Die meisten IT-Trends kommen immer noch aus Nordamerika. Google, Facebook oder auch Cloud-Technologien entwickelten sich in den USA als vielversprechend und schafften es schnell über den großen Teich. CIOs faszinieren die Entwicklungen im Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, sie besuchen Start-ups im Silicon Valley und verfolgen genau die gesetzten Trends.
Nicht jede IT-Neuerung setzt sich durch
Neue Technologien bringen im Schlepptau auch immer neue Jobprofile mit. Doch trotz der Nähe zu den USA ticken Europa und der deutsche IT-Arbeitsmarkt anders. Nicht jede IT-Neuerung setzt sich hier durch, für manches US-amerikanische Berufsbild findet sich keine deutsche Entsprechung. Neuheiten, Traditionen und Besonderheiten der einheimischen Branche bestimmen auch, auf welche neuen Anforderungen sich IT-Spezialisten vorbereiten sollten und welche sie getrost ignorieren können.
Die US-amerikanische Schwesterpublikation CIO identifizierte kürzlich ziemlich reißerisch die "6 Hot New IT Roles". Wir fragten zwei erfahrene Personalberater, welche dieser IT-Trends ihrer Meinung nach Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Manches heiße Eisen entpuppt sich als alter Hut mit neuer Schleife, doch über manches lohnt es sich nachzudenken.
"Der wichtigste Trend für 2015 ist für mich, dass bereichsübergreifendes Arbeiten noch wichtiger wird", erklärt Ralica Yancheva, Partner bei Norecu Executive Search in Dornach bei München. Die Beraterin vermittelt seit vielen Jahren IT-Spezialisten und kennt den Markt sehr gut. "Dieses Thema ist für die USA und Deutschland gleichermaßen wichtig, hier veränderte sich in den vergangenen Jahren viel. IT muss für das Business einen Mehrwert bringen." Viele IT-Experten arbeiten verstärkt an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Abteilungen und sollten sowohl die IT als auch die wirtschaftlichen und unternehmerischen Zusammenhänge im Blick haben. "IT führt längst kein Schattendasein mehr", bringt es die Beraterin auf den Punkt.
Die USA sind Deutschland voraus
Auch Matthias Busold von Rochus Mummert in Hamburg sucht im Auftrag von Firmen IT-Spezialisten. Berufsanfänger zählen selten zu seinem Klientel, als Associate Partner kennt er den IT-Arbeitsmarkt seit vielen Jahren. "Grundsätzlich sind die USA Deutschland in der IT-Entwicklung voraus. Doch nicht jede Position, die dort wichtig ist, spielt auch bei uns eine Rolle", schränkt er ein.
"Collaboration and Social Media Evangelist" gilt in den USA als eines der sechs wichtigsten IT-Jobprofile für 2015. Diese Spezialisten für interne und externe Kommunikation kümmern sich darum, soziale Netzwerke innerhalb des Unternehmens und gegenüber Kunden und Partnern zum Austausch und als Arbeitsplattform zu nutzen. Noch verstünden viele Firmen diese neuen Kommunikationswege nicht, so das Argument. Um mit neuen Technologien die Zusammenarbeit und den Austausch von Kollegen, Vorgesetzten und Kunden zu verbessern, braucht es Spezialisten, die Teams motivieren, mit den neuen Tools zu experimentieren.
Matthias Busold sieht solche Positionen und diesen Jobtitel hauptsächlich in US-amerikanischen Unternehmen gefragt. "Ein Evangelist ist ja im wörtlichen Sinne jemand, der die gute, nämlich christliche Botschaft verkündet. Das würde ein deutsches Unternehmen so eher nicht in ein Jobprofil schreiben. Social-Media-Experten sind zwar gesucht, doch das ist keine klassische IT-Position." Die geforderten Qualifikationen an der Schnittstelle zwischen Technik und Marketing, für die sich zwar auch Informatiker mit fundierten Social-Media-Kenntnissen bewerben können, bringen oft auch Bewerber mit einem Betriebswirtschafts- oder sozialwissenschaftlichen Studium und Berufserfahrung mit. Ralica Yancheva schätzt dieses Jobprofil ebenfalls als IT-fern ein. "Oft werden diese Aufgaben in bereits bestehende IT-Rollen integriert."
Der "Tech Broker"
Die Rolle als "Tech Broker" definiert in den USA einen Mitarbeiter, der als interner Berater die unterschiedlichen Abteilungen berät, wenn sie Software, Apps oder Hardware kaufen wollen. Ein Tech Broker stellt sicher, dass IT- und Unternehmensstandards eingehalten werden und die neuen Produkte problemlos in die vorhandene IT-Infrastruktur passen. Gerade weil in den USA viele Dienste in die Cloud migrieren und die IT-Truppe ihre Monopolstellung im Unternehmen verloren habe, kaufen viele Abteilungen eigenständig ihre IT-Produkte ein. Da vielen aber die IT-Kompetenz fehle, stellt ein Tech Broker sicher, dass Standards eingehalten werden, und unterstützt die Kollegen in Verkaufsgesprächen.
"Der Einkauf von Soft- und Hardware zählt in den meisten deutschen Unternehmen immer noch zu den Zuständigkeiten der IT- oder der Einkaufsabteilung und ist immer stärker zentral organisiert. Der Trend, den wir beobachten, ist, dass nicht mehr die Lizenzpreise und das günstigste Angebot ausschlaggebend sind, sondern die IT oder der Einkauf auch inhaltlich beratend tätig sind", erläutert Yancheva. Auch bei Rochus Mummert fragen Unternehmen selten an, wenn sie diese Position besetzen wollen. "Das Anforderungsprofil eines Tech Brokers entspricht dem eines IT-Einkäufers. Viele bringen für diese Position eine IT-Ausbildung mit oder kommen von einem IT-Lieferanten", sagt Busold und ergänzt: "Das ist nichts Neues, diese Aufgabe gibt es oft nur in Firmen, deren Kernkompetenz nicht IT ist."
Völlig fremd klingen auch weitere Jobtitel. Zwar liebt die IT-Branche englische Bezeichnungen, doch manchmal werden diese auch in eigens kreierte, ebenfalls Englisch klingende Namen übersetzt. Einen "Information Insight Enabler" sucht hierzulande kaum jemand, dagegen findet sich der Titel "Knowledge Manager" schon hin und wieder in einer Stellenanzeige, erklärt Busold. Zu den Aufgaben gehört es beispielsweise, Informationen, Statistiken und Berichte so aufzubereiten, dass das Management die Ergebnisse für strategische Entscheidungen heranziehen kann. Doch Papierstapel umschichten und Excel-Tabellen auswerten entspricht längst nicht mehr dem neuesten Stand der Technik. Viele dieser Aufgaben erledigen längst Datenbanken oder Software. "In Deutschland gibt es dafür Business-Intelligence-Tools, und die Firmen sind mittlerweile bestens ausgestattet. Es gibt jedoch auch die Spezialisten, die die reinen Zahlen mit der Strategie matchen und zusammenführen, sodass man in Deutschland von einer ähnlichen Rolle wie der eines Information Insight Enabler sprechen kann", meint Yancheva.
Der "User Experience Guru"
Auch mit dem "User Experience Guru" fremdeln deutsche Headhunter. Dieser Jobtitel lässt sich mit Business-Analyst übersetzen und beschreibt die Schnittstelle zwischen Business und IT. Doch meistens zählt es als Teilaspekt zu einem komplexeren Berufsbild. "IT-ler müssen heutzutage immer die unterschiedlichen Anforderungen an IT-Systeme und Software bedenken, das ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit", beschreibt Yancheva die Aufgaben diesseits und jenseits des Atlantiks. Auch Matthias Busold sieht keinen großen Bedarf an User Experience Gurus in Deutschland. "UX ist für Firmen, die Online-Produkte vertreiben, doch für alle anderen halte ich es für weniger relevant", erläutert der Hamburger Berater pragmatisch.
Anders sieht es bei Jobprofilen für Cloud-Technologien aus, auch wenn die US-amerikanische Ausprägung "Cloud Integration Specialist" weniger gefragt ist. "Cloud ist auch hier ein großes Thema. Allerdings interessieren sich die Firmen mehr für Fragen wie Sicherheit, Zugriffsrechte und Strategie", sagt Busold. In den USA nutzen viele Firmen selbstverständlicher Cloud-Anwendungen, in Deutschland setzt der Datenschutz engere Grenzen. "Viele unserer Kunden arbeiten mit Cloud, viele lehnen Cloud-Lösungen aber ab. Unternehmen suchen erfahrene Cloud-Manager, die sie in der strategischen Entscheidung für oder gegen Cloud unterstützen. Auch Datenschutz ist wichtig für das Jobprofil", ergänzt Yancheva.
Der "Enterprise-Architekt"
Welche Trends sehen die Headhunter für Deutschland? "Enterprise-Architekten sind meiner Meinung nach sehr gefragt. Diese Position ist direkt beim CIO angesiedelt und sehr anspruchsvoll. Zu den Aufgaben gehören beispielsweise die Entwicklung und Pflege der Business-Architektur, Informationsarchitektur, Anwendungsarchitektur und Infrastrukturarchitektur der Domänen", verrät Yancheva. Auch hier erwarten die Unternehmen von den Bewerbern, dass sie neben einem Informatikstudium über betriebswirtschaftliches Wissen verfügen.
Matthias Busold nennt Big-Data- und Busines- Intelligence (BI)-Analyse als weiteres Hype-Thema. Wer sich dafür interessiert, sollte allerdings fundierte Statistik- und Mathematikkenntnisse mitbringen. Auch mit der gängigen BI-Software sollten die Bewerber bestens vertraut sein. "Wer sich als Big-Data-Spezialist etablieren möchte, muss ganz tief in das Thema eintauchen. Oberflächliches Wissen reicht längst nicht mehr aus." Chancen auf interessante Positionen gibt es auch 2015 viele. Das Motto für IT-Profis im neuen Jahr lautet deshalb: "Ohne Fleiß kein lukrativer Job".