Der Boom ließ sich noch nicht absehen, und Linux war etwas, das besonders aufgeschlossene IT-Profis auf "Underground-Servern" ausprobierten, als die erste Initiative zur Zertifizierung von Linux-Kenntnissen startete. Schon 1999 entstand im kanadischen New Brunswick die Non-Profit-Organisation Linux Professional Institute (LPI). Sie wollte von den - sich damals noch recht heftig befehdenden - Distributionen des Betriebssystems unabhängig sein. Daher hat das LPI seither die einheitliche Code-Basis Linux Standard Base zur Grundlage. Im deutschsprachigen Raum ist der übergreifende Regionalbereich Central Europe zuständig. Der ist aus dem 2003 in Karlsruhe gegründeten LPI e.V. hervorgegangen und hat heute seinen Sitz in Kassel.
Das LPI ist zum Inbegriff für Linux-Zertifizierung geworden. Seine Prüfungen haben andere ersetzt. Aber es sind nicht die einzigen Angebote. Besonders bei den hochwertigen Zeugnissen gibt es Alternativen. Und ganz neu im Rennen um den Zertifizierungsmarkt ist die Linux Foundation.
Linux Professional Institute (LPI)
Das LPI versteht sich ausschließlich als Prüfungsinstitution. Es veranstaltet keine Schulungen und setzt für solche auch keine Vorgaben. Soweit sich Schulungsmaterial mit Labels wie "LPI Approved" auf dem Markt findet, bezieht sich dies auf das Programm "LPI Approved Training Materials" (LPI ATM). Das ist seit 2009 nicht mehr weltweit gültig, regionale Organisationen des LPI dürfen es aber noch verwenden.
Es gibt Fachbücher im Handel und massenhaft Material im Internet zur eigenständigen Vorbereitung auf die Prüfungen. Dies ist eine verbreitete Vorgehensweise für IT-Spezialisten mit Linux-Kenntnissen aus dem Studium oder der Praxis. Gleichwohl können die zahlreichen Anbieter von Vorbereitungskursen auf die LPI-Prüfungen nicht über mangelnde Nachfrage klagen.
Das LPI unterscheidet zwischen zwei Arten von Ausbildungspartnern: "Approved Academic Partner" (AAP) umfasst öffentliche Bildungseinrichtungen. Allein in Deutschland sind das rund 70. Daneben gibt es "Approved Training Partner" (ATP). Hierzulande sind es 33, darunter in Open-Source-Kreisen bekannte Namen wie Linuxhotel (Essen), Heinlein (Berlin), Medialinx und Open Source School (beide München). Diese Einrichtungen müssen unter anderem geeignetes Schulungsmaterial und LPI-zertifizierte Ausbilder (LPI CTs) nachweisen. Nicht alle Ausbildungspartner, AAPs wie ATPs, bieten Vorbereitung auf das gesamte Spektrum der LPI-Zertifikate an.
Die LPI-Prüfungen lassen sich auf zwei Arten absolvieren. Eine beaufsichtigte Online-Prüfung läuft über das Prüfungszentrum von Pearson VUE. Die Möglichkeit schriftlicher Prüfungen bietet das LPI bei größeren IT-Veranstaltungen wie der CeBIT oder dem Chemnitzer LinuxTag an, oft verbilligt. Dabei gilt es, Multiple-Choice- oder Textfragen zu beantworten. Ein LPI-Zertifikat verlangt in der Regel zwei Prüfungen mit jeweils 60 Fragen, wobei 500 von 800 möglichen Punkten erreicht werden müssen. Noten gibt es anschließend nicht, sondern nur das Zertifikat.
Das LPI bietet vier Zertifikate an, die zum größten Teil aufeinander aufbauen, also Vorbedingungen für das nächste Level sind. Nicht die Themen, aber die konkreten Fragen bei den Prüfungen ändern sich ständig. Es dürfte also wenig nützen, im Internet kursierende Testbögen auswendig zu lernen. Die Prüflinge müssen sich wirklich auskennen. Über die Jahre hat der hardwarebezogene Teil der Prüfungsfragen ständig abgenommen.
LPIC-1 - das älteste LPI-Zertifikat
Das älteste LPI-Zertifikat gibt es seit Januar 2000: das Zertifikat LPIC-1, auch bekannt als "Junior Level Linux Professional". Dafür sind zwei Prüfungen zu absolvieren. Die Prüfung 101 dreht sich um Systemarchitektur, Linux-Installation und Paketmanagement, GNU- und Unix-Befehle sowie Laufwerke, Dateisysteme, Verzeichnisstruktur und Filesystem Hierarchy Standards. Prüfung 102 erfordert Wissen zu Shell, Skripten und SQL, Benutzer-Interface und Desktop, administrativen Aufgaben, Systemdiensten, Netzwerkgrundlagen und Sicherheit. Hier geht es also noch relativ deutlich um Linux-Basics und den Stand-alone-Betrieb.
LPIC-2 Advanced Level Linux Professional
Deutlich stärker Server-bezogen ist das Zertifikat. Zur Zulassung ist das Zertifikat LPIC-1 erforderlich. Außerdem sind auch hier wieder zwei Tests zu schaffen: Prüfung 201 beschäftigt sich mit Kernel, Systemstart, Dateisystem, erweiterter Administration von Storage-Devices, Netzwerkkonfiguration und DNS. Prüfung 202 dreht sich um Webdienste, Freigabe von Dateien, Verwaltung von Netzwerk-Clients, E-Mail-Dienste, Systemsicherheit und Lösung von Systemproblemen.
LPIC-3 Senior Level Linux Professional
Das anspruchsvollste und spezialisierende LPI-Level ist das Zertifikat LPIC-3 "Senior Level Linux Professional". Eingangsvoraussetzungen sind die Zeugnisse LPIC-1 und -2. Hier umfasst jede Examensklausur 50 Fragen. Es gibt drei Tests: Bei der Basisprüfung LPI-300 (Mixed Environments") stehen thematisch Samba sowie die Integration von Linux- und Windows-Systemen im Zentrum. Dieser Test ersetzt die alte Prüfung 302 mit gleichem Titel; ersatzlos gestrichen ist Prüfung 301 ("Core").
Spezialisierend gibt es die erweiternde Prüfung 303 ("Security") mit den Themen Kryptografie, Zugriffskontrolle, Betriebs- und Netzwerksicherheit. Eine andere Spezialisierung ermöglicht das Examen 304 ("Hochverfügbarkeit und Virtualisierung") zu Virtualisierungstechniken, Lastverteilung, Speicher- und Cluster-Verwaltung.
Linux Essentials - für Schüler und Azubis
Ein viertes Zeugnis auf Einstiegsniveau bietet das LPI seit Juni 2012 an, das Zertifikat "Linux Essentials". Dieses Angebot richtet sich vor allem an Schüler und jugendliche Auszubildende. Die Prüfung fragt nicht nur theoretisches Wissen über die Open-Source-Community, verbreitete Distributionen, Open-Source-Anwendungen und Lizenzen ab. Es gilt auch, Basiskenntnisse zu praktischen Arbeiten mit der Kommandozeile, Scriptsprachen, Dateiberechtigungen und Sicherheit nachzuweisen.
Grundsätzlich haben LPI-Zeugnisse unbegrenzte Gültigkeit, allerdings empfiehlt das LPI "dringend" eine Rezertifizierung nach fünf Jahren. Zur Zulassung für eine nächsthöhere Prüfung darf ein Zertifikat ohnehin nicht älter als fünf Jahre sein, dann gilt es als "inaktiv". Die Rezertifizierung auf einem höchsten Level erneuert gleichzeitig die niedrigeren Zertifikate. Auf dem Level 30x ist eine Wiederholung der Prüfung nötig.
Dieses Rezertifizierungsverfahren erklärt, warum das LPI zwar rund 425.000 Prüfungen abgenommen, aber nur 150.000 Zertifikate ausgestellt hat. Die Diskrepanz ist keine Aussage über die Durchfallquote. Über die macht das LPI ebenso wenig Aussagen wie über die Zahl der Absolventen auf den verschiedenen Prüfungsebenen.
CompTIA Linux+
Eine Vielzahl von Zertifizierungsmöglichkeiten bietet der internationale IT-Branchenverband "Computing Technology Industry Association" (CompTIA) an. Dazu gehört das Zeugnis "CompTIA Linux+". Seit November 2010 steht dahinter kein eigenes Prüfungsverfahren mehr, sondern dies ist identisch mit dem Test für LPIC-1. Deswegen heißt das vor allem im US-amerikanischen Raum verbreitete Zertifikat inzwischen auch "CompTIA Linux+ Powered by LPI".
Wer dieses Zertifikat erlangt, kann schon bei der Prüfung beantragen, dass ihm auch das Zertifikat LPIC-1 ausgestellt wird. Das lässt sich dann gebrauchen für höhere LPI-Prüfungen, zu denen CompTIA nichts Vergleichbares anbietet. Außerdem lässt sich der CompTIA-Linux+-Abschluss auch noch als Zertifizierung zum "Suse Certified Linux Administrator" ausstellen. Wer's denn braucht, kann sich also gleich drei Zertifikate an die Wand hängen. Das Datum ihrer Ausstellung verrät allerdings den Trick.
Suse Linux Enterprise Server
Für Kenner der Distribution Suse Linux Enterprise Server gibt es drei Varianten der Zertifizierung. Das Einstiegslevel ist der "Certified Linux Administrator" (CLA). Das Testat bestätigt grundlegende Kenntnisse alltäglicher Admin-Aufgaben in Suse-Server-Umgebungen. Das Niveau entspricht dem ersten Professional-Level des LPI. Daher ist das Zeugnis auch überschreibbar in das Gegenstück LPIC-1.
Certified Linux Professional (CLP)
Allerdings kann ein IT-Profi auch direkt bei Suse beziehungsweise den zugelassenen Ausbildungspartnern zu höheren Weihen kommen. Die folgenden Zertifikate sind allerdings nicht äquivalent zu den LPI-Stufen. Als Erstes wäre da der "Certified Linux Professional" (CLP). Das Zeugnis bescheinigt Fähigkeiten zur Verwaltung von Suse-basierten Systemen im Rechenzentrum, wobei hier auch Samba-Kenntnisse gefragt sind. Prüfungsvoraussetzung ist das CLA-Zeugnis.
Certified Linux Engineer (CLE)
Das dritte Suse-Testat, der "Certified Linux Engineer" (CLE), ist die höchste Qualifikationsstufe. Verlangt werden dafür die Erfüllung anspruchsvoller Administrationsaufgaben und weitreichende Kenntnisse zur Architektur von unternehmensweiten und heterogenen Systemnetzen. Für die Prüfung sind die Zertifikate CLA und CLP Voraussetzung.
Alle drei Suse-Zeugnisse tragen eine Zahl nach dem Zertifikatstitel. Diese zeigt an, für welche Version von Suse Linux Enterprise Server das Zertifikat gilt. Zur Prüfungszulassung muss das Eignungszertifikat zur aktuellen Version oder zur Vorversion gelten. Für CLE 11 braucht es also CLP 11 oder 10.
Die Suse-Prüfungen legen deutliches Gewicht auf Praxisfähigkeiten. Ein wesentlicher Teil der Prüfung ist die Hands-on-Bewältigung von typischen Administrationsaufgaben. Dabei ist es erforderlich, Probleme unter Zeitdruck zu lösen.
Red Hat Enterprise Linux
Auch der Linux-Distributor Red Hat bietet drei aufeinander aufbauende Zertifikate an. Das frühere Einstiegslevel "Red Hat Certified Technician" (RHCT) gibt es nicht mehr. Seit Version 6 von Red Hat Enterprise Linux heißt es "Red Hat Certified System Administrator" (RHCSA). Ein für Version 5 erhaltenes RHCT-Zeugnis lässt sich in den neuen Titel umwandeln, reicht aber nicht für die folgenden höheren Prüfungen. Dafür braucht es eine Neuzertifizierung.
Red Hat bietet mit Schulungspartnern und Universitäten zur Vorbereitung auf das Examen "EX200" für den RHCSA diverse Schulungen an. Darunter gibt es auch einen "Rapid Track Course" für Leute mit Linux- oder Unix-Admin-Kenntnissen, ferner zwei Kurse für Windows-erfahrene Administratoren. Ansonsten bestehen keine formalen Eignungsvoraussetzungen für die Prüfung zum RHCSA.
Red Hat Certified Engineer (RHCE)
Die nächsthöhere Stufe ist der "Red Hat Certified Engineer" (RHCE). Die Zertifizierung bescheinigt nach Angaben des Distributors Fähigkeiten eines "leitenden Systemadministrators". Erforderlich für die Prüfung ist das Zeugnis RHCSA. Ferner bietet Red Hat zwei Kurse für Unix-Administratoren mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung und drei Kurse für Windows-Spezialisten mit wenigstens minimalen Linux-Kenntnissen an.
Red Hat Certified Architect (RHCA)
Höchste Stufe ist das Zertifikat "Red Hat Certified Architect" (RHCA). Hier geht es explizit um mehr als Linux-Wissen und -Administration, sondern um breiteres Wissen zu anderen Angeboten aus dem Hause Red Hat. Entsprechend hoch sind die Voraussetzungen. Außer dem RHCE muss man zuvor fünf Zertifikate aus einem Spezialportfolio von 13 Red-Hat-Zeugnissen mitbringen. Dabei geht es um Themen wie Open Stack, Hybrid Cloud Storage, Jboss-Administration, Virtualisierung, Security, SElinux Policy, Clustering, Performance-Tuning oder Platform-as-a-Service. Red Hat empfiehlt den Besuch von acht Schulungen. Die führen für sich auch zu den erforderlichen Red-Hat-Abschlüssen in den Spezialgebieten.
Linux Foundation: Introduction to Linux
Das jüngste Zertifizierungsprogramm kommt von der Linux Foundation und ist kaum ein halbes Jahr alt. Es ist die Weiterentwicklung des "Massively Open Online Course" (MOOC) "Introduction to Linux". An diesem Programm, angeboten auf der "edX"-Plattform, haben in den ersten zwölf Monaten rund 300.000 Personen teilgenommen, fast ein Drittel davon aus den USA. Allerdings gibt es keine Hinweise, wie viele Leute auch das ganze Tutorium mitgemacht haben.
Linux Foundation Certified System Administrator (LFCS)
Gleichwohl hat die Linux Foundation den Zuspruch als Anlass gesehen, im August vorigen Jahres zwei eigene Zertifizierungen aufzusetzen. Das Zeugnis "Linux Foundation Certified System Administrator" (LFCS) soll Kenntnisse mittleren Levels zur Administration und zum Troubleshooting in Linux-Umgebungen bescheinigen. Ein "Linux Foundation Certified Engineer" (LFCE) soll in der Lage sein, Systemarchitekturen zu entwickeln und zu implementieren. Er soll zudem über grundlegendes Wissen über das Betriebssystem hinaus verfügen.
Die Prüfungsanforderungen sind nach den Informationen auf der Website der Linux Foundation den Qualifikationen entsprechend. Es gibt noch keine formalisierte Ausbildung oder Angebote durch Schulungspartner. Die Stiftung bietet ein Handbuch und einen "Certification Preparation Guide" zur Vorbereitung auf die Prüfung an. Die ist schon einen Tag nach der Anmeldung möglich, kann aber auch erst ein Jahr danach erfolgen.
Die Examen legt man daheim am PC ab. Der braucht kein Linux, sondern nur einen Webbrowser, Internetanschluss, Webcam und Mikrofon. Den Schwerpunkt der Prüfungen legt die Linux Foundation nicht auf Multiple-Choice- oder theoretische Fragen. Vielmehr sind unter Zeitdruck über die Kommandozeile bestimmte Probleme zu lösen.
Die Probanden können vor der Prüfung auswählen, für welches Betriebssystem sie zertifiziert werden möchten. Zur Wahl stehen CentOS (also Richtung Red Hat Enterprise Linux), openSUSE (Richtung Suse Linux Enterprise Server) oder Ubuntu. Nach ersten Angaben der Linux Foundation haben sich die Hälfte der Kandidaten für Ubuntu entschieden, 45 Prozent für CentOS und fünf Prozent für Suse.
Vor wenigen Tagen hat die Linux Foundation mitgeteilt, den Kurs "Introduction to Linux" um eine weitere Online-Schulung zu ergänzen: "Essentials of System Administration" soll Basiswissen für die Betreuung von Linux-Umgebungen vermitteln. Diese Schulung könnte sich zur Vorbereitung auf die LFCS-Prüfung anbieten. (wh)
Mehr Informationen zu Linux-Zertifikaten
Linux Professional Institute: http://www.lpice.eu/
CompTIA: http://certification.comptia.org/getCertified/certifications/linux.aspx
Linux Foundation: http://training.linuxfoundation.org/