Stereo-3D ist nichts Neues, hat aber laut Unternehmensberater Lutz Möhr von DNS Consult und 3D-CC mit moderner Technik die Chance, vom immer wieder aufflackernden Strohfeuer zum Dauerbrenner zu werden. Viele Wege führen nach Rom und zu 3D. Die perfekte Technologie gibt es noch nicht, manche erzeugen aber die realistischeren dreidimensionalen Bilder, andere verursachen bald Schwindelgefühle bis hin zu Übelkeit.
Aufgenommen wird meist noch mit zwei Kameras (DSC oder Video), die etwa im selben Abstand wie die Augen (65-73 cm) auf einem Schienensystem montiert werden und zeitgleich auslösen oder aufnehmen müssen. Fujitsu hat im Herbst 2009 eine 3D-Fotokamera mit 2 x 10 Megapixel für gerade mal 499 Euro auf den Markt gebracht. Panasonic hat auf der CES 2010 in Las Vegas den ersten Full-HD-3D-Camcorder enthüllt. Dieser kostet allerdings weit über 16.000 Euro.
Kleine Historie
Um 1850 gab es schon die ersten 3D-Fotos, 1903 der erste 3D-Schwarzweißfilm, 1922 der erste 3D-Kinofilm, damals noch im anaglyphen Rot-Grün-Verfahren gedreht. Der erste Versuchsfilm im Polarisationsverfahren war die "Gartenschau in Dresden" von 1937. Einen nie wieder erreichten 3D-Kino-Hype gab es in den 1950er Jahren. "Bei Anruf Mord" hat Alfred Hitchcock 1954 im Polarisationsverfahren gedreht. Der große Regisseur war aber wie viele seiner Kollegen mäßig begeistert vom Ergebnis und tat es nie wieder. Auf der Expo 1986 in Vancover war dann IMAX 3D geboren. Dabei wird 2008 hat IMAX bekannt gegeben alle Filmtheater auf digitale DLP-Technik von Texas Instruments umzustellen. Meist erhält der Zuschauer eine Polarisationsbrille, teilweise auch eine infrarot-gesteuerte aktive LCD-Shutterbrille. Beide Technologien können durch Flimmern oder Aussetzer Unwohlsein bereiten. Das auf Projektion basierende RealD-Polarisationsverfahren arbeitet zirkular, was gegenüber dem von IMAX 3D verwendeten linearen den Vorteil hat, dass die Bilder bei Neigung des Kopfes nicht schwarz zu werden drohen, sondern höchstens eine leicht andere Färbung erhalten.
Die Fußball-WM 2010 wurde schon in 3D gefilmt, in Deutschland hat das aber kaum einer gemerkt. In anderen Ländern, unter anderem auch in England und Frankreich ist man da schon weiter, so wie auch bei HD-Empfangsmöglichkeiten. Sport ist nach Meinung vieler Teilnehmer der von Lutz Möhr Mitte Juli veranstalteten vierten internationalen S3D Today & S3D-Expo ein wichtiger Motor für 3D-TV. Fußball ist in Europa sicherlich die Sportart Nummer eins, ob sich diese allerdings für 3D-Übertragung eignet, da kommen so manch einem Zweifel. Denn gerade in der Tiefe ist es schwierig, 3D herüberzubringen. Die besten 3D-Effekte zeigen sich bei Hallensportarten wie Basketball oder bei Tennis. In beiden Fällen gibt es wesentlich mehr Close-ups als bei Fußball.
Technologie-Überblick
Vor der WM ist für die Hersteller von 3D-TVs nach der WM, schließlich wurden die Spiele schon dreidimensional aufgenommen, auch wenn in Deutschland kaum etwas davon ankam. ChannelPartner nennt die die wichtigsten S3D-Technologien, ihren Einsatzzweck sowie ihre Vor- und Nachteile. Zunächst dies vorweg: "Künstlich erzeugte Bilder müssen den Gesetzen des natürlichen Sehens entsprechen", betont Möhr, ansonsten könne es zu Irritationen, Schwindelanfällen, Kopfschmerzen und Übelkeit kommen.
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Anaglyph- oder "Rot-Grün"-Brille mit Papier, allen Display-Typen und Projektoren
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Shutterbrille mit einem Projektor, TFT-, Plasma oder CRT-Display
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Interferenztechnik mit Infitec-Brille und 1 oder 2 Projektoren ohne Spezialleinwand
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Polarisationsbrille mit einem oder zwei Projektoren und Spezialleinwand
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Polarisationsbrille mit 3D-fähigem TFT-Display
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HMD (Head Mounted Displays, z.B. von Zeiss)
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Autostereoskopie: verschiedene Technologien für räumliches Sehen ohne Brille
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verschiedene Drucktechniken: lentikular, holografisch und Mikro-Film-Laser
Anaglyph-Brillen
Das erste 3D-Verfahren war das mit Anaglyph-Farbfiltern. Anfangs verwendete Rot-Grün-Brillen haben aufgrund einer schlechten Farbdarstellung (auch bei Schwarz-Weiß-Bildern) vielfach gar nicht überzeugt oder Unwohlsein hervorgerufen. Heutige Rot-Cyan-Brillen bieten eine gute bis sehr gute Farbdarstellung. Vorteil des anaglyphen Verfahrens ist, dass keine Display-Technologie und auch Papierausdrucke davon nicht ausgeschlossen sind. Außerdem sind die Farbfilterbrillen unschlagbar günstig. Allerdings wird vor einer längeren Benutzung gewarnt, weil die Augen durch die verschiedenen Filterfarben unterschiedlich belastet werden.
Polarisationsverfahren
Bei diesem Verfahren wird das Licht für das linke und rechte Bild jeweils im Gerät polarisiert. Die benötigte Brille besteht ebenfalls aus zwei Polfiltern. Bei der Projektion mit einem oder zwei Beamern ist jeweils eine silberbeschichtete Spezialleinwand nötig, was ganz schön ins Geld gehen kann. Bei der linearen Polarisierung sollte man darauf achten, den Kopf nicht zu neigen, weil es sonst zum Übersprechen (Ghosting) oder dazu kommen kann, dass mit der Polfilterbrille auf einem Auge gar nichts mehr sieht. Bei der zirkularen Polarisation wird das Licht auch erst linear polarisiert und dann mit Hilfe eines Lamba/4-Verzögerungsfilters in Drehung versetzt, wodurch bei Neigung des Kopfes weniger Bildinformationen verloren gehen. Beide Verfahren sind nicht kompatibel zueinander. Zirkularbrillen für TFT-Displays können je nach Hersteller oder Modell vier verschiedene lineare Ausrichtungen haben, bei unter anderem von Hyundai eingesetzten RealD-Verfahren ist es die 0°/0°-Auserichtung, bei Acers 3D-Notebooks sind es -45°/-45°, bei anderen TFTs 45°45°. Vorteil bei TFTs ist, dass der 3D-Modus ausgeschaltet werden kann, um normale 2D-Sendungen sehen zu können. Bei CAD/CAM und bei der Entwicklung von Spielen ist das meist die bevorzugte Technologie, weil man länger am 3D-Bildschirm sitzen kann, ohne Kopfschmerzen oder Übelkeit zu erleiden.
Shutterbrillen
Egal ob 3D-fähige Beamer, TFT-Monitore, Notebooks, LCD-, Plasma- oder CRT-TVs (Röhrenfernseher), die meist verbreitete Technik daheim oder im Büro ist die mit aktiver LCD-Shutterbrille. Mit Nvidia und GeForce 3D Vision hat sie einen wichtigen Promotoren in der IT-Welt gefunden. DisplaySearch zufolge wird die Technologie mindestens bis 2018 zusammen mit LCD-TVs ihren Siegeszug fortsetzen. Infrarot-gesteuert wird abwechselnd das linke oder rechte Halbbild dargestellt. Voraussetzung ist eine Mindest-Frequenz von 100/120 Hz, wodurch sich jeweils die Hälfte für das linke und das rechte Auge ergibt. Bei LCD-Fernsehern geht der Trend zu 200/240 Hz, weil sich bei der 100/120-Hz-Technologie schnell Ghosting-Effekte bemerkbar machen können.
Panasonic zufolge reichen bei LCD-TVs noch nicht mal die 240 Hz. Plasma würde zwar mit weniger auskommen, aber die eigenen 3Dfähigen Plasma-Geräte haben nicht nur neue Leuchtstoffe erhalten, sondern auch 600-Hz-Panels. Leider sind die Brillen auf die jeweiligen Geräte zugeschnitten und in der Regel nicht austauschbar. Außerdem sind die Gläser nicht gerade günstig, kabellose kosten meist über 100 Euro.
Ein weiterer Nachteil ist die Gefahr von Flimmern, weshalb einem schnell schwindlig oder übel werden kann. Unabhängig von der Technologie, kann dies auch auftreten, wenn die Parallaxe zu groß gewählt wird. 3D-Spiele können so schnell zur Qual werden. Bei "Avatar" hat sich James Cameron dahingehend bewusst zurückgehalten. Die 3D-Effekte des 3-Milliarden-Dollar-Erfolgs sind übrigens zu 60 Prozent animiert, sprich im Computer entstanden.
Brillenlose Zukunft
Die koreanischen Marktforscher von DisplayBank sagen voraus, dass 3D-TV ohne Brille eine der wichtigsten Display-Technologien der nächsten zehn Jahre sein wird. Gute Ansätze für solche autostereoskopischen 3D-Bildschirme gibt es viele, auch wenn das Problem der Blickwinkel- und Abstandsabhängigkeit noch recht groß ist. In der Regel handelt es sich um LCDs mit Spezialfolie oder S3D-Adapterscheibe, die sich auch nachrüsten lässt und sogar Multi-View erlaubt. Die Qualität hat sich deutlich gebessert, für unbeschwerten 3D-Kinogenuss ist es aber noch viel zu früh.
LG und Toshiba haben schon brillenlose Public Displays vorgestellt. Shopping Malls und andere Verkaufszentren werden derzeit als wichtigste Anwendung gesehen, schließlich will man mit 3D ein großes Publikum erreichen und ist es wenig sinnvoll, jedem, der vorbeiläuft, eine 3D-Brille aufzusetzen. Bei brillenlosen S3D-TFT-Displays gibt es verschiedene Dual-View-Ansätze mit oder ohne Tracking, manche sogar in der Z-Achse, die meisten nur mit R+L-Tracking. Wichtige Forschungsarbeit mit Blick auf brillenloses 3D leistet unter anderem das Berliner Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Auf der IFA wird es verschiedene Multi-View-Lösungen zeigen, wobei noch nicht mal ein 100- oder gar 200-Hz-Fernseher nötig ist. 50 (bzw. 60 Hz bei NTSC) tun es auch. (kh)