Interview mit eBay-Chef Stephan Zoll

"Die Menschen erwarten, dass sie die Waren auf allen Kanälen erhalten"

24.10.2014 von Matthias Hell
Stationär, am PC oder auf dem Smartphone: eBay-Deutschlandchef Stephan Zoll erwartet, dass die Einkaufswelten bald miteinander verschmelzen. Er erklärt, wie eBay seine Händler dabei unterstützt und warum eBay gerade in einer Omnichannel-Welt eine bevorzugte Anlaufstelle sein soll.

Herr Zoll, der E-Commerce-Pionier eBay ermöglicht ab sofort die Abholung von Online-Bestellungen in stationären Geschäften. Wie ist es zur Einführung der Lieferoption Click & Collect gekommen: Reagieren Sie damit auf die Wünsche der Kunden? Oder wurde diese Funktion vor allem vor den Händlern nachgefragt?

Zoll: Es ist beides der Fall. Click & Collect wird von den Kunden immer stärker nachgefragt, zählt aber auch zu den Wünschen, die vom Handel geäußert werden. Es haben heute immer mehr Händler die nötige Infrastruktur für Click & Collect. Das war vor ein paar Jahren noch nicht der Fall.

Stephan Zoll ist seit 2013 Vice President von eBay Germany und bekleidete die Position des Deutschlandchefs davor bereits in den Jahren 2009 bis 2011
Foto: eBay Germany

Wie Sie betonen, versteht sich eBay als "Enabler des Handels". Gehört dazu auch, dass Sie Händlern bei der Umsetzung von Funktionen wie Click & Collect aktiv helfen?

Zoll: Vor allem ermöglichen wir Händlern, das Sortiment ihrer Filialen online 16,5 Millionen potenziellen zusätzlichen Kunden anzubieten. Und für Saturn haben wir es in einem Pilotprojekt möglich gemacht, in ihren eBay-Outletstores Click & Collect zu einer Zeit anzubieten, als diese Funktion noch nicht standardmäßig bei uns implementiert war. Und natürlich liefern wir unseren Click & Collect-Partnern Unterstützung und beraten sie. Allerdings müssen Händler die notwendigen grundsätzlichen Voraussetzungen für die Umstellung auf Click & Collect natürlich auch selbst schaffen.

Während Click & Collect in vielen Händlershops schon Standard ist, müssen Endkunden den Service bei eBay erst annehmen. Wollen Sie das mit gezielten Maßnahmen fördern?

Zoll: Zum einen setzen wir darauf, dass immer mehr Kunden selbstständig die Vorteile von Click & Collect erkennen und sich dieser Service in unserem Ökosystem Schritt für Schritt immer mehr durchsetzt. Es werden mit der Zeit immer mehr Händler Click & Collect nutzen und damit wird auch klar werden, dass die Zusammenarbeit mit dem stationären Handel eine Win-Win-Situation für alle bedeutet. Schon heute bieten erste Händler wie zum Beispiel Gravis, Butlers oder Porta bei eBay attraktive Sortimente für Click & Collect-Kunden an.

Daneben werden wir an unsere Kunden natürlich auch dezidiert über Marketing-Maßnahmen kommunizieren, dass wir jetzt Click & Collect anbieten. Wir verdeutlichen diesen Service beispielsweise auch mit einem speziellen Logo.

Das Mehrkanal-Angebot verdeutlicht eBay derzeit auch mit einem "Inspiration Store" in Bremen - zusammem mit PayPal und der Metro-Gruppe

"Wir möchten lernen, was die Kunden genau wollen"

Der Wettbewerb im Multichannel-Handel nimmt stetig zu. So gibt es inzwischen eine Reihe von lokalen Einkaufsportalen, die auf stationäre Verfügbarkeiten und Click & Collect als Alleinstellungsmerkmal setzen. Werden Kunden für Multichannel-Services nicht eher auf diese Anbieter zurückgreifen als auf den Online-Marktplatz eBay?

Zoll: Ich denke, dass diese Kategorien bald verschmelzen werden. Heute reden wir noch von "lokalen Portalen", später werden die Menschen, egal wo sie einkaufen, erwarten, dass sie die Waren auf allen Kanälen erhalten. Das ist ein Evolutionsschritt, der sich im Handel vollzieht. Wir "enablen" unsere Verkäufer schon heute dafür und machen sie dadurch noch stärker.

Letztlich geht es darum, den Wünschen und Erwartungen der Konsumenten zu folgen. Vor diesem Hintergrund starten wir auch unser Same-Day-Delivery-Pilotprojekt mit DHL: Wir möchten lernen, was die Kunden in diesem Bereich genau wollen und wie ein solcher Service Begehrlichkeiten wecken kann. Ich gehe stark davon aus, dass Same-Day-Delivery bald mehr und mehr Standard sein wird. Aber wie genau das geschieht und umgesetzt wird, ist alles andere als trivial.

Ist die - schon lange erwartete - Einführung eines verkäuferübergreifenden Warenkorbs bei eBay auch in Zusammenhang mit den Multichannel-Neuerungen zu sehen?

Zoll: Die Warenkorb-Funktion ist sehr relevant für uns. Natürlich hätten wir diese Funktion gerne schon früher gehabt, doch ist es gerade in Zusammenhang mit den nun angekündigten Neuigkeiten sehr gut, dass der Warenkorb jetzt kommt. Wie schnell der Rollout läuft, hängt von einigen Feinheiten im System ab. Wir gehen davon aus, dass spätestens in ein paar Wochen alle Kunden die Warenkorb-Funktion angezeigt bekommen. Damit der Warenkorb verfügbar ist, ist die Voraussetzung, dass der Verkäufer PayPal als Bezahloption anbietet. Eng geknüpft ist die Einführung des Warenkorbs an unsere neue, stark vereinfachte Kaufabwicklung.

Dennoch wirkt die Ersteinführung eines Warenkorbs im Jahr 2014 reichlich spät - wie sehen Sie eBay als zentralen Online-Marktplatz heute generell in einer hochprofessionellen und auch immer breiter aufgefächerten E-Commerce-Welt aufgestellt?

Zoll: Wir sprechen hinsichtlich unserer Strategie häufig von den zwei Dimensionen "Need" und "Love": Einerseits ist es unserer Ziel, das zu erfüllen, was Käufer heute beim Online-Handel ganz einfach erwarten - dazu gehören Funktionen wie der Warenkorb oder Kauf auf Rechnung, die das Einkaufen so einfach und komfortabel wie möglich machen. Gleichzeitig möchten wir unser großes Angebot von 800 Millionen ständig verfügbaren Artikeln auf eine Art und Weise präsentieren, die die Nutzer inspiriert und emotional anspricht - das tun wir beispielsweise über den personalisierten eBay-Feed und die eBay-Kollektionen. Für viele Menschen sind auch weiterhin attraktive Deals ein wichtiger Anreiz, um zu eBay zu kommen. Doch geht es uns immer darum, das Nützliche mit dem Inspirierenden zu verbinden.

So funktioniert der "Inspiration Store" von eBay und Metro
"Inspiration Store" 1/8
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"Das eBay-Shop-Modell von Aetka ist ein sehr guter Ansatz"

Beim Thema Inspiration setzen Sie stark auf die von den eBay-Nutzern erstellten, individuellen Kollektionen. Dass das bei Themen wie Fashion oder Einrichtung funktioniert, ist naheliegend. Doch sind die eBay Kollektionen auch in technischen Produktbereichen erfolgreich?

Zoll: Ja, es gibt auch viele Kollektionen im Technikbereich. Zum Beispiel zu Sammlerthemen wie dem C64, aber auch zu vielen anderen elektronischen Produkten oder Themen. Die Besonderheit von eBay ist ja, dass man alles mischen kann: Vintage-Sachen mit neuen Produkten und auch Angebote von Privatverkäufern mit gewerblichen Angeboten.

Die Deutschlandzentrale von eBay in Dreilinden vor den Toren Berlins
Foto: eBay Germany

Sie haben vorher die Outlet-Shops angesprochen, die Saturn Mitte 2012 bei eBay startete. Wie hat sich diese Zusammenarbeit entwickelt?

Zoll: Die Saturn-Outletstores sind im Rahmen unserer Partnerschaft mit der Metro Group entstanden, die sich schon seit etwa zwei Jahren entwickelt. So ist auf Saturn auch Metro Cash & Carry mit eigenen Outletstores gefolgt. Beide Formate haben sich gut etabliert. Die Zusammenarbeit mit Metro ist für uns auch deshalb besonders spannend, weil sie zeigt, wie eine Kooperation zwischen stationärem Handel und eBay aussehen kann.

Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der TK-Kooperation Aetka, die eBay als Plattform für die dezentralen Onlineshops der angebundenen Händler nutzt. Wäre das nicht ein Modell, das sich auch für andere Verbundgruppen gut eignet?

Zoll: Ja, das eBay-Shop-Modell von Aetka ist auf jeden Fall ein sehr guter Ansatz und wir müssen nun sehen, dass wir das möglichst gut weiterentwickeln. Es gibt in der Tat eine große Menge an Einkaufsverbünden und es gibt auch Überlegungen, ähnliche Lösungen wie bei Aetka an anderer Stelle umzusetzen.

In den vergangenen Jahren haben Sie eine Reihe großer Online-Händler im Elektronikbereich auf eBay geholt wie z.B. Cyberport, Notebooksbilliger.de und Redcoon. Ist der Bereich damit für Sie bereits ausreichend mit Händlern besetzt?

Zoll: Das Elektroniksegment ist ein sehr großer Bereich. Natürlich steht hier allen interessierten Händlern weiterhin die Tür offen, und es wird sicher noch der eine oder andere große Händler zu uns kommen - wie das bereits bei vielen Anbietern geschehen ist. Jeder einzelne Händler bereichert das Sortiment unseres Marktplatzes.

Die TK-Kooperation Aetka setzte seit Mitte des Jahres auf eBay-Markenshops als eine dezentrale E-Commerce-Lösung

"Die Einstellung vieler Markenhersteller zu eBay hat sich positiv verändert"

Vor rund einem Jahr haben Sie ein Herstellerprogramm gestartet, dass es Marken ermöglicht, eBay-Verkäufer als "autorisierte Händler" zu kennzeichnen. Inzwischen nehmen 51 Marken an diesem Programm teil und betreiben 38 Hersteller eigene Markenwelten. Wie ordnen Sie den Erfolg dieser Initiative ein?

Zoll: Wir sind mit der bisherigen Resonanz zufrieden. Wie die Zahlen zeigen, wurden beide Bestandteile des Programms bereits gut angenommen. Zudem bestärkt uns die in diesem Frühjahr erfolgte Einschätzung des Bundeskartellamts, dass Hersteller ihren autorisierten Händlern den Vertrieb von Waren auf offenen Marktplätzen wie eBay nicht verbieten dürfen. Insgesamt merken wir, wie sich die Einstellung vieler Markenhersteller zu eBay zum Positiven verändert.

Wenn man eine Initiative wie das "Autorisierte Händler" Programm startet, ist es zudem natürlich nicht so, dass man auf einmal einen Schalter umlegt. Vielmehr ist es der Beginn einer Reise. Auch die nun präsentierten Services wie Click & Collect werden dazu beitragen, dass wir hier künftig noch mehr Momentum sehen werden.

In den USA hat eBay zu Anfang des Jahres mit "eBay Plaza" einen speziellen Unterbereich für Mode-Brands eröffnet, der unter dem Namen "The Fashion Collective" nun auch nach Deutschland kommt. Sind solche Initiativen auch für andere Produktsegmente geplant?

Zoll: "The Fashion Collective" ist ein neuer Bereich von eBay Fashion, den wir mit ausgewählten Marken starten und der sich momentan in einer Beta-Phase befindet. Das Projekt ist für den Bereich Fashion konzipiert, aber natürlich entwickeln wir auch in anderen Bereichen unsere vertikalen Welten weiter. (mh)

Die verschiedenen Auktionsformen
Es muss nicht immer nur eBay sein
Immer mehr Unternehmen wickeln ihre Einkäufe, also ihren Bedarf, über Auktionen im Internet ("E-Auktionen") ab (auch bekannt als "Beschaffungsauktion"). Dabei versteigert eine Firma ihren Bedarf unter mehreren konkurrierenden Lieferanten. Doch ob Beschaffungsauktion oder Verkaufsauktion: Grundsätzlich lassen sich mehrere Auktionsformen unterscheiden.
Englische Auktion (auch: mündliche, offene oder "Descending-Bid-Auktion")
Die Gebote werden von einem relativ hohen Startpreis ausgehend sukzessiv gesenkt, bis nur noch das Gebot eines Auktionsteilnehmers übrig bleibt. Dieser erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines letzten Gebots.
Holländische Auktion ("Ascending-Bid-Auktion")
Die Auktion beginnt hier mit einem sehr niedrigen Startpreis. Der Auktionator erhöht diesen Preis sukzessiv, bis ein Auktionsteilnehmer das Angebot akzeptiert und den Zuschlag erhält.
Abwandlung der englischen und holländischen Auktion
Eine Abwandlung der englischen und holländischen Auktion sind sogenannte "Descending-Clock-" oder "Ascending-Clock-Auktionen". Bei ihnen wird der Preis in definierten Zeitabständen um eine bestimmte Summe geändert – entweder gesenkt oder erhöht.
Verdeckte Erstpreisauktion ("first-price sealed bid auction")
Bei der verdeckten Erstpreisauktion werden einmalig verdeckte Angebote abgegeben, und der Teilnehmer mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag. Die Angebote der Wettbewerber sind dabei nicht bekannt.
Verdeckte Zweitpreisauktion ("second-price sealed bid auction")
Änhlich der verdeckten Erstpreisauktion. Der einzige Unterschied: Der Teilnehmer mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag, muss aber nur das zweithöchste Gebot zahlen.
Gewichtete Auktion
Bei einer gewichteten Auktion werden nichtpreisliche Faktoren wie Versorgungssicherheit und Qualität mit einer Punktzahl bewertet. Diese Punktzahl wird vom Gebotspreis abgezogen, um einen Vergleichswert zu erzeugen. So errechnet der Auktionator den relativen Wert der einzelnen Gebote unter Berücksichtigung des Preises und nichtpreislicher Faktoren. Während dieser Auktion dürfen Bieter die nichtpreislichen Elemente ihres Angebots aber nicht ändern.
Multiattributive Auktion
Ähnlich wie eine gewichtete Auktion. Der einzige Unterschied: Die Teilnehmer können die nichtpreislichen Elemente ihres Angebots bei Bedarf anpassen, um ihre Gesamtbewertung zu verbessern.