Die ITK-Branche befindet sich in einem Goldrausch. Einerseits gewinnen Daten immer mehr an Bedeutung und werden bereits heute als das neue Öl der Welt gehandelt, zum anderen ist die ITK-Branche in Deutschland seit 2017 der größte Arbeitgeber und schaffte es damit erstmals die Industrie als Arbeitgeber zu überholen. Laut Prognosen des Bitkom dürfte sich dieser Wachstumskurs auch 2018 weiter fortsetzen.
Die Kehrseite einer boomenden Branche ist jedoch: Die Anzahl an Unternehmen, die in Konkurrenz zueinanderstehen, wächst. Darüber hinaus verändert sich das Marktangebot. Wo einst eine überschaubare Anzahl an Mitbewerbern am Markt war, sind es heute unzählige und es werden mehr.
Eine Strategie, sich am Markt zu behaupten, ist anorganisches Wachstum. Dabei setzt ein Unternehmen darauf, dass es durch den Zukauf eines anderen Unternehmens schneller wächst, als es das aus eigener Kraft schaffen könnte.
Rahmenbedingungen für Akquisitionen sind gut
Die Rahmenbedingungen für Akquisitionen sind aktuell sehr gut. Viele Unternehmen haben prall gefüllte Kassen für Zukäufe. Diejenigen, die nicht über das nötige Eigenkapital verfügen, leihen es sich zu günstigen Konditionen am Markt dank der Niedrigzinsphase. Dazu kommt die Tatsache, dass es aktuell viele Eigentümer gibt, die ihre Unternehmen aus Altersgründen weitergeben wollen.
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Der wohl größte Einflussfaktor für die Kauffreude von Unternehmen ist jedoch der Wandel im ITK-Bereich und hier im Speziellen der steigende Druck durch konkurrierende Unternehmen.
Weitere Faktoren, die speziell den Channel von IT-Systemhäusern betrifft, ist der steigende Druck aufgrund sinkender Margen und der Preisverfall im klassischen Hardware-Geschäft. Auch der Trend dazu, dass Hersteller wieder mehr Geschäft selbst übernehmen, trägt zu erhöhtem Druck im Channel bei. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Systemhaus-Branche anorganisches Wachstum für sich entdeckt hat.
Ein Blick auf die drei großen Systemhäuser Bechtle, Cancom und bestätigt dieses Bild. Im Sommer 2017 übernahm Cancom alle Anteile der Antauris AG aus Hamburg (ChannelPartner berichtete). Eine weitere Übernahme gelang Computacenter 2017. Das Systemhaus erwarb das TeamUltra aus England und ist sich dadurch zu einem der führenden ServiceNow-Partner in Europa aufgestiegen.
Bechtle, Cancom und Computacenter kaufen wie wild ein
Ein sehr erfolgreiches Jahr in Bezug auf Akquisitionen kann Bechtle vorweisen. Im Jahr 2017 übernahm das Systemhaus mit Hauptsitz in Neckarsulm gleich drei Unternehmen in Deutschland und Österreich.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass es drei wesentliche Treiber für die aktuelle Akquisitionsfreude gibt:
1. Volle Kassen/Niedrige Zinsen
2. Altersnachfolge
3. Marktkonsolidierung
Die Bilanzen der drei Großen scheinen ihnen mit ihrem Ansatz rechtzugeben. So konnte Cancom im Jahr 2016 erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz in einem Geschäftsjahr realisieren. Das entspricht einer Steigerung um den Faktor 1,8 innerhalb von nur sechs Jahren.
Da dürfte es wohl kaum verwundern, dass Unternehmen als häufigsten Kaufgrund für andere Unternehmen Wachstumsziele angeben. Interessanterweise werden Marktziele erst an dritter Stelle genannt:
Ehrgeizige Ziele werden nicht immer erreicht
Ob die Ziele jedoch wirklich in allen Fällen erreicht werden können, kann bezweifelt werden. Teilweise kursieren Berichte von Misserfolgsquoten, die zwischen 60 und 80 Prozent liegen.
Woran kann man also festmachen, ob eine Akquisition erfolgreich gewesen ist oder nicht? Die einzig sinnvolle Methode ist eine finanzielle Bewertung. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen.
Gehen wir davon aus, dass es zwei Unternehmen auf dem Markt gibt. Der Aktienkurs beider Unternehmen entwickelt sich positiv und der Kurs wächst bei beiden gleichermaßen. Kauft Unternehmen A nun Unternehmen B dann sollte der Aktienkurs die Summe der beiden einzelnen Kurse sein.
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Das alleine bedeutet jedoch noch nicht, dass von einer erfolgreichen Akquisition gesprochen werden kann. Eine objektive Bewertung ist erst nach einiger Zeit möglich. Hier kann dann beispielsweise der Aktienkurs als Referenz herangezogen werden, um zu bewerten, ob der Kauf von Unternehmen B einen höheren Geschäftswert (Business Value) für Unternehmen A gebracht hat. (Vgl. M&A Integration, Danny A. Davis; ISBN: 978-1-119-94486-7)
Entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg ist also eine saubere Integration des gekauften Unternehmens. Eine Integration verläuft dabei im Regelfall immer nach dem gleichen Muster ab:
In der ersten so genannten Pre-Deal Phase, geht es darum ein passendes Unternehmen zu finden und es zu bewerten, um den fairen Wert herauszufinden und anschließend in die Verhandlung einzusteigen. Diese Phase kann unter Umständen einige Jahre dauern. Nachdem der Vertrag geschlossen ist, kommt irgendwann der große Tag. Der sog. Day 1 ist der Tag, an dem die Information publik gemacht wird und der Markt und die Mitarbeiter über die Akquisition informiert werden.
An dieser Stelle hören viele Unternehmen auf sich Gedanken, um den weiteren Verlauf zu machen. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass die Integrationsphase den größten Einfluss auf eine erfolgreiche Übernahme hat.
Die fünf erfolgskritischen Faktoren für eine Integration
Bleibt die Frage, was die erfolgskritischen Faktoren für eine Integration sind. Im Wesentlichen lassen sich fünf Faktoren identifizieren.
1. Klare Ziele
2. Geschwindigkeit
3. Kommunikation
4. Planung
5. IT als zentrale Rolle
Eigentlich sollte es sich von selbst verstehen, dass ein Vorhaben solcher Größe nur dann erfolgreich realisieren lässt, wenn man klare Ziele setzt und dies bereits zu Beginn. Nur so wird es dem Integrationsteam möglich sein, die Performance der Integration im Verlauf der Post-Merger Phase objektiv zu bewerten.
Neben klaren Zielen ist die Integrationsgeschwindigkeit entscheidend. Mitarbeiter werden nach der Bekanntgabe der Übernahme Schrittweise in ein Leistungsloch fallen, wenn die Mehrwerte, die angestrebt wurden, nicht realisiert werden können.
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Mitarbeiter werden sich die Frage stellen, was aus ihren Arbeitsplätzen wird. Werden sie morgen noch einen Job haben, oder besteht die Gefahr, dass sie entlassen werden? Gerade Stellen im administrativen Bereich sind hiervon stark betroffen.
Ein weiterer Grund, warum die Integrationsgeschwindigkeit so wichtig ist, ist die Tatsache, dass Headhunter und konkurrierende Unternehmen wie Heuschrecken versuchen werden, Mitarbeiter abzuwerben. Dauert es zu lange bis Mehrwerte realisiert werden, dann werden sich die Performer zu anderen Unternehmen verabschieden. Je schneller Synergien erzielt werden können, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass Einbußen in den Umsätzen hingenommen werden müssen.
Ein häufig unterschätzter Faktor ist die Kommunikation. Im vorherigen Abschnitt wurde angedeutet, welche Fragen sich Mitarbeiter nach Bekanntwerden der Akquisition stellen. Neben den Mitarbeitern hat eine Firma noch weitere wichtige Stakeholder. Diese gilt es entsprechend sauber zu informieren, denn sie werden sich auch die Frage stellen, was es zu bedeuten hat, dass die Firma mit der sie unter Umständen bereits Jahrzehnte zusammengearbeitet hat nun einen anderen Inhaber hat.
Daher empfiehlt es sich so viel wie möglich und so transparent wie möglich zu kommunizieren. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die verschiedenen Interessengruppen individuell angesprochen und ihnen die Informationen zukommen, die für sie wichtig sind.
Einen noch höheren Erfolg bei der Kommunikation kann erreicht werden, wenn neben der passenden Nachricht auch der entsprechende Kommunikationskanal gewählt wird. Ein langjähriger und wichtiger Kunde sollte nicht aus der Presse oder per Brief erfahren, was passiert ist. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, dass das Top-Management Termine mit den wichtigsten Kunden und Partnern vereinbart.
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Planung, Planung und nochmals Planung. Vielleicht erscheint es banal zu sagen, dass es wichtig ist, einen Integrationsplan zu haben, dennoch scheitern Integrationen immer wieder an einem fehlenden oder unzureichendem Plan. Die Akquisition eines Unternehmens an sich bringt bereits ein Risiko für beide Unternehmen mit sich. So könnte beispielsweise der Umsatz des Unternehmens einbrechen, weil wichtige Kunden sich gegen eine weitere Zusammenarbeit entscheiden. Das Erstellen eines Integrationsplans ist eines der wichtigsten Risikomanagement Instrumente. Mithilfe des Integrationsplans können Risiken im Vorfeld aufgedeckt werden und so verhindert werden, dass diese überhaupt zum Tragen kommen (Quelle: Deloitte)
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IT ist nur ein Kostenfaktor bzw. eine unterstützende Funktion. Diese Meinung herrscht leider auch heute noch in so manchen Unternehmen vor. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen IT nicht als Teil ihrer Integrationsstrategie sehen. Damit begehen sie jedoch einen großen Fehler. Längst sind die Zeiten vorbei, dass IT eine Nebenrolle gespielt hat. So gibt es fast keinen Bereich im Unternehmen, der nicht auf Dienste aus der IT Abteilung zurückgreift.
So verlaufen Fusionen erfolgreich
Unternehmen, die die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Integration erhöhen wollen, sollten daher zwingend auf den Faktor IT während der Integration setzen. So könnte beispielsweise ein spezielles IT-Team zum Einsatz kommen. Dieses kann eine Analyse der bestehenden Infrastruktur durchführen und eine Einschätzung treffen, welche Potenziale durch den Faktor IT erreicht werden können. IT ermöglicht beispielsweise die bestehenden Kundendaten schnell zu verknüpfen und Cross-Border Potenziale optimal zu nutzen (siehe auch Deloitte-Studie.)
IT ist auch ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht Kosteneinsparungen zu realisieren. Durch die Übernahme stellt sich die Frage, was mit der IT Landschaft passieren soll. Sollen beide Infrastrukturen parallel betrieben werden? Soll eine der beiden Landschaften abgeschafft werden, oder ein Best-of-Breed Ansatz gewählt werden, bei dem nur diejenigen Komponenten bestehen bleiben, die das Beste aus beiden Welten darstellen? Der Rest wird abgeschafft?
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unternehmen in der ITK-Branche durch den Wandel gezwungen sein werden zu wachsen oder sich größeren Unternehmen anzuschließen, um langfristig am Markt bestehen zu können.
Der Markt für Akquisitionen ist aufgrund der Niedrigzinsphase und dem erhöhten Anteil an altersbedingten Verkäufen als positiv zu bewerten.
Trotz guter Marktbedingungen ist eine Integration kein Selbstläufer. Viele Integrationen scheitern und die erwarteten Synergien können nicht realisiert werden. Um die Erfolgschancen zu erhöhen sollten klare Ziele gesetzt und eine hohe Integrationsgeschwindigkeit gewählt werden. Darüber hinaus sollte auf eine hohe Transparenz durch zielgerichtete Kommunikation geachtet werden. Risiken sollten durch einen sauberen Integrationsplan minimiert werden. Schlussendlich sollte der IT eine zentrale Rolle während der kompletten Akquisition zukommen. Sie hat das Potenzial die Erfolgschancen einer Integration erheblich zu verbessern und die Realisierung von Synergien zu ermöglichen, die man ohne IT nicht hätte erreichen können. (rw)