Besser nochmal ausdrucken?

Digitalisierung geht auch mit Papier

Kommentar  von Peter Marwan
Das Ziel, „die Zettelwirtschaft zu beenden“ und „papierlos“ zu werden, steht bei der Digitalisierung immer noch zu sehr im Vordergrund. Es wird höchste Zeit, richtig zu digitalisieren - und übergangsweise lieber ein gutes DINA4-Blatt als ein schlechtes PDF zu verwenden.
Ein bisschen weniger Papier darf es schon sein - aber den Papierstapel lediglich in ein Datengrab an PDF-Dokumenten umzuwandeln, kann nicht der richtige Weg sein.
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"Papierlose Rezepte: E-Rezept startet am 1. Juli", kündigen die Medien diese Woche an. Mir hat sich die Meldung via tagesschau.de über das Infotainment-System in der Münchner S-Bahn aufgedrängt. Zum Glück hatte ich einen Notizblock dabei, konnte einen Zettel herausreißen, zusammenknüllen und zum Abbau des Ärgers in den Papierkorb pfeffern.

Warum der Ärger? Weil die erste Assoziation und das primäre Ziel beim Thema "Digitalisierung" immer noch der Gedanke zu sein scheint, dass es einfach super ist, wenn Dinge statt in einem Papierdokument in einem PDF-Formular stattfinden.

Das ist aber aber nichts Neues mehr. Kürzlich feierte das PDF-Format seinen 30. Geburtstag. Stolz berichteten aus diesem Anlass in einer Umfrage des Bitkom 84 Prozent der Unternehmen, "zunehmend PDFs anstelle von Briefen zu verschicken". Ja Bravo. Wahrscheinlich spekuliert die Hälfte davon für ihre Vorreiterrolle bei der Digitalisierung auf das Bundesverdienstkreuz.

Selbsteinschätzung der Unternehmen in Deutschland in Bezug auf Digitalisierung in einer Bitkom-Umfrag 2023.
Foto: Bitkom

Was habt Ihr gegen Briefe? Der Großteil der Kunden druckt die PDFs wahrschenlich eh aus und heftet sie ab. Oder er liest sie gar nicht. Das ist bei für ihn nachteiligen Tarif- und Konditionsänderungen natürlich sehr vorteilhaft. Auch Sicht der Firmen spart PDF statt Briefe zu verschicken zudem Kosten für Druck und Versand.

Man traut sich aber gar nicht zu fragen, wie viele dieser Firmen auch etwas an den Prozessen vor dem Versand geändert haben. Zu befürchten ist, dass der Großteil in weiten Bereichen genau so arbeitet, als ob am Ende der Prozesskette ein Brief stünde. Damit verschenken sie den eigentlichen Nutzen der Digitalisierung: Die Verarbeitung der Daten, die irgendwie auch im Brief (PDF) enthalten, durch Low-Code-Programmierung oder Robotic Process Automation (RPA) zu automatisieren oder die Möglichkeiten von Maschinenlernen und KI bleiben oft völlig außen vor - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Kampf dem Papierstapel

"Hauptsache, im Büro liegen keine Papierstapel mehr", scheint vielfach immer noch die Motivation für Digitalisierungsinitiativen zu sein. Ob irgendjemand den Durchblick hat, welche Dokumente in welcher Version in welchem Netzlaufwerk, Cloud-Speicher oder lokal vorliegen, scheint dagen oft egal zu sein. Korrektur: Da kann niemand mehr den Durchblick haben. Das muss von Software unterstützt und digital abgewickelt werden.

Papier scheint der Feind zu sein - an den aus der Papier-Ära überkommenen Prozessen wird dagegen oft nicht gerüttelt.
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Immerhin das sehen immer mehr Unternehmen ein. Deshalb war zum Beispiel die Stimmung bei der Partnerkonferenz von DocuWare zuletzt sehr gut: Kein Wunder, der Anbieter und seine Partner konnten sich über ein beachtliches Wachstum im Cloud-Geschäft und eine deutliche Zunahme der Kunden aus dem KMU-Bereich freuen.

Eien gewaltuigen Schub gab da die Pandemie - als Unternehmen merkten, dass man erstens nicht ganze Aktenschränke mit nach Hause nehmen kann und zweitens, dieser Aktenschrank dann bei genau einer Person zuhause stünde - so dass dann alle anderen keinen Zugriff darauf haben. So kann man nicht arbeiten. Also machten sie sich daran, Dokumente in eine digitale Form zu bringen. Das ist ein erster Schritt. Der sollte aber nicht deshalb stattfinden, weil man dann kein Papier mehr hat und mit "Nachhaltigkeit" begründet werden kann, sondern weil er prozessuale Vorteile bringt - siehe Pandemie und ortsungebundenes Arbeiten mit Dokumenten.

Bei Rechnungen klappt es (fast)

Ein weiterer Bereich macht ebenfalls Hoffnung. Soeben hat der Bitkom mitgeteilt, dass nun mit 59 Prozent erstmals über die Hälfte der Unternehmen, die Rechnungen in digitaler Form stellen, E-Rechnung-Standards wie EDI, ZUGFeRD und XRechnung nutzen. Unter großen Unternehmen ab 500 Beschäftigten sind es in der repräsentativen Umfrage des Verbandes sogar 96 Prozent, unter den mittleren Unternehmen (100 bis 499 Beschäftigte) 82 Prozent. Bremser sind hier Firmen mit 20 bis 99 Beschäftigten (52 Prozent). "Insgesamt setzt sich damit der deutliche Trend hin zu E-Rechnungen fort: Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 45 Prozent, 2020 bei nur 30 Prozent", erklärt der Branchenverband.

Nun sind Rechnungen einerseits undankbar (wegen der Formen- und Formatviefalt), andererseits dankbar (wegen des weitgehend durch Vorschriften geregelten Vorgehens bei der Bearbeitung). Außerdem ist bei der Rechnung die Motivation hoch, Anforderungen von Großkunden und inzwischen der Behörden zu erfüllen - denn sonst gibt es kein Geld. Daher spielt der Bereich eine Vorreiterrolle.

Behörden als schlechtes Beispiel

Andere Arbeitsschritte bleiben dagegen trotz Digitalisierung oft im 20. oder sogar 19. Jahrhundert verhaftet. Wie das in einzelnen Firmen ist, lässt sich schwer abschätzen, man hat ja nicht in alle Einblick. Man spürt das aber deutlich in der öffentlichen Verwaltung. Hier hat das offenkundige Scheitern, die Anforderungen aus dem Onlinezugangsgesetz auch nur ansatzweise fristgerecht befriedigend umzusetzen, das Dilemma aufgezeigt, in dem aber auch viele Firmen stecken.

Anschaulich aufgezeigt hat das vor einigen Wochen die ARD-Sendung REPORT MAINZ. Sie veröffentlichte Ergebnisse einer Umfrage unter den 100 größten deutschen Städten. Darin klagen die befragten Amtsleiter nahezu durchweg über Personalmangel und zu viel Bürokratie - also genau über die Probleme, deren Beseitugng bei der Digitalisierung helfen könnte.

Allerdings machen die Umfrageergebnisse deutlich, dass "Digitalisierung" oft falsch verstanden wird. Ein Beispiel aus der Sendung, das leider keineswegs ein Einzelfall ist, sondern stellvertretend für viele steht: In Aachen gibt es zwar einen digitalen Elterngeldantrag, der muss im Amt aber aufgrund mehrerer Vorschriften als Ausdruck mit Unterschrift eingereicht werden.

Diese Anträge werden dann einzeln gescannt. "Und in der Regel fehlt dann ein Dokument oder ist nicht eindeutig. Am Ende geht fünfmal Post hin und her, bevor wir den Antrag bearbeiten können", erklärte ein Sprecher. Professor Hans-Henning Lühr, Verwaltungswissenschaftler an der Universität Bremen, kritisierte in der Sendung zudem, der Unterschied durch die Digitalisierung sei lediglich, dass Formulare nicht von Hand, sondern mit dem PC ausgefüllt werden.

Immerhin werden sie dann nicht mehr abgetippt. Obwohl, man weiß es nicht sicher …

Sie kennen weitere Digitalisierungs-Fails oder auch Beispiele, für eine gekungene Digitalisierung bei Ihren Kunden? Wir freuend uns auf ihr Feedback an info@channelpartner.de mit dem Betreff "So geht Digutalisierung" oder "So geht Digitalisierung nicht".