Mit dem Gluster-Kauf will Red Hat beim Management von Big Data und unstrukturierten Daten mitspielen. Aber der Abstand zu den Marktführern ist noch groß.
von Hartmut Wiehr
Gartner hat jüngst bei seinem Magic Quadrant für Virtualisierung auf die neue Rolle von Red Hat hingewiesen: Der ehemalige Linux-Player hätte – so die Analysten – durchaus das Zeug, von einem Nischenanbieter für Virtualisierung zu einem "Visionär" aufzusteigen.
Red Hat hat nicht nur einen besonderen Ansatz bei seinem Hypervisor KVM (Kernel-based Virtual Machine) gewählt: Der Hypervisor und damit die Grundlage für die Zuweisung von Virtuellen Maschinen ist direkt in das Betriebssystem eingebaut. Darüber hinaus versucht man sich bei Cloud-Services zu profilieren, wobei die bestehenden Kundenkontakte im Betriebssystemumfeld nützliche Dienste leisten. Im Unterschied zu anderen Linux-Distributoren hat sich Red Hat schon länger auf das Gebiet von Dienstleistungen vorgewagt und damit den Hauptanteil der Umsätze getätigt.
Mit dem Kauf des Storage-Spezialisten Gluster geht jetzt man noch einen Schritt weiter. Red Hat sieht in dem Storage-Spezialisten Gluster "einen der führenden Anbieter von Open-Source-Storage-Lösungen für die Verwaltung unstrukturierter Daten". Mit dieser Technologie könne man jetzt den Unternehmen völlig neue Möglichkeiten bei der Verwaltung von "Big Data" bieten – gemeint sind die riesigen Mengen unstrukturierter Daten aus Log-Files, Virtuellen Maschinen, E-Mail, Audio, Video oder Textdokumenten.
Konkurrenten gut beobachtet
Offenbar hat Red Hat die Konkurrenten gut beobachtet, als diese damit begannen, sich für "Big Data" zu interessieren. Dabei geht es immer darum, den wachsenden Berg an unstrukturierten Daten bei den Speicherprozessen zu bewältigen und diese möglichst in Echtzeit oder ohne größere Zeitverluste zu analysieren. Dazu sind traditionelle Werkzeuge wie Data Warehouses oder Business Intelligence so nicht in der Lage. Aber gerade in Branchen wie Retail oder Gesundheitswesen müssen die Beteiligten häufig sehr schnell reagieren und sind auf aktuelle Daten angewiesen.
EMC hat sich zum Beispiel in der letzten Zeit Isilon für geclusterte Storage-Hardware auf File-Basis und Greenplum für die Datenanalyse eingekauft. Hewlett-Packard ist mit LeftHand und mit Autonomy den gleichen Weg gegangen. IBM und Dell waren ebenfalls nicht untätig auf diesem Sektor und haben ihr Portfolio ergänzt. Red Hat beansprucht nun ebenfalls, eine Basis für das Management großer Datenmengen liefern zu können, egal ob sie unternehmensintern oder in einer Public Cloud abgelegt werden. Gedacht ist an ein Subskriptionsmodell je nach tatsächlichem Gebrauch der Infrastruktur-Dienstleistungen.
Quelloffenes File-System für unstrukturierte Daten
Gunnar Hellekson, Chief Technology Strategist von Red Hat, hat darauf hingewiesen, dass der besondere Wert des Gluster-Ansatzes in der Quelloffenheit des File-Systems für unstrukturierte Daten und in der Wahlfreiheit bei der Hardware-Basis besteht. Anders als die proprietären File-Systeme, die zum Beispiel Oracle in der Sun-Nachfolge und IBM mit GPFS (General Parallel File System) verwenden, will Red Hat mit Gluster ein offenes File-System anbieten, das von einer eigenen Community weiterentwickelt wird. "Gluster" ist eine Wortbildung, die sich aus "GNU" (General Public License) und "Cluster" zusammen setzt.
Auf der Speicherseite könnten sich die Kunden mit dem Red-Hat-Ansatz wie schon bei Server-Virtualisierung diejenige Standard-Hardware selbst aussuchen oder weiter verwenden, die ihren eigenen Bedürfnissen am besten entspricht. Oracle und auch IBM würden dagegen, so argumentieren Red Hat und Gluster, die Anwender an ihre speziellen Hardware-Angebote fesseln wollen. Mit der Sun-Übernahme hatte Oracle auch das ehemals quelloffene File-System Lustre für unstrukturierte Daten im eigenen Hause, scheint aber jetzt mehr an einer proprietären Nutzung für die eigenen Produkte interessiert zu sein.
Red Hat hat keine schlechten Karten in dem von Gartner prognostizierten wachsenden Markt für Servervirtualisierungs-Infrastruktur: Diese gebe die Basis „für zwei besonders wichtige Markttrends" ab, für Infrastruktur-Modernisierung und für Cloud Computing. Denn Server-Virtualisierung sorgt nach Ansicht der Gartner-Analysten für eine genauere Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen und für Automatisierung. Und damit bereitet sie das Terrain für Service-Modelle à la Private, Public oder Hybride Cloud Computing vor.
Es scheint, als hätte man bei Red Hat diese Entwicklung begriffen. Man versucht durch die Übernahme von Gluster, den Großen der Branche Paroli zu bieten. Vielleicht legt man auch die alten Linux-Eierschalen nun endgültig ab. Immerhin wurde vor kurzem der Firmengründer und langjährige CEO Matt Szulik durch Jim Whitehurst, einen früheren Topmanager von Delta Air Lines, abgelöst. Whitehurst gilt als Mann der "execution", und nicht der "visions", wie sie Szulik verkörpert hatte. Er gehörte zu jenen Führungskräften, die es schafften, dass Delta sich wieder aus dem bereits eingeleiteten Bankrott ("Chapter 11" in den USA) befreien konnte.
Von der Vision zur Execution
Die von Red Hat angestossene "Open Virtualization Alliance" (OVA) wird von HP, Intel, IBM und anderen Herstellern unterstützt, weil sie mit der Dominanz von VMware bei Virtualisierung nicht mehr so glücklich sind.
Ob sich aus all diesen Faktoren wirklich ein Weg aus der (Virtualisierungs-)Nische für Red Hat ergeben wird, bleibt offen. Das Fundament ist aber bereits gelegt.
(Der Beitrag wurde von der ChannelPartner-Schwesterpublikation CIO übernommen / rb)