Viele Unternehmen stellen sich die Frage, wie sie sich deutlich vom Wettbewerb in punkto Service und Vertrieb abgrenzen können. Neben den althergebrachten Inbound-Telefonielösungen die in der Regel über ein Contact Center gesteuert werden, möchten sie eine direktere und emotionalere Kundenansprache realisieren. Doch wie gelingt dieses und was muss man dabei beachten?
Wenn Unternehmen planen, eine Videoberatung einzuführen, sollte die Betrachtung der Anwendungsfälle an erster Stelle stehen. Es bedingt eine gewisse Transferleistung, die Möglichkeiten einer Videoberatung mit dem eigenen Serviceangebot konzeptionell in Einklang zu bringen. Viele Fragen müssen geklärt werden:
Was möchte man erreichen, welchen Prozess möchte man verbessern?
Stehen die erforderlichen Hard- Softwarevoraussetzungen bereit?
Soll der Dienst aus der Cloud oder On-Premise bezogen werden?
Ist die eigene IT-Landschaft für eine Videoberatung vorbereitet?
Auf welchen Endgeräten (Formfaktoren) soll die Beratung angeboten werden können?
Wo und an welcher Stelle soll die Videoberatung im Internetauftritt angeboten werden?
Geht es überhaupt um Inbound, oder ist der Use-Case auf Outbound ausgerichtet, oder beides?
Ist eine fallabschließende Beratung mit unterzeichnetem Vertrag relevant?
Müssen die Daten in Backend-Systeme überführt werden können?
Was sagt der Betriebsrat dazu?
Wie motiviere ich die Mitarbeiter, an einem Videoberatungsplatz zu arbeiten?
Diese und viele Fragen mehr gilt es in einem Videoberatungsprojekt zu beantworten. Ich möchte Sie nicht abschrecken, sondern ermutigen Ihr Vorhaben voranzutreiben. Jedoch möchte ich an dieser Stelle aufzeigen, dass die Einführung einer Videoberatungslösung nicht "mal eben" so nebenbei erfolgen kann.
Verbesserung der Vertriebsprozesse
Die erste und durchaus schwierigste Frage, die Sie beantworten müssen ist, ob mit der Einführung einer Videoberatungslösung in Ihrem Unternehmen eine signifikante Verbesserung des Vertriebsprozesses einhergeht. Gerne möchte ich hierzu an einem fiktiven Anwendungsfall zeigen, wo eine Videoberatungslösung durchaus Sinn machen kann.
Nehmen wir ein Unternehmen, das Betriebe mit IT-Komponenten für die Bürokommunikation versorgt. Diese Komponenten unterliegen einem natürlichen Verschleißprozess und müssen demnach regelmäßig ausgetauscht werden. Hierzu besucht ein Vertriebsmitarbeiter den Kunden in regelmäßigen Abständen und versucht, ihn davon zu überzeugen, weiterhin auf die Produkte des Unternehmens zu setzen. Nicht selten kommt das Beratungsgespräch zu dem Ergebnis, dass sich die Gegebenheiten beim Kunden geändert haben und eine andere Technologie als die vom Vertriebsmitarbeiter ausgearbeitete Lösung zum Einsatz kommen müsste.
Da der Vertriebsmitarbeiter leider nicht auf die notwendigen Angebots- und Kalkulationsressourcen zugreifen kann, muss er unverrichteter Dinge wieder zurück ins Büro fahren, um das Angebot an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Unter Umständen kommt es vor, dass dieser Prozess sogar mehrfach ausgeführt wird, da neben der Technik auch noch weitere Sachverhalte wie Vertragslaufzeiten, Kündigungsfristen oder Sondervereinbarungen berücksichtigt werden müssen.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass ein schneller Vertriebsabschluss in solch einem Prozess nur sehr schwer möglich ist. Zugegeben, ein solches Beispiel wird man im wahren Leben, wenn überhaupt, nur sehr selten antreffen. Stellen wir uns trotzdem einmal die Frage, ob und wie dieser Prozess mit einer Videoberatungslösung verbessert werden kann.
Ablauf eines Videoberatungsgesprächs
Der Vertriebsmitarbeiter kontaktiert den Kunden und bittet um einen Termin zwecks Durchsprache des Vertrages, allerdings nicht vor Ort, sondern per Videoberatung am PC. Sobald ein Termin gefunden wurde, generiert der Vertriebsmitarbeiter eine E-Mail-Einladung mit den Einwahldaten für den Kunden.
Zum festgelegten Zeitpunkt verbindet sich der Vertriebsmitarbeiter mit der Videoberatungslösung. Sein Arbeitsplatz ist mit zwei Monitoren, Headset und einer Kamera ausgestattet. Sobald auch der Kunde der Videokonferenz beigetreten ist, überträgt der Vertriebsmitarbeiter sein Videobild auf den Bildschirm des Kunden. Jetzt kommt es darauf an, ob der Kunde ebenfalls über eine Videokamera sowie Lautsprecher und Mikrofon verfügt, und ob die Bandbreite an seinem Internetanschluss für die Videokommunikation ausreichend ist. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann die Beratung über Browser und VoIP (Voice over IP) erfolgen. Ist dies nicht der Fall, müsste zumindest der Audioteil über das Telefon geführt und gegebenenfalls auf Video verzichtet werden.
Wichtig ist, dass der Kunde sich entspannt zurücklehnen kann, um die Beratung auf sich wirken lassen. Je weniger er selbst einstellen muss, desto besser. Der Vertriebsmitarbeiter führt den Kunden nun durch das Produktportfolio. Er kann sehr schnell auf Änderungswünsche des Kunden reagieren und diese in Echtzeit in das Beratungsgespräch einfließen lassen.
Nachdem eine passende Lösung gefunden wurde, fehlt nur noch die Unterschrift des Kunden. Im Normalfall müsste der Vertriebsmitarbeiter nun den neuen Vertrag ausdrucken, dem Kunden zum Beispiel auf dem Postweg zukommen lassen und auf eine Unterschrift hoffen.
Dieser Medienbruch von Online zu Offline sollte tunlichst vermieden werden. Einige Lösungen am Markt unterstützen bereits die digitale Unterschrift, ähnlich wie man sie von der Paketzustellung kennt. Auf Knopfdruck kann der Vertriebsmitarbeiter nun ein Unterschriftenfeld auf dem Smartphone des Kunden erzeugen, auf dem dieser den Vertrag signieren klann. Manche Lösungen am Markt beherrschen zusätzlich zu dieser Funktion auch die Möglichkeit einer SMS- oder TAN-Abfrage für ältere Mobiltelefone.
Wo liegen die Vor- und Nachteile einer Videoberatungslösung?
Beginnen wir mit den Vorteilen. Wie im oben genannten Beispiel kann man klar erkennen, dass der Vertriebsprozess positiv unterstützt werden kann. Der Mitarbeiter kann schnell reagieren, hat alle Ressourcen im Zugriff, spart Reisezeit und Kosten und kann mehr Beratungstermine wahrnehmen.
Aber die Kehrseite der Medaille sollte auch betrachtet werden. Geschäft wird zwischen Menschen gemacht. Wenn wir uns ausschließlich auf die neuen Technologien beschränken, fällt die zwischenmenschliche Komponente vollkommen weg. Ich bin der Meinung, dass in den allermeisten Fällen nicht nur Preis oder Funktionsumfang über den Zuschlag für ein Projekt entscheiden. Genauso wichtig ist eine vertrauensvolle Basis zwischen dem Vertriebsmitarbeiter und dem Kunden, die nur durch einen persönlichen Kontakt entstehen kann.
Eine Videoberatungslösung ist also mit Sicherheit eine große Unterstützung und kann gerade auch im Bestandskundenumfeld gut eingesetzt werden. Es ist aber riskant, sich ausschließlich auf dieses Medium zu verlassen. (haf)