"Verflucht, der neue Vertriebsmitarbeiter findet keinen Draht zu den Schlüsselkunden." "Mist, der neue IT-Leiter kriegt seine IT-Landschaft nicht geordnet." Solche Klagen hört man von den Personalverantwortlichen in Unternehmen oft einige Zeit, nachdem sie eine vakante Position in ihrer Organisation neu besetzt haben. Denn nicht selten entpuppt sich in der alltäglichen Zusammenarbeit der ehemalige "Traumkandidat" doch nicht als der Richtige, weshalb sich die Wege nach einigen Monaten wieder trennen.
Geschieht dies, dann waren alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen. Weit schwerer wiegen im Betriebsalltag jedoch meist die "Chaoskosten" genannten Folgekosten. Denn bleibt eine Schlüsselposition längere Zeit verwaist oder wird sie nicht angemessen wahrgenommen, dann hat das oft fatale Folgen: Die Kundenbindung leidet, neue Produkte kommen verspätet auf den Markt, nötige Umstrukturierungen unterbleiben. Kurz, das Unternehmen verspielt (Markt-)Chancen ? so dass es zuweilen noch Jahre mit den Problemen kämpft, die aus einem personellen Fehlgriff entstanden.
Auf die Persönlichkeit achten
Doch warum erweisen sich die "Traumkandidaten" so häufig als Flops? Eine zentrale Ursache hierfür ist: Oft wird bei der Personalauswahl nur oder primär auf die fachliche Qualifikation der Bewerber geachtet. Denn diese lässt sich anhand der Arbeitszeugnisse und der Vita relativ leicht bewerten.
Anders sieht dies bei Faktoren aus wie:
Findet der Bewerber einen Draht zu den teils sehr unterschiedlichen Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten des Unternehmens?
Passen seine individuellen Antriebe zu seiner Rolle und der Stelle?
Dies zu ermitteln - also herauszuarbeiten, ob die "Chemie" zwischen dem Bewerber und seinem neuen Arbeitsumfeld stimmt - erfordert Sorgfalt und Reflexion. Doch die Mühe lohnt sich, denkt man an die Kosten und Folgeprobleme einer Fehlbesetzung.
Ein detailliertes Anforderungsprofil erstellen
Ermitteln Sie deshalb im Vorfeld eines Personalauswahlverfahrens genau, welche stellentypische intrinsische Motivation der "Neue" mitbringen sollte - zum Beispiel, indem Sie den bisherigen Stelleninhaber, seine Vorgesetzten oder Mitarbeiter befragen, aber auch, indem Sie das Arbeitsumfeld analysieren. So lässt sich ein Motivprofil der zu besetzenden Stelle erarbeiten.
Ein Beispiel: Die Arbeitssituation des Stelleninhabers ist durch einen meist hohen Zeitdruck und viele Aufgaben geprägt, die teils unvorhersehbar sind und mitunter geballt auf ihn einprasseln. Dann kann eine Anforderung lauten: "Der künftige Stelleninhaber kann in einem mitunter hektischen Arbeitsumfeld flexibel auch eine höhere Aufgabendichte bewältigen." Das erleichtert es Ihnen, Stellenanzeigen so zu formulieren, dass sie die Motive von Bewerbern ansprechen. Bewerber reagieren dann etwa mit "Oh, diese Stelle reizt mich; das traue ich mir zu!"
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Als hilfreich erweist es sich in der Praxis meist, beim Einschätzen der Persönlichkeit der Kandidaten ein Motivationsanalyse-Tool wie die Motiv-Struktur-Analyse MSA zu Rate zu ziehen, denn diese erfassen zuverlässig die für den beruflichen Erfolg wichtige Dimension der Motivationen. So können Sie anhand der bis zu 18 Grundmotive, die bei der MSA untersucht werden, zum Beispiel ermitteln: Wie ausgeprägt sind bei dem Bewerber auf einer Skala von 1 bis 10 sein Bedürfnis, Einfluss zu nehmen, sein Pragmatismus, seine Selbstsicherheit oder seine Risikofreude?
Welches Profil hat der Wunschkandidat?
Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den wir auf keinen Fall einstellen möchten? Geht der "Wunschkandidat" zum Beispiel gerne in Führung, delegiert er also soweit möglich (Fach-)Aufgaben, während sein Pendant das meiste selbst erledigt? Hat die "Traumbesetzung" Spaß am Kundenkontakt, während sich ihr Pendant vor Kundenterminen drückt?
Auch dies können Sie zum Beispiel mit der MSA leicht ermitteln, da diese für jedes der 18 Grundmotive zwei komplementäre Motivpole benennt, also zum Beispiel
"ausgleichend" versus "kämpferisch",
"kontaktfreudig" versus "distanziert",
"intellektuell" versus "pragmatisch"
ohne diese zu bewerten, sprich als "Stärken" bzw. Schwächen" einzustufen. Denn ein und dieselbe Eigenschaft kann, abhängig vom Job, mehr oder weniger erwünscht sein.
Dies sei am Beispiel "Entscheidungsfreude" expliziert. Handelt ein Arzt in der Notaufnahme eines Krankenhauses sehr schnell und entschieden, rettet er hierdurch oft das Leben von Unfallopfern. Dagegen kann zu viel "Entscheidungsfreude" eines Top-Managers in einer komplexen Situation, in der eigentlich "auf Sicht" zu fahren wäre, einem Unternehmen Schaden zufügen. Entscheidend ist also stets die Passung zwischen Person und Job: der Person-Job-Fit.
Die Stelle motivational beschreiben
Ermitteln Sie also das individuelle Motivprofil, das der "Neue" mitbringen sollte. Doch Vorsicht! Begnügen Sie sich nicht mit eher oberflächlichen Beschreibungen von Eigenschaften wie "entscheidungs-" oder "umsetzungsstark". Analysieren Sie vielmehr zum Beispiel mit der MSA: Aus welchen Motiven speisen sich welche erwünschten Fähigkeiten oder Eigenschaften? Soll der neue Projektleiter etwa Durchsetzungsvermögen mitbringen, so tragen die Bedürfnisse
"Einfluss nehmen wollen" (Machtmotiv),
"gewinnen wollen" (Wettkampfmotiv) und
"selbstbestimmt handeln wollen" (Freiheitsmotiv)
zu dieser Fähigkeit bei. Auf diese Weise gelingt es Ihnen, eine Stelle bzw. einen Job motivational zu beschreiben.
Die heißen Kandidaten, die in die Endauswahl kamen, bitten Sie dann sich einer Motivationsanalyse zu unterziehen. Der Abgleich zwischen dem Soll-Motivprofil der Stelle und den Motivprofilen der Bewerber liefert neben dem persönlichen Eindruck eine fundierte Grundlage für die Personalentscheidung.
Treffsichere Bewerberauswahl
Deshalb empfiehlt es sich, zumindest wenn Schlüsselpositionen in einem Unternehmen neu zu besetzen sind, mit einer Motivationsanalyse wie der MSA zu arbeiten. Das zugrunde liegende Verfahren zielt auf die eher unbewussten Motive ab. Es ist so gestaltet, dass keine geschönten Antworten gegeben werden können.
Damit hilft es gerade Führungskräften, die eher untrainiert im Führen von Personalauswahlgesprächen sind. Denn sie orientieren sich in den Gesprächen oft zu gerne an Fakten und Geschichten oder am Lebenslauf des Bewerbers.
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Wichtig ist die Nutzung solcher Analyse-Tools in Personalauswahlgesprächen auch aus folgendem Grund: In einer Zeit, in der gute Fach- und Führungskräfte rar sind, melden sich auf die Stellenausschreibungen gerade mittelständischer Unternehmen oft Bewerber, die nicht zu 100 Prozent dem "Wunschprofil" entsprechen und somit die Traumkandidaten wären. Beispielsweise fehlen erwünschte Qualifikationen oder entwickelte Fähigkeiten. Bringt der Bewerber jedoch die der Stelle entsprechende Motivation mit, wird er sich diese "on the job" gerne und schnell aneignen.
Die Persönlichkeit können Sie nicht verändern
Die Praxis zeigt jedoch: Gerade wenn "gute Mitarbeiter" ohnehin schwer zu finden sind, achten die Entscheider in den Unternehmen primär auf die Fachkompetenz der Bewerber; die sogenannten "Antriebsfreuden" hingegen, die die Quellen für die Leistung sind und darüber entscheiden, ob der Kandidat der Passende ist, haben sie kaum im Blick.
Die individuellen Motivationen von Personen erkennen und für das Unternehmen nutzen, darin liegt ein enormes, noch kaum genutztes Performance-Potenzial für Unternehmen. Denn eines ist gewiss: Die Persönlichkeit von Bewerbern und Beschäftigten können Unternehmen nicht ändern. Ihr Gestaltungsfeld ist das Optimieren der Passung zwischen Person und Arbeitsumfeld - damit Führungskräfte und Mitarbeiter gerne (Höchst-)Leistung erbringen. (oe)