Laut Analysten wächst das Outsourcing-Segment im IT-Service-Markt mehr als doppelt so schnell wie die restlichen Segmente dieses Marktes. Der Marktbeobachter EITO sieht 2011 den Outsourcing-Anteil in Deutschland bereits bei 46 Prozent. Bei näherer Betrachtung gibt es jedoch keine einheitliche Entwicklung, meint Dr. Kay P. Hradilak, Geschäftsführer des Bechtle IT-Systemhauses Hannover.
Bis 2008 gingen Analysten noch davon aus, dass der Outsourcing-Markt über acht Prozent pro Jahr wächst; doch bereits Anfang 2010 halbierte EITO diese Prognose. 2009 brachen laut TPI die Auftragseingänge im EMEA-Outsourcing-Markt um 21 Prozent ein. Vergleichbares geschah im Nearshoring-Markt.
Derzeit ist es besonders schwierig, das Thema Outsourcing im Mittelstand zu platzieren. Mittelständische Kunden interessiert nicht, dass ein Dienstleister zehntausende Mitarbeiter und dutzende Servicecenter weltweit beschäftigt. Für einen Mittelständler sind andere Faktoren wichtig: Er wünscht sich einen Partner auf Augenhöhe, der für ihn schnell erreichbar und möglichst in der gleichen Region ansässig ist. Er erwartet persönliche Verbindlichkeit und Flexibilität, er möchte von seinen Dienstleister als ein wichtiger Kunde wahrgenommen werden.
Dass die "Großkampfschiffe" der IT-Service-Branche dies nicht bieten können, ist kein böser Wille: Deren Geschäftssysteme sind nun mal vorrangig auf die Bedienung von meistens global handelnden Großunternehmen ausgerichtet. Mittelständische Kunden sind in diesem Gefüge in der Regel nur C- oder D-Kunden. Wie es einmal jemand holprig aber aufrichtig sagte: "Wenn Daimler ruft, dann steht die XY GmbH ganz hinten an." Doch hier hat bereits ein Umbruch begonnen. Dessen Grundlage sind Technologien, die auch die Cloud-Welle vorantreiben.
Die wahre Killerapplikation der Cloud
Die wahre Killerapplikation der Cloud sind nicht die Office-Pakete aus dem Netz oder die Online-Backups. Auch SaaS-Angebote (Software as a Service) werden in den nächsten Jahren nicht so angenommen, wie es die Hersteller gern hätten. Aber individuell zugeschnittene virtueller RZ-Infrastrukturen könnten in der Tat all die Cloud-Versprechen erfüllen.
Und die wären:
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- Bereitstellung von IT-Infrastruktur in kürzester Zeit, wenn nötig in Sekundenschnelle
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- praktisch nicht begrenzte Skalierung
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- entsprechende granulare Abrechnung, wenn gewünscht
Doch warum könnte es gerade jetzt gelingen? Zum einen haben Virtualisierungstechnologien einen Reifegrad erreicht, der bereits heute für einen großen Teil der im Mittelstand genutzten Anwendungen einen virtualisierten Betrieb ermöglichen. Darüber hinaus wachsen virtualisierte Server, Storage- und Netzkomponenten zu serviceorientierten Gesamtlösungen zusammen, die auch das Management und die Automatisierung von Betriebsprozessen einschließen. Konzepte wie Dynamic Infrastructure, Converged Infrastructure, Unified Computing stehen dafür.
Zum anderen ermöglicht die erreichte Leistungssteigerung der physikalischen Plattformen (Rechenleistung, RAM, IO und weitere Faktoren), dass diese Virtualisierungskonzepte wirklich performant und wirtschaftlich betrieben werden können.
Vertriebsproblem?
Diese "Cloud-Plattformen" müssen nicht nur geschnürt, sie müssen auch im Mittelstand präsentiert, verkauft und ausgerollt werden. Viele Hersteller und große IT-Dienstleister versuchen, dem Channel Reseller-Modelle schmackhaft zu machen. Doch das greift zu kurz: Es ist gleichsam die Einladung an den Channel Selbstmord zu begehen, indem er sein wertvollstes Gut preisgibt- seine enge Kundenbeziehung und seine mühsam aufgebaute Lösungskompetenz.
Chancen für den Channel
Dabei tut sich mit virtualisierten RZ-Infrastrukturen eine Riesenchance auf, nämlich modernste Rechenzentrumstechnologien und ein on-demand Betriebsmodell mit den Erwartungen mittelständischer IT-Kunden an eine verbindliche, persönliche Betreuung vor Ort zu verbinden.
Der Schlüssel dazu ist die Stufenarchitektur virtualisierter Rechenzentren: In ihnen ist die "Physik" weitgehend von den konkreten virtuellen Servern, Storage-Ressourcen und Netzkomponenten getrennt. "Cloud Service Provider" können die Virtualisierungsplattform bereitstellen und den Bau der jeweiligen virtualisierten RZ-Infrastrukturen den Systemhäusern respektive den "Cloud Service Integratoren" überlassen.
Anforderungen an den Cloud Service Provider
Ein Managed Service Provider sollte folgendes anbieten können:
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- die RZ-Infrastruktur einschließlich der Klimatechnik, Stromversorgung und Zugangsschutz
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- die "Physik", also eine robuste Server/Storage/Switch-Infrastruktur
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- die Virtualisierungsplattform einschließlich einer konsolidierten Management-Umgebung (Monitoring, Ressourcensteuerung und so weiter)
Die Virtualisierungsplattform ist der Baukasten des Systemhauses, um die bestmögliche Infrastruktur für seinen Kunden zu designen, zu implementieren und sie dann auch zu betreiben.
Systemhäuser, die alle Stufen der Virtualisierung beherrschen, können so zu professionellen "dynamischen Outsourcern" werden, ohne selbst ein entsprechendes Rechenzentrum zu besitzen. Bisher unerreichbare Marktchancen tun sich da auf!
Diese Chance wird von manchen Systemhäusern zu Anfang eher als Bedrohung empfunden: Wird damit aber angestammte Reseller-Geschäft - Handel mit IT-Ausstattung, Installation von Software auf physikalischen Servern und Speichersystemen - nicht etwa kannibalisiert? Sicherlich, doch auch hier wird gelten: Wer nicht die Initiative ergreift, der überlässt seine Kunden anderen Dienstleistern.
Es gilt jetzt, die ersten Schritte auf dem Weg in die IaaS-Welt (Infrastruktur-as-a-Service) zu unternehmen. Jenseits der Hochglanzprospekte sind virtualisierte Rechenzentren hochkomplexe Systeme, die mit automatisierten Fertigungsanlagen vergleichbar sind. Wer hier als Dienstleister bestehen will, muss eine Reihe von Softwarelösungen "gewerkübergreifend" beherrschen.
Derzeit verschärfen VMware und Co. deutlich die Zertifizierungsanforderungen an, sicher nicht vorrangig, um den Channel auszudünnen, sondern um die notwendige Qualität für den Aufbau und den Betrieb von "IT-Fabriken" zu sichern!
Regio-Sourcing als Haupttreiber
Mit ihren Infrastruktur-as-a-Service-Angeboten werden regional verwurzelte Systemhäusern sicherlich eine Vielzahl von mittelständischen Kunden für den externen Betrieb ihrer Rechner und Speichersysteme gewinnen. Diese Kunden werden ihre Betriebs-Dienstleistung regional einkaufen und durch einen regionalen Partner betreiben lassen.
Bereits heute gibt es derartig gewachsene, intensive Dienstleistungsbeziehungen. Regionale Systemhäuser übernehmen Monitoring- und Wartungsaufgaben für das Rechenzentrum ihrer mittelständischen Kunden. Viele Kunden erkennen, dass die Breite des Knows-hows ihrer eigenen IT-Mannschaft nicht ausreicht, um sich die Potentiale dynamischer Infrastrukturen zu erschließen.
Damit öffnen sich die Türen für den nächsten Schritt. Denn regionale Nähe kann den Kunden auch von seiner größten Sorge befreien, der um die Datensicherheit. Viele Kunden fühlen sich nämlich unwohl, wenn ihre Anwendungen und Daten nicht nur extern betrieben und gespeichert werden, sondern sich mit vielen anderen Unternehmen die gleichen physischen Systeme teilen.
Technische Lösungen werden nicht ausreichen, um diese Bedenken auszuräumen. Es bedarf eines persönlichen Vertrauens und einer persönlichen Verbindlichkeit seitens des IT-Dienstleisters, und so etwas kann man sich nicht so einfach erkaufen.
Die Überzeugungskraft eines derartigen IaaS-Angebotes wird umso höher, je näher sich das Rechenzentrum am Standort des Kunden befindet, auf jeden Fall sollte es in der Region stehen. Dies ist ein vieldiskutierter "weicher" Faktor. Ihn zu ignorieren, wird die Vermarktung zumindest in den nächsten Jahren erschweren. Infrastructure-as-a-Service sollte in regionalen Rechenzentren in Kooperation mit lokalen Systemhäusern angeboten werden. Denn das so genannte Regio-Sourcing wird zu einem Haupttreiber im Outsourcing-Markt. Nicht nur der Strom wird also immer öfter aus der Region kommen! (rw)