Arrow ECS hat bereits vor drei Jahren einen Cloud-Marktplatz ins Leben gerufen - entschieden zu früh. Doch nun scheinen die Werkzeugen vorhanden zu sein, um das Reselling von Cloud-Angeboten lukrativ zu betreiben. Also hat vor einem Jahr den eigenen Cloud-Marktplatz in Deutschland gestartet, Ingram Micro zog hier zu Lande im Frühjahr nach, und im Herbst soll der "Tech Data Cloud Solutions Store" seine Arbeit aufnehmen.
Das ist die Gelegenheit für ChannelPartner, die Cloud-Marktplätze der vier Distributoren genauer unter die Lupe zu nehmen. Wobei der Begriff Marktplatz hier etwas fehl am Platz ist, denn so breit aufgestellt sind diese Marktplätze ja nicht, alle vier haben Microsoft als Lieferanten gelistet, plus eine Cloud-Backup-Lösung, wie etwa von Acronis bei Also und Ingram Micro. Hinzu kommt noch eine Security-Suite aus der Wolke (McAfee, Trend Micro oder Secucloud). Und dann wird es schon dünn. Einzig erwähnenswert wäre hier noch IBM mit dem IaaS-Paket "SoftLayer" und dem PaaS-Umgebung "Bluemix".
Historisch bedingt verfügt Arrow ECS über die längste Liste an Cloud-Anbietern, nämlich elf an der Zahl. Es folgt Ingram Micro mit sechs Cloud-Lieferanten, Also mit vier und Tech Data mit bisher einem sicheren Kandidaten für den Marktplatz, eben mit Microsoft, das hat auch die Experton Group in ihrem Cloud Vendor Benchmark vom Frühjahr 2015 berücksichtigt.
Selbstauskunft zu den Cloud-Marktplätzen
Wir haben allen vier relevanten Distributoren einen detaillierten Fragebogen zu ihren jeweiligen Cloud-Marktplätzen zugeschickt. Diesen Fragebogen haben die drei Broadliner und der VAD (Value Add Distributor) mehr oder weniger ausführlich beantwortet. Auf dieser Selbstauskunft stützt sich der nachfolgende Vergleich der Cloud-Marktplätze der Distributoren.
Der Begriff Marktplatz wird zumindest dadurch gerechtfertigt, dass alle vier Großhändler die drei bekannten Cloud-Spielarten IaaS, PaaS und SaaS (Infrastructure, Plattform und Software as a Service) im Portfolio haben. Arrow ECS führt sogar noch ein vierte Variante Hosting/Managed Services ein, die sich aber sicherlich partiell dem einen oder anderen XaaS-Segment zuordnen ließe.
Wir fragten die Distributoren auch, ob ihre Händler mit einer einzigen Kennung-Passwort-Kombination auf alle im Marktplatz gelisteten Angebote zugreifen können, SSO (Single Sign On), Erstaunlicher Weise bieten nur zwei Großhändler diesen naheliegenden Service an, nämlich Ingram Micro und Tech Data. Laut Also und Arrow ECS ist SSO nicht so wichtig, für den VAD kommt SSO ohnehin nicht in Frage - man verzichte bewusst auf eine derartige technische Möglichkeit, um sich nicht von einem SSO-Anbieter abhängig zu machen, heißt es aus Fürstenfeldbruck.
Allen vier Distributoren ist gemeinsam, dass sie keine Grundgebühr für die Nutzung derer Cloud-Marktplätze erheben. Unterschiede gibt es hingegen bei der für Reseller wichtigen "White Label"-Frage, also: Können VARs und ISVs die im Marktplatz des Distributors gelisteten Cloud Services unter eigenem Brand (White Label) - gegebenenfalls um eigene Services ergänzt - Kunden anbieten? Dies bejahten uneingeschränkt nur Arrow ECS und Tech Data, bei den anderen zwei (Also und Ingram Micro) ist so etwas erst für später geplant. Dann verspricht aber Ingram Micro seinen Partnern, eine völlig transparente Integration des Marktplatzes in die eigene Website.
Doch wie sehen die Provisionsmodelle der Distributoren im Bereich Cloud aus? Gibt es eine Staffelung der Margen je nach Partnerstatus? Nein. Noch sieht das Vergütungskonzept bei allen vier Distributoren denkbar einfach aus: Der Reseller kauft am Marktplatz zum vorgegeben Preis ein, kann den vorgeschlagenen Verkaufspreis übernehmen oder ihn auch ändern. Hier empfehlen alle Distributoren ihren Fachhändlern, die standardisierten Cloud-Services um eigene Zusatzleistungen zu ergänzen, um so gegebenenfalls die eigene Profitabilität zu erhöhen. Und natürlich sind die Margen bei allen Herstellern unterschiedlich.
Vertragsgestaltung
Für viele Reseller ist es äußerst wichtig, mit dem Kunden direkt den Service-Vertrag abzuschließen. Aber ist das auch in der Cloud möglich? Fast immer, wenn auch manchmal mit gewissen Einschränkungen, immerhin gibt es hier mehr Mitspieler als im klassischen on-premise-Geschäft, eben auch noch den Hoster. So müssen Endkunden im bestimmten Fällen einen zusätzlichen Vertrag mit dem Cloud-Provider unterscheiben, so zum Beispiel bei Microsoft. Arrow weist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Vertragskonstrukte bei verschiedenen Herstellern.
Auch die Laufzeiten der Verträge unterscheiden sich von Anbieter zu Anbieter. Bei Also ist beträgt die Mindestvertragsdauer in der Regel einen Monat, ebenso bei Tech Data. Alle Distributoren betonen aber, dass tagesaktuell abgerechnet wird, im IaaS-Umfeld ist eher die nutzungsabhängige Methode (CPU, Storage) üblich. Arrow kann sogar minutengenau abrechnen. Üblich ist aber die Rechnungsstellung im Monatsrhythmus.
Größere Unterschiede zwischen den Angeboten der Distributoren gibt es bei den Abrechnungsmöglichkeiten für die Partner. Während Also hier detailliert die Funktionen aufzählt: Mandanten- und User-Verwaltung, Angebotssystem, Provisionierung und Reports, verweist Tech Data nur auf das eigene Reseller-Portal "Tech Data Cloud Solutions Store".
Ingram Micro hingegen hat hierfür eine eigene Verwaltungskonsole "Odin" entwickelt. Dort können Reseller über ein Control Panel die gewählten Cloud-Services verwalten und über das Customer Control-Panel die Cloud-Services für ihre Endkunden steuern. Diese Aufgabe kann der Reseller auf Kundenwunsch auch an den IT-Administrator beim Kunden übertragen ("Self Service").
Noch ausgefeilter scheint das Cloud-Partner-Portal bei Arrow zu sein. Eigenen Angaben zur Folge unterstützt der VAD dort seine Partner in allen Phasen des Cloud-Geschäfts, beginnend bei der Planung und Architektur/Design, über die Kostenkalkulation bis zum Erstellen des finalen Endkundenangebots. Hat der Kunden gebucht gibt es bei Arrow Berichte über die Nutzung der SPLA-Lizenzen (Service Provider License Agreement) auch für mehr als zehn 10 Hersteller. Selbstredend können im Arrow-Portal die Endkundenverträge eingepflegt und bearbeitet werden. Und natürlich wird dort die Monatsrechnung für die von Endkunden genutzten Cloud Cloud-Services erzeugt und verschickt.
Anbieterwechsel
Doch wie gestaltet sich der Prozess, der Partner oder Endkunde den Anbieter wechseln und/oder seine Daten zurückhaben möchte? Hier antworten alle vier Distributoren einstimmig mit "je nach Cloud-Service-Anbieter mit unterschiedlichem Aufwand möglich". Im "Ingram Micro Cloud Marketplace" soll der Reseller oder Endkunde einen derartigen Prozess sogar selbst anstoßen und vollenden. Arrow verweist in diesem Zusammenhang auf verschiedene Möglichkeiten, sich die Daten aus der Cloud zu holen: HDD-Shipping, Replikation, Migration. Diese Optionen spielen auch eine große Rolle bei der Anbieterauswahl.
Für viele Kunden ist es von entscheidender Bedeutung zu erfahren, wo sich das Rechenzentrum des Betreibers, also wo schlussendlich die oft geschäftskritischen Daten "gelagert" werden. Die von Also und Tech Data verwalteten Server befinden sich in Deutschland, die Ingram Micro Cloud wird in Amsterdam gehostet, der Standort von ArrowSphere wird vom VAD nicht kommuniziert, soll aber in einem europäischen Rechenzentrum beheimatet sein.
Chancen für ISVs
Cloud-Marktplätze werden oft danach beurteilt, ob und mit welchem Aufwand ISVs (Independent Software Vendors, unabhängige Softwarehäuser) dort ihre Lösungen einbringen können. In die ArrowSphere kommen nur "echte" Software-Hersteller rein, aber keine Spezialanbieter, etwa von Modulen für Microsoft Office 365. Grundsätzlich stehen aber alle vier Cloud-Marktplätzen Software-Anbietern offen.
Für die Integration der ISVs in die eigene Cloud-Plattform hat Ingram Micro sogar einen dedizierten Onboarding-Prozess entwickelt. Dieser Aufnahmeprozess ist für die ISVs aber mit gewissen Anforderungen verbunden. So müssen diese unabhängigen Softwarehäuser ihre Lösung auf eigenen Servern oder im Outsourcing-Verfahren betreiben, mehr Details dazu sind beim lokalen Cloud Partner Manager der Ingram Micro zu erfragen.
Es trennt sich aber die Spreu vom Weizen, wenn man die Distributoren danach befragt, ob sie On-premise-Software-Hersteller dabei unterstützen, ihre Lösungen Cloud-fähig zu machen. Also und Tech Data bieten diese Option erst gar nicht an. Ingram Micro hingegen hat eine spezielle Cloud-Enablement-Lösung ("Skykick") entwickelt, mit der sich zum Beispiel On-Premise-Module für Microsoft Office Exchange in die Cloud migrieren lassen.
Arrow hilft ISVs aktiv dabei, ihre Software in ein SaaS-Modell zu überführen und einem monatlichen Mietmodell anzubieten. Dabei greift der VAD auf seine Erfahrungen in den Bereichen Anwendungsarchitekturen, Lizenzierung von Hosting-Technologien und beim go-to-Market zurück. Hier beobachtet Arrow kontinuierlich den Markt, und versucht die Technologie-Anbieter zu identifizieren, die es ermöglichen könnten, Single-Tenant-Software ins SaaS-Modell zu überführen.
Alleinstellungsmerkmale
Zum Schluss haben wir noch die Distributoren gebeten, die Alleinstellungsmerkmale (USPs, Unique Selling Points) ihrer Cloud-Marktplätze herauszustreichen - im Vergleich zu den Cloud-Marktplätzen ihrer unmittelbarer Konkurrenz aus der Distribution und zu weiteren Hersteller übergreifenden Cloud Services-Sammelplätzen, wie etwa zur German Business Cloud oder zum Telekom Business Marketplace.
Arrow hat sicherlich viele lehrreiche Erfahrung mit ArrowSphere gesammelt, insbesondere im Hosting- und Managed Service Providing-Umfeld. Der VAD behauptet, als einziges Business-Portal umfassende Cloud-Services und SPLA-Lizenzen von den führenden Herstellern und Providern aggregiert anbieten, bereitstellen, abrechnen und darüber berichten zu können. Die Plattform zeichnet sich ferner durch speziellen Support von Hersteller-übergreifenden Solution Stack-Modellen und durch die entsprechenden Enablement-Funktionen, so Arrow.
Der "Also Cloud Marketplace" ist mittlerweile in 13 europäischen Ländern vertreten. Das Portfolio (Microsoft Office 365, Backup und Security) ist in sich schlüssig und reicht für den Anfang. Grundfunktionen für Reseller wie Mandanten- und User-Verwaltung, Business Toolset, Abrechnungssystematik und Benutzerfreundlichkeit sind vorhanden.
Der Menge an Arbeitswerkzeugen für Reseller ist in dem "Ingram Micro Cloud Marketplace" sicherlich am umfangreichsten. Neben den auch auf den anderen Marktplätzen vorhanden Modulen für die Rechnungsstellung und das Reporting, offeriert der Broadliner seinen Resellern auch spezielle Business Intelligence-Funktionen. Hinzu kommt das laut Ingram Micro einfache Management der Cloud-Services und Kunden durch die "Odin"-Verwaltungskonsole mit dem Reseller- und Customer Control Panel samt der SelfService Funktion für den IT-Administrator beim Kunden.
Außerdem gibt es in der Ingram-Wolke ein besonderes Kundenbindungsprogramm ("Elevate Program") und einen 150 Euro Startbonus für Cloud Services nach Eintritt in den IM Marketplace. Eigenen Angaben zur Folge ist der "IM Cloud Marketplace" in großen Teilen Europas (Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Italien, Spanien und Schweden) eingeführt und in Nordamerika bereits seit 2014 in Betrieb.
Tech Data nimmt für sich in Anspruch, ein besonders einfach zu bedienendes Dashboard entwickelt zu haben. Mit dem "White Label Store" glaubt der Broadliner, Partner für seinen Cloud-Marktplatz zu begeistern. Hinzu kommen spezielle APIs (Application Programming Interfaces) also Programmierschnittstellen, zu diversen Warenwirtschaftssystemen als USP.
Meinung des Redakteurs
Natürlich ist es äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, sich nur anhand von Gesprächen mit den Distributoren ein klares Bild über die Qualität ihrer Cloud-Marktplätze zu bilden. Dennoch sei mir hier eine erste Einschätzung erlaubt. Für mich macht der "Ingram Micro Cloud Market Place" den "reifsten" Eindruck. Immerhin bietet der Broadliner aus Dornach bei München einzige Zusatzlösungen für Reseller, die der Konkurrenz zu fehlen scheinen, etwa "Skykick"-Lösung zum schnelleren "Cloud Enablement" von on-premise-Software. Auch die "Odin"-Verwaltungskonsole für Reseller zur Steuerung der Cloud Services bei Endkunden verdient Beachtung.
Sicherlich ist auch der "Also Cloud Marketplace" nicht viel schlechter. Was das Reporting und Billing betrifft, dürften durch die Übernahme der norwegischen Technologie-Schmiede Nervorgrid Oy erworbenen Funktionen von Also sogar die vergleichbaren Features von Ingram Micro übertreffen. Dennoch, die noch unzureichende Unterstützung von non-Cloud-ISVs wirkt sich hier nachteilig.
Arrow ECS hat mit der ArrowSphere sicherlich die meisten Erfahrungen im Cloud-Distributions-Business gesammelt, aber auch viel verbrannte Erde hinterlassen. Der VAD ist mit einer Cloud-Aggregations-Plattform ArrowSphere sicherlich zu früh gestartet und hat daher noch einige Altlasten mitzutragen.
Über den "Tech Data Cloud Solution Store" lässt sich noch wenig sagen. Dieser Cloud-Marktplatz wird offiziell erst Mitte Oktober 2015 seinen regulären Betrieb in Deutschland aufnehmen. (rw)
Tabellarische Gegenüberstellung der Cloud-Marktplätze der Distributoren
Merkmal | Also | Arrow ECS | Ingram Micro | Tech Data |
IaaS | ja | ja | ja | ja |
PaaS | ja | ja | ja | ja |
SaaS | ja | ja | ja | ja |
SSO | nein | nein | ja | ja |
Grundgebühr | nein | nein | nein | nein |
White Label | demnächst | ja | demnächst | ja |
Staffelung je nach Partnerstatus | nein | nein | nein | nein |
Vertrag zwischen | Kunde und Reseller | Kunde und Reseller | Kunde und Reseller | Kunde und Reseller |
Mindestvertragslaufzeit | 1 Monat | unterschiedlich | unterschiedlich | 1 Monat |
Abrechnung | tagesgenau | minutengenau | Pay per Use | minutengenau |
Kunden-Verwaltung im | Partnerportal | Partnerportal | Partnerportal | Partnerportal |
Aufwand bei Anbieterwechsel | unterschiedlich | unterschiedlich | unterschiedlich | unterschiedlich |
Rechenzentrum in | Deutschland | Europa | den Niederlanden | Deutschland |
Einbindung von ISVs | grundsätzlich möglich | eingeschränkt möglich | grundsätzlich möglich | in Planung |
On-premise-Software Cloud-fähig machen | nein | ja | ja | nein |
USPs | Cloud-Marktplatz in 13 Ländern | die meisten Managed Service Provider | gute Zusatz-Lösungen ("Odin", "Skykick") | APIs zu Warenwirtschaftssystemen |