kümmern. Sie als Netzwerkadministratoren einzusetzen, kann ebenso wenig die Lösung sein." An die künftige Regierung richtet Koenzen deshalb die Aufforderung, ein klares Zeichen zu setzen,"indem sie die Schuldigitalisierung schnellstmöglich wieder ganz oben auf die Agenda setzt und konsequent fördert."

Kosten für Dienstleistungen und Support einbeziehen

Auch Michael Sünder, Project Sales eGov & Edu bei Securepoint, begrüßt den Beschluss grundsätzlich: "Die finanzielle Unterstützung für die Digitalisierung der Bildungseinrichtungen fortzusetzen, ist der richtige Schritt." Er führt weitern aus: "Gerade bei der IT-Security sehen wir einen großen Nachrüstbedarf, denn Angreifer gehen heutzutage den Weg des geringsten Widerstands und attackieren zunehmend auch kleine Schulen und Kommunen."

Allerdings hofft auch Sünder darauf, dass aus der Umsetzung des ersten Digitalpkats gelernt wurde. Er schlägt hier in dieselber Kerbe wie Koenzen und zahlreiche andere Branhenvertreter: "Bei der möglichen Mittelverwendung kann im Vergleich zum ersten Digitalpakt nachgebessert werden, indem auch Kosten für Dienstleistungen und Support einbezogen werden."

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