In einer repräsentativen Befragung hat der Bitkom kürzlich die Cloud-Pläne deutscher Firmen abgefragt. Ein Aspekt dabei war auch, welche Ziele sie damit verfolgen. Wenig überraschend standen Kostenreduzierungen (62 Prozent), Erhöhung der IT-Sicherheit (57 Prozent), der Aufbau von Plattformen zur Kooperation mit Dritten (50 Prozent) sowie die Entwicklung innovativer Produkte und Dienste (49 Prozent) im Vordergrund.
Aufhorchen lässt jedoch, dass 44 Prozent in der Cloud einen Ausweg aus der Hardware-Knappheit für den Betrieb eigener Server sehen. Eigentlich dachte man, die Verknappung von Bauteilen und Hardware in der Pandemie sei inzwischen überwunden. Sind Kunden diesbezüglich einfach traumatisiert? Oder bremsen echte Lieferschwierigkeiten ihre Projekte?
Lieferschwierigkeiten sind Vergangenheit
"Bei uns gibt es schon länger keine nennenswerten Lieferprobleme mehr", betont Gerry Steinberger, Leiter Partner-Ökosystem Deutschland bei Hewlett Packard Enterprise, auf Anfrage von ChannelPartner. Seit einiger Zeit sichert HPE zusammen mit der Distribution für eine Reihe von Servern sogar eine Lieferzeit von wenigen Tagen zu.
Auch Dieter Stehle, General Manager der Lenovo Infrastructure Solution Group DACH, berichtet: "Wir liefern 96 Prozent unserer Bestellungen bei Server-Hardware innerhalb von zehn Tagen an Kunden und Partner aus. Damit liegen wir auf oder sogar über dem Branchenstandard für Lieferzeiten bei Server-Hardware."
Aktuell sehe Lenovo "keine signifikanten Engpässe" in der Verfügbarkeit seiner Produkte. "Die wenigen, die es gibt, sind auf die enorme Nachfrage zum Beispiel nach Grafikbeschleunigern am Markt zurückzuführen."
Für KI-orientierten Beschleuniger-Karten räumt auch Fujitsu "kleine, vorübergehende Einschränkungen" bei der Lieferfähigkeit ein. Generell habe man bei der Verfügbarkeit der Server-Systeme in den vergangenen 18 Monaten aber eine "stabil gute Verfügbarkeit aufweisen" können.
Auch deutsche Anbieter sind lieferfähig
Guido von Klitzing, Vertriebsleiter bei Thomas-Krenn, sieht ebenfalls "gewisse Engpässe" bei einigen Komponenten. "Wer seine Hausaufgaben macht, bekommt das aber in der Regel sehr gut in den Griff", sagt von Klitzing.
Sein Unternehmen habe die Hausaufgaben schon lange gemacht: "Wir waren während der Pandemie durch unsere sehr gute Logistik und Planung überdurchschnittlich lieferfähig und stehen jetzt entsprechend grundsätzliche noch besser da." Einzelne Anbieter könnten durchaus längere Lieferfristen haben, das würde er "jedoch nicht als strukturelles Problem der ganzen Branche einschätzen."
Auch in Meuselwitz kann man "derzeit keinerlei Lieferengpässe bei Server-Systemen verzeichnen. Unsere Kunden profitieren von der Zuverlässigkeit unseres flexiblen Built-to-Order-Prinzips, welches die Verfügbarkeit der meisten Standard-Server innerhalb kürzester Zeit gewährleistet", sagt Bogdan Kruszewski, Leiter Produktmanagement Server, Storage und Cloud bei Bluechip. "Selbst für umfangreichere KI-Server haben wir die Lieferzeiten signifikant auf nur wenige Wochen reduziert."
Knapp 400 Kilometer nordwestlich, im ostwestfälischen Hüllhorst, bemerkt man dagegen durchaus eine gewisse Verknappung. "Durch die Reduzierung der Produktionskapazitäten gerade bei Produkten wie Arbeitsspeicher, SSD und Festplatten lässt die Verfügbarkeit aktuell zu wünschen übrig, durch die Knappheit sind die Preise zudem empfindlich gestiegen und die Preissteigerungen müssen mittlerweile an die Kundschaft weitergegeben werden", teilt Wortmann auf Anfrage mit. Momentan sehe es speziell bei hochkapazitiven Festplatten auch nicht danach aus, dass die Verfügbarkeit besser wird.
Allerdings sieht sich Wortmann gut gerüstet. "Da wir die Anzeichen einer drohenden Verknappung rechtzeitig wahr- und ernstgenommen haben, sind wir zwar auch betroffen, haben aber die Lagerbestände und Bestellmengen rechtzeitig erhöht und machen das auch weiterhin." Dank Produktionsstandort in Deutschland und der erhöhten Bestände könne man besser auf sich verändernde Bedarfe reagieren und "Kundenwünsche zeitnah erfüllen".
Traumatisierte Unternehmen und Cloud-Rückkehrer
Bluechip-Manager Kruszewski sieht die in der Branche wahrgenommenen und in der Bitkom-Umfrage angesprochenen Lieferprobleme und Verzögerungen eher als Nachwirkungen der Corona-Pandemie und des Marktbooms bei Grafikkarten und KI-GPUs. Diese Ereignisse seien in den Köpfen immer noch präsent. "Wir möchten jedoch betonen, dass diese Wahrnehmung nicht länger der Realität entspricht, da sich die Verfügbarkeit dieser Komponenten bereits normalisiert hat", heißt es von Bluechip.
Ähnlich äußert sich auch Lenovo-Manager Stehle: "Es ist verständlich, dass Bedenken hinsichtlich Lieferverzögerungen bestehen, insbesondere nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie und vorübergehenden Engpässen bei Einzelkomponenten." Er kann daher nachvollziehen, dass Unternehmen eine kurzfristige Verlagerung in die Cloud als Lösung sehen darstellen, wenn Hardware knapp ist.
Stehle fügt aber hinzu: "Die Voraussetzung dafür ist jedoch immer eine längerfristige Hybrid-Cloud-Strategie. Nur so können die Vor- und Nachteile einer Cloud balanciert und ergebnisorientiert sinnvoll genutzt werden."
Da stimmt auch Gerry Steinberger aus HPE-Sicht zu: "Insgesamt gehen unsere Kunden sehr rational und aufgeklärt mit dem Thema Cloud um: Die Grundlage ist oft eine Hybrid-Cloud-Strategie, und dann wird pro Workload nach technischen, rechtlichen und geschäftlichen Kriterien entschieden, was der beste Platz dafür ist: das Edge, das eigene oder ein Colocation-Rechenzentrum, ein lokaler Service Provider oder die Public Cloud.“
Nicht alle flüchten in die Cloud - manche auch aus der Cloud
Weil während der Coronapandemie nicht alle Hersteller lieferfähig waren, "mag schon etwas hängengeblieben sein", mutmaßt Thomas-Krenn Vertriebsleiter Guido von Klitzing. "Ohne einen genaueren Blick auf die Daten geworfen zu haben, können wir jedoch die Ergebnisse des Cloud Report insgesamt zumindest aus unserer Sicht nicht komplett teilen."
Vielmehr sehe Thomas-Krenn derzeit "eine nicht unerhebliche Menge an 'Cloud-Exit-Projekten', bei denen zumindest der Weg aus der kompletten Public-Lösung in eine hybride Umgebung gesucht wird." Als Gründe würden Kunden unter anderem die teils sehr komplexen Lizenzmodelle sowie die teilweise nicht eingelösten Kostenversprechen nennen. "Das Geschäft von Thomas-Krenn entwickelt sich daher sehr gut, wozu zum Beispiel unsere Azure-Stack-HCI-Lösungen ihren Beitrag leisten, die eben für hybride Infrastrukturen ideal geeignet sind.
Viele der Anbieter haben inzwischen ein eigenes Cloud-Angebot. Deshalb können sie Kunden auch dann unterstützen, wenn sich die von eigenen Servern verabschieden wollen. "Dank des ganzheitlichen Portfolios, das auch Cloud-Service-Provider umfasst, entstehen für Lenovo durch eine solche Marktentwicklung keine Nachteile", fasst etwa Stehle zusammen.
Unabhängig von Lieferschwierigkeiten hält Fujitsu Cloud-Modelle für seine Kunden für interessant, da sie eine gewisse Datenflexibilität gewährleisteten. "Vor der Nutzung entsprechender Modelle sollten jedoch Sicherheits- und Agilitätsaspekte gründlich geprüft werden", empfiehlt der Anbieter. "Wichtig ist, ob der Cloud-Anbieter Aspekte wie Datensouveränität, Kosten, CO2-Ausstoß und andere Faktoren mit den Unternehmenszielen in Einklang bringt. Es gibt auch Cloud-Modelle, die höhere Datensicherheit und Flexibilität bieten, wie zum Beispiel On-Premise-Modelle, private Cloud-Angebote, Modelle lokaler Cloud-Provider und nutzungsabhängige Bezahlmodelle."
Fujitsu setze klar auf Hybrid-Cloud-Angebote, da diese den Kunden die notwendige Flexibilität und Datensouveränität böten. "Sie ermöglichen eine einfache und bedarfsgerechte Bestellung, flexible Bezahlung, dynamische Ressourcenverwaltung und Online-Updates. Eine Kombination aus hybrider Cloud und eigenem, sicherem Rechenzentrum erfüllt unserer Erfahrung nach die Anforderungen unserer Kunden am besten."