Es ist grotesk: Obwohl es sich beim Markt für Smartphones, der vermutlich noch in diesem Jahr die Schwelle von einer Milliarde verkauften Geräten überschreiten wird, um einen der größten und weiterhin am schnellsten wachsenden Bereiche in der IT handelt, ist das Segment auch eines der volatilsten und unberechenbarsten. Das gilt besonders seit 2007, als Apple einstieg und den Markt mit seinem iPhone neu definierte.
Quasi über Nacht genügte es nicht mehr, besonders gut auf einem speziellen Gebiet zu sein – etwa bei sicherer E-Mail (RIM/Blackberry), Enterprise-Anbindung (Windows Mobile) oder Individualisierbarkeit (Nokia/Symbian). Plötzlich ging es um den Gesamteindruck: User Experience, Software-Ökosystem (Apps), Fotoeigenschaften, GPS und vieles mehr. Die bis dahin gültigen Auswahlkriterien wie Gesprächsqualität oder Akkulaufzeit, die noch aus der Handywelt stammten, gerieten in den Hintergrund.
In den Grafiken der folgenden Bilderstrecke können Sie die größten Smartphone-Anbieter in verschiedenen Regionen erkennen. Die Grafiken stammen von unserer Schwesterpublikation Computerwoche.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge "Die wichtigsten Storage-Anbieter in Deutschland" und "Die wichtigsten Server-Anbieter in Deutschland".
Die Folgen der durch Apple angestoßenen Entwicklung sind fünf Jahre später noch zu erkennen. Der einstige PDA-Veteran Palm verschwand bereits 2011 vom Markt, der ehemalige Smartphone-Riese Research in Motion (RIM), der sich heute nach seinem Kernprodukt Blackberry nennt, ringt ums Überleben. Der kanadische Hersteller hatte zu lange auf seinen bewährten Business-Tugenden beharrt und die Privatkunden vernachlässigt. Nun droht dieses Image zum Fluch zu werden. Erst im Frühjahr dieses Jahres brachte die Company nach langer Wartezeit die ersten drei Modelle auf Basis des neuen Betriebssystems Blackberry 10 heraus, eine Plattform, die sich in Sachen Usability nicht vor den Konkurrenten mit Android, iOS oder Windows Phone verstecken muss.
Windows Phone schlägt Blackberry
Doch den Markt scheint das nicht zu interessieren: Im Ende Juni abgelaufenen ersten Quartal 2014 hat das Unternehmen nur rund 6,8 Millionen Smartphones ausgeliefert, davon lediglich 2,7 Millionen Stück mit Blackberry 10. Laut Gartner halbierte sich der Marktanteil von Blackberry damit nahezu von 5,2 auf 2,7 Prozent, und – was schwerer wiegt – erstmals lag er unter dem des Erzrivalen Windows Phone (3,3 Prozent). Obwohl Blackberry auch nach dem defizitären Quartal noch über ausreichende liquide Mittel verfügt, gilt der einstige Smartphone-Riese nun offiziell als angezählt.
Der deutsche CEO Thorsten Heins kündigte nach der Schlappe an, Blackberry sei offen für alle strategischen Alternativen, um Blackberry 10 voranzutreiben – auch für strategische Allianzen sowie einen teilweisen oder vollständigen Verkauf des Unternehmens.
Beim ebenfalls trudelnden Ex-Marktführer Nokia ist dieser Schritt bereits vollzogen: Kooperationspartner Microsoft kauft das Smartphone- und Handy-Geschäft zum Schnäppchenpreis von gerade einmal 3,8 Milliarden Euro, einem Bruchteil des früheren Werts. Die Finnen, die im Handygeschäft unangefochten an der Spitze waren, dabei aber den Smartphone-Trend verschliefen, beschlossen im Frühjahr 2011, die veraltete Symbian-Plattform aufzugeben und im Rahmen einer Partnerschaft mit Microsoft auf Windows Phone zu wechseln.
Mittlerweile kommen mehr als 80 Prozent der verkauften Windows-Smartphones von Nokia, während sich HTC, Huawei und Samsung die anderen 20 Prozent teilen. Immerhin scheint die Strategie, den Kunden eine breite Auswahl an Modellen mit einem weitgehend ähnlichen Look and Feel anzubieten, aufzugehen. Vom günstigen Einsteigergerät Lumia 520 bis hin zu Highend-Devices wie dem Lumia 920 und 925 gelang Nokia mit ordentlichen Absatzzahlen ein Achtungserfolg.
Auf der nächsten Seite geht es um die Entwicklung der Durchschnittspreise bei Smartphones.
Durchschnittspreis je Smartphone
Allerdings gibt es, abgesehen von den noch immer vergleichsweise geringen Marktanteilen, einen Schönheitsfehler: der relativ geringe Durchschnittspreis je Smartphone. Er ging im zweiten Quartal 2013 weiter zurück und lag bei nur 157 Dollar. Generell sehen Branchenbeobachter im Smartphone-Markt eine ähnliche Entwicklung wie bei den PCs Ende der 1990er Jahre, als sich Millionen von Anwendern mit günstigen PCs eindeckten, um online gehen zu können.
Es gehe immer weniger um die Performance und immer mehr um den Preis, erklärte Kevin Restivo gegenüber der Nachrichtenagentur „Bloomberg“. Viele Menschen ließen sich von einem Smartphone nicht mehr begeistern; ihnen genüge es, wenn das Gerät gut genug sei.
Die ersten Anzeichen für einen Abwärtstrend bei den Preisen sind bereits erkennbar: Nach Schätzungen von IDC sank der Durchschnittspreis für Smartphones seit Anfang 2012 von 450 auf 375 Dollar und bedrohe damit bereits die Umsätze und Ergebnisse der Marktführer Samsung und Apple. Wohin die Reise gehen könnte, zeigen chinesische Hersteller, die gezielt das Niedrigpreissegment adressieren und dennoch Geld verdienen. So erklärte Huawei, das Unternehmen könne im Heimatland China Smartphones für unter 100 Dollar anbieten, ohne Verluste zu erleiden. Beim Wettbewerber Lenovo hieß es, die im PC-Geschäft erfolgreiche Niedrigpreisstrategie funktioniere auch im Smartphone-Business, weil einige Konkurrenten noch aberwitzige Preise verlangten.
Angesichts dieser Entwicklung ist unklar, wie lange Apple noch an seiner Hochpreisstrategie festhalten kann. Mit dem iPhone 5C präsentierte das kalifornische Unternehmen nun nicht das erwartete Einsteigermodell für Schwellenländer, sondern gibt sich weiter exklusiv: Obwohl im Inneren weitgehend baugleich mit dem ein Jahr alten iPhone 5 und dank Polycarbonat- Gehäuse sogar noch günstiger zu produzieren, schlägt das Gerät mit 599 Euro (16-GB-Modell) zu Buche und ist damit fast so teuer wie das Vorgängermodell.
Das wird nun aus dem Handel genommen, damit Nutzer nicht auf dumme Gedanken kommen. Wer unbedingt ein Apple-Smar tphone braucht und nicht den passenden Geldbeutel dafür besitzt, muss somit notgedrungen auf das weiterhin erhältliche iPhone 4S (ab 400 Euro) ausweichen. (tö)
Autor: Manfred Bremmer