Vom Aufstieg des einstigen Staatsunternehmens, waghalsigen Expansionsaktivitäten, tiefen Krisen und zahlreichen Sanierungsplänen handelt die wechselvolle Geschichte der Telekom. Sie ist reich an einschneidenden strategischen und organisatorischen Wendungen, kleinen und großen Skandalen und nicht zuletzt an technischen Innovationen.
Auf den folgenden Seiten schildern wir die wichtigsten Stationen und Meilensteine des bedeutendsten deutschen TK-Unternehmens ausführlich. In unserer Bilderstrecke können Sie zudem die Geschichte der Telekom im Zeitraffer miterleben.
Das Handwerkszeug: Die ersten Telefone
Die Historie der Telekom beginnt eigentlich im Jahr 1860, als Philipp Reis das Telefon erfindet. Das erste der Geräte funktioniert allerdings erst 1877, und zwar in Berlin. Dort befindet sich auch ein Knoten des ersten vermittelten Fernsprechnetzes, zu dem außer Berlin noch Frankfurt/Main, Breslau, Hamburg und Köln gehörten. 1904 entwickelt Wilhelm Quante in Wuppertal die erste Telefonzelle.
Die staatlichen Anfänge: Telekommunikation als Geschäftszweig der Deutsche Bundespost
1950 tritt die Deutsche Bundespost, der Vorläufer der Telekom in Staatseigentum, das Erbe der Deutschen Reichspost an. Sie ist damals noch für Post und Telekommunikation zuständig. Dabei sollte es lange bleiben. Dafür geht es technisch voran: Mitte der 50er Jahre beginnt die allmähliche Ablösung des "Fräulein vom Amt"; ersetzt werden die freundlichen Vermittlerinnen durch den Selbstwähldienst, den der Amerikaner Simon Strowger schon 1891 erfunden und in den USA hatte patentieren lassen. Allerdings war es erst 1966 endgültig vorbei damit - in Uetze bei Hannover schloss die letzte Vermittlung.
1958 kommt das erste Mobilfunknetz, das A-Netz, mit seinen gewaltig großen Telefonen. Wer sie benutzt, muss wichtig sein: Handvermittelte Gespräche und ein 16 Kilo schweres Telefon stehen handverlesenen 10000 Teilnehmern zur Verfügung. Erst 1972 startet das B-Netz, in dem Selbstwählen möglich ist - aber nur, wenn man die Ortsvorwahl des anderen Mobilteilnehmers kennt! Ab 1965 kann man von Deutschland aus auch ins Ausland telefonieren. Der Grund: "Early Bird", der erste kommerzielle Nachrichtensatellit, ist im Orbit. Gestartet ist dieser in den USA.
1977 beginnt der Einstieg in das, was man heute Neue Medien nennt: Die Deutsche Bundespost stellt auf der Funkausstellung BTX vor, Bildschirmtext. Entwickelt wurde die Technologie vom späteren T-Online-Manager Eric Danke. Erst 1983 steht der BTX-Dienst allerdings nach Abschluss eines Staatsvertrags offiziell zur Verfügung. Ein Renner wird sie nie - erst Mitte der Neunziger und gekoppelt mit E-Mail und Internetzugang knackt sie die Millionen-Nutzer-Grenze. Und 2001 ist es mit BTX auch schon wieder vorbei. In Frankreich hat ein vergleichbarer Dienst, Minitel, aufgrund einer aggressiven Vermarktungsstrategie dagegen Riesenerfolg: die Terminals dafür stellt France Telekom kostenlos zur Verfügung. Zeitweise nutzt rund die Hälfte der Franzosen Minitel.
1985 nimmt das erste zelluläre Mobilfunknetz seinen Dienst auf. Nutzer sind damit bundesweit unter einer Rufnummer erreichbar. 1989 folgt ISDN, dessen Fähigkeiten weltweit bewundert werden und das Vordringen der IP-Telefonie in Deutschland lange behindern: Was die anfangs können, kann ISDN schon lange, und ganz ohne Aufpreis.
Business unter neuen Voraussetzungen: Privatisierung
1990 beginnt eine seitdem nicht mehr enden wollende Kette von Umstrukturierungen, deren Ziel die Privatisierung des bis dahin staatlichen Telekommunikationswesens ist - eine hürdenreiche Strecke mit vielen Schlaglöchern auch für die Kunden des Unternehmens. Zunächst wird die Deutsche Bundespost im Rahmen der sogenannten Postreform I unter Postminister Christian Schwarz-Schilling in Postbank, Postdienst und Deutsche Bundespost Telekom aufgespaltet. Doch ist dies nur ein erster, kleiner Schritt.
Im Jahr 1992 steigt das Unternehmen gleich auf mehreren Ebenen in die telekommunikative Zukunft ein: Erstens beginnt mit dem Start des D1-Netzes der Siegeszug des Handys. Bis dahin nämlich waren Mobiltelefone eher selten, da teuer, umständlich zu benutzen und ziemlich unhandlich. Das auf GSM (Global System for Mobile Communication)-Technologie basierende Netz sorgt für kleinere Geräte und günstigere Tarife. Innerhalb von nur zwei Jahren telefonieren in Deutschland eine halbe Million Menschen über die drahtlose Infrastruktur.
Gleichzeitig werden große Teile Westeuropas mit dem schnellen und multimediatauglichen ATM-Netz (Asynchronous Transfer Mode) verbunden und die erste Glasfaserverbindung in die USA verlegt. Heute sind schnelle Glasfaserverbindungen das kommunikationstechnische Rückgrat der Globalisierung. Auch im eigenen Land rückt 1992 endlich zusammen, was zusammen gehört: Ost- und Westdeutschland telefonieren endlich wieder in einem Netz.
Erste Auslandsaktivitäten und Börsengang
1993 kauft die Telekom Anteile am ungarischen Provider Matav. Diesem ersten Expansionsschritt ins Ausland folgen viele weitere, teilweise mit fast ruinösen Konsequenzen, die letztlich die Telekom aber zum globalen Player machen.
1995 ist wieder Reform, Postreform 2 diesmal. Die Deutsche Bundespost Telekom wird zur Deutschen Telekom AG. An den Eigentumsverhältnissen ändert das vorerst nichts: Alle Aktien liegen beim Bund. Außerdem soll die Marke T-Online das verstaubte Image der Telekom aufpolieren. Zunächst offeriert die Deutsche Telekom AG unter dem neuen Namen den Ladenhüter BTX, aber nun mit Internet-Browser und Mail, was die Nutzerzahlen in den kommenden Jahren deutlich steigert.
Die technischen Voraussetzungen für diesen Erfolg hatten andere geschaffen: Schon 1991 gab Tim Berners-Lee seine Erfindung, die Auszeichnungssprache HTML (Hypertext Markup Language), die Basis der gesamten modernen Web-Technologie, für die allgemeine Nutzung frei. Und als Microsoft 1995 den Internet Explorer 1.0 auf den Markt bringt, entdecken immer mehr Menschen die rapide expandierenden Weiten des World Wide Web.
Ebenfalls 1995 wird Ron Sommer CEO der Deutschen Telekom AG. Der auf internationalem Parkett bekannte Manager will die Telekom international zum führenden TK-Unternehmen aufbauen.
Der erste Börsengang
1996 geht die Telekom zum ersten Mal an die Börse und erlöst - damals noch in D-Mark - 10 Milliarden Euro. Die T-Aktie soll eine Volksaktie werden, deshalb erhalten Privatkunden einen reduzierten Emissionspreis, es wird sogar ein eigenes Informationsforum, das Aktieninformationsforum (AIF) gegründet, einzig und allein mit der Aufgabe, dem bisher eher aktienträgen Volk die Wertpapiere schmackhaft zu machen.
Die Strategie hat Erfolg: 1,8 Millionen Privatanleger, davon mehrere Hunderttausend Erstaktionäre, schlagen zu und bekommen Aktien zum Stückpreis von 28,50 D-Mark (14,57 Euro). Trotz Erhöhung des Ausgabevolumens ist das Papier fünffach überzeichnet. Anleger sehen den Kurs ihrer Aktie schon am ersten Tag um fast 19 Prozent steigen. Doch wer die Aktie zu lange hält, landet später in jedem Fall im Minus.
Für die zweite Charge, die am 28. Juni 1999 unters Volk geworfen wird, müssen Interessenten schon 39,50 Euro und damit mehr als doppelt so viel hinblättern. Ausgegeben werden diesmal knapp 281 Millionen Stück, was zu einem Ausgabevolumen von 10,8 Milliarden Euro führt. Im Jahr 2000, kurz vor dem allgemeinen Crash im Zug der Internet-Blase, emittiert die Deutsche Telekom nochmals 200 Millionen Aktien, diesmal für 64,38 Euro, was 13 Milliarden Euro in die Kasse spült.
Im Juni 2002 steht die Telekom-Aktie dann knapp unter acht Euro - mithin für die Investoren ein Verlust zwischen 60 und fast 90 Prozent. Im Juni 2011 notiert das Papier zwischen 10 und 11 Euro. An den Folgen des Absturzes laboriert die Telekom noch heute, unter anderem in Form langwieriger Prozesse. Anlegern in den USA, die gegen die Angaben im Börsenprospekt geklagt hatten, musste die Telekom beispielsweise 112,5 Millionen Euro zahlen. Derzeit versucht die Telekom, diese Summe von der Bundesregierung und der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) zurück zu erstreiten.
Volldigitalisierung, Expansion und beginnender Wettbewerb
Zurück zur Technik: Seit 1997 sind alle Vermittlungsstellen im Telekom-Netz digitalisiert, das Land hat nun das modernste TK-Netz der Welt. Doch die Freude währt nicht lange. Denn 1998 öffnet sich der Markt, von nun an muss sich die Telekom anders als bisher der Konkurrenz stellen. Die neuen Player werden bei der Eroberung von Marktanteilen durch die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation unterstützt, die das alte Bundespostministerium ablöst. Allerdings besitzt die Telekom noch immer das Netz. Niemand kommt vorläufig auf dem Weg zu den Endkunden an ihr vorbei.
Am 1. Juni 1999 startet die Telekom die Breitbandvernetzung mit T-DSL. Die Bandbreite damals: 768 kbit/s im Downstream und 128 kbit/s im Upstream. Im Einstiegsjahr entschließen sich ganze 2900 Kunden, den Dienst zu nutzen. Als erstes gib es die Technologie in Berlin, Bonn, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Stuttgart. Zunächst ist DSL nur zusammen mit ISDN erhältlich.
Ab Mitte 2000 können auch Analogtelefonierer via DSL ins Internet. Bezahlen müssen sie aber genau so viel. Die Bandbreite steigt in den folgenden Jahren stetig, doch für Landbewohner mancher Gegenden bleibt der Breitbandanschluss noch lange ein Traum - für manche bis heute.
Außerdem expandiert die Telekom nach Großbritannien. Sie kauft den Provider One 2 One mit rund 16 Prozent Anteil am britischen TK-Markt für rund 20 Milliarden Mark.
Gleichzeitig verkündet Sommer die Vier-Säulen-Strategie, rückblickend ein Kind der Internet-Blase: Die Geschäftsfelder werden stärker verselbständigt und teilweise an die Börse gebracht, T-Online in eine selbständige AG ausgelagert. Das Mobilfunkgeschäft heißt nun T-Mobile AG, das Privat- und Mittelstandsgeschäft im Festnetz T-Com. Das Systemgeschäft wird durch den Ankauf der Mehrheit der Anteile am Systemhaus Debis von Daimler-Chrysler erheblich ausgedehnt und landet Anfang 2001 in der T-Systems GmbH. Über allem thront als Holding die DTAG.
Weitere Schritte folgen rasch. Am 17. April 2000 geht T-Online an die Börse. 20fach überzeichnet, wird das Papier für 27 Euro emittiert. T-Mobile kauft just vor dem Platzen der Internet-Blase den US-Mobilfunker Voicestream für 53 Milliarden Dollar und Powertel für 5,89 Milliarden Dollar. Das scheint vielen stark überteuert. Als könnte er selbst Geldscheine drucken, ersteigert Telekom-Chef Sommer zum Ergötzen der staatlichen Kassenwarte auch noch zwei UMTS-Lizenzen. Preis: 16,58 Milliarden Mark. Folge der ungehemmten Expansion: Der Konzern versinkt in Schulden. Der damalige Finanzminister Eichel witzelte: "UMTS steht für Unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung von Staatsschulden".
Die große Krise und die Folgen
Dann platzt die Internet-Blase, und nicht nur der Kurs der Telekom verfällt - bis Sommer 2002 auf Werte unter zehn Euro. Auf Druck des Aufsichtsrats muss Sommer seinen Hut nehmen. Wer sein gesamtes Geld in die vermeintliche Rentneraktie gesteckt hat, ist jetzt neun Zehntel davon los. Als schwachen Ausgleich gibt es Neues im technischen Bereich: Die Deutsche Telekom präsentiert ihr erstes UMTS-Testfahrzeug. T-Systems übernimmt den Rest der Debis-Anteile.
Im November 2002 übernimmt nach einer Übergangsphase von einigen Monaten Kai-Uwe Ricke das Ruder. Das Amt kommt damit sozusagen zurück in die Familie: Rickes Vater, Helmut Ricke, ist der ehemalige Chef der DBP-Telekom Helmut Ricke. Wichtigste Aufgaben von Ricke junior: Die Schulden senken und Marktanteile gewinnen. Dafür muss er entlassen: Bis zu 50000 Telekom-Mitarbeiter sollen gehen, was sofort Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft zur Folge hat.
Im ersten Quartal 2003 zeigt der Sanierungskurs erste Erfolge: Die Telekom erwirtschaftet wieder einen Quartalsgewinn von 650 Millionen Euro - doch diesem stehen mehr als 50 Milliarden Schulden gegenüber. Bezüglich des Gesamtjahres spricht CEO Ricke später trotz eines Schuldenstands von immerhin noch 49 Milliarden Euro - mehr als so mancher Staatshaushalt - vom Turnaround. Das Gesamtunternehmen gibt sich das schöne Leitbild: "Qualität, Effizienz und Innovation".
Gleichzeitig werden Call Center zusammengelegt und der Service an externe Dienstleister ausgelagert. Wer in die Mühlen der Service-Warteschleifen gerät oder als Landbewohner um einen DSL-Anschluss barmt, fragt sich, ob das Motto als Utopie gemeint ist. Die Konzerntochter T-Online gerät wegen des unbefugten Speicherns von Kundendaten ins Gerede und erhält den Big Brother Award.
Aus vier mach drei: Noch eine neue Strategie
2004 wird schon wieder eine neue Strategie verkündet: Wegen der finanziellen Erfolglosigkeit von T-Online soll sich das Geschäft fortan auf nur noch drei Säulen stützen: Breitband/Festnetz, Mobilfunk und Geschäftskunden. Warum, erklärt Kai-Uwe Ricke in der Computerwoche. Ersteren Bereich verantwortet der ehemalige IBM-Deutschland-Chef Walter Raitzner. Neue Umsätze soll das UMTS-Netz bringen, das T-Mobile als zweiter Anbieter deutschlandweit im März freischaltet.
Gleichzeitig verstärkt die Regulierungsbehörde gezielt den Wettbewerb: Ab 2004 muss die Telekom ihre DSL-Zuleitungen für den Resale durch andere Anbieter öffnen. Unabhängige DSL-Angebote, vorläufig noch gekoppelt an einen Telekom-Hauptanschluss, schießen aus dem Boden. Folgen hat die neue Linie 2005 zunächst für die damals bei zirka acht Euro an der Börse notierende T-Online: Im April kauft die Telekom 20,4 Prozent des Unternehmens zurück.
Auf der jährlichen Hauptversammlung beschließen die Telekom-Aktionäre, T-Online wieder ganz ins Mutterhaus zu holen. Aktionäre von T-Online sollen für ein Papier 0,52 Telekom-Aktien erhalten. Sie meutern und klagen vor Gericht, weil sie sich angesichts des hohen Emissionspreises übers Ohr gehauen fühlen. Erst 2006 genehmigt der Bundesgerichtshof die Verschmelzung. 2010 erhalten ehemalige T-Online-Aktionäre als Draufgabe eine einmalige Zuzahlung von 1,15 Euro pro T-Online-Aktie diese Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht erst im laufenden Jahr 2011 abgesegnet.
Im November 2005 verkündet Ricke, weitere 32000 Mitarbeiter im Telekom-Konzern müssten gehen. Die Gewerkschaft protestiert und kann im Rahmen eines Beschäftigungspaketes 14000 Arbeitsplätze bis 2008 sichern. Gleichzeitig werden fürs Geschäftsjahr 2004 52 Cent Dividende ausgeschüttet.
Tragisches gibt es von T-Systems zu vermelden: Vollkommen unerwartet verstirbt Konrad F. Reiss, der Vorstand von T-Systems. Im Verlauf des Jahres übernimmt Lothar Pauly das Geschäft mit den 160000 Geschäftskunden. Er lenkte zuvor die Geschicke des Siemens-Kommunikationstechnikbereichs und verschlief dabei den rechtzeitigen Einstieg in die IP-Telefonie. Gegen Jahresende übernimmt Pauly die VW-IT-Sparte Gedas für rund 450 Millionen Euro -abgewickelt wird dieser Kauf aber erst 2006.
Lichtblick Technik
Die Technik sorgt mal wieder für Lichtblicke: Die LKW-Maut, an deren Umsetzungskonsortium Toll Collect die Telekom mit 45 Prozent beteiligt ist, startet. In Berlin eröffnet die Deutsche Telekom eine neue Forschungs- und Entwicklungsstätte, die Deutsche Telekom Laboratories. Hier soll in Kooperation mit der TU Berlin zukünftige IuK-Technik entstehen. T-Mobile demonstriert als einer der ersten Provider HSDPA (Highspeed Downlink Packet Access). Damit können Daten mit bis zu 7,2 MBit/s auf mobile Geräte heruntergeladen werden.
2006 gibt es 72 Cent Dividende: Die Telekom ist aus dem Tal und hat 2005 das beste Geschäftsjahr in finanzieller Hinsicht hinter sich gebracht. T-Online wird nach viel rechtlichem Geplänkel zur Organisationseinheit "Products & Innovation" im strategischen Geschäftsfeld Breitband/Festnetz der Deutschen Telekom. Der Bund verkauft 4,5 Prozent der Telekom an die Blackstone-Gruppe und erlöst dafür 2,3 Milliarden Euro.
Der Dienstleister T-Systems mit seinen vielen Tochterunternehmen, darunter die für 160000 KMUs zuständige T-Systems Business Services, hängt weiter in den Seilen: Die Zahlen stimmen nicht. Deshalb sollen die Mitarbeiter sich nun vor allem in höherwertigen Tätigkeiten wie Projektmanagement üben; die Programmierung wird künftig verstärkt im Billig-Ausland abgewickelt.
Immerhin gibt es technische Highlights. Schon im Mai 2006 ist die HSDPA-Technologie im gesamten UMTS-Netz verfügbar, für GSM stellt T-Mobile EDGE (Enhanced Datarates for GSM Evolution) zur Verfügung, was immerhin 220 KBit/s im Down- und 110 KBit/s im Upload bedeutet. Während es im eigenen Unternehmen viele Baustellen und auf dem flachen Lande gewaltige Lücken im DSL-Netz gibt, drängt es die Deutsche Telekom in die Zukunft: Gesucht wird die T-City, eine Stadt zwischen 25.000 und 10.0000 Einwohnern, die hochmoderne Breitbandtechnik erhalten soll. Gewinner, so verkündet das Unternehmen im Februar 2007, ist Friedrichshafen am Bodensee.
Die Ära Obermann: Tarifkampf und Bereinigung im Markenchaos
Und schon ist wieder Zeit für einen neuen Mann an der Spitze: Am 13. November 2006 übernimmt René Obermann den Chefposten bei der Deutschen Telekom - Ricke scheidet aus Altersgründen aus. Timotheus Höttges übernimmt den Vorstand der T-Com sowie Vertrieb und Service in Deutschland. Hamid Akhavan leitet T-Mobile sowie Produktentwicklung und Innovation.
"Konzentrieren und gezielt wachsen" heißt das Motto des neuen Steuermanns. Doch zunächst beweist Obermann 2007 vor allem Mut zum Konflikt, denn von einem dauerhaften Abschied aus dem wirtschaftlichen Jammertal kann bei der Telekom keine Rede sein: Auf eine Gewinnwarnung folgt wieder mal ein Kurssturz.
Einschneidende Maßnahmen sollen es richten: Wegen des Plans, 50000 Telekom-Mitarbeiter ab 1. Juli 2007 in drei tariflich schlechter gestellte Servicegesellschaften, nämlich DT Technischer Service GmbH, DT Netzproduktion GmbH und DT Kundenservice GmbH auszulagern, gibt es wieder mal Krach mit der Gewerkschaft. Ende Juni stimmen aber die bei ver.di organisierten Gewerkschaftler mehrheitlich einem Kompromiss zu.
T-Systems-Chef Lothar Pauly erweist sich als unglückliche Wahl: Er muss Ende Mai gehen. Vermutet wird, dass er in die Siemens-Korruptionsaffäre verstrickt ist, außerdem agiert T-Systems nicht sonderlich erfolgreich. Nun soll es die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partner richten, der ab März gesucht wird. Am 1. Dezember übernimmt Reinhard Clemens den Vorstandsposten für Geschäftskunden und damit T-Systems, zuvor hatte Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick diese Aufgabe kommissarisch inne.
T-Home wird geboren
Da er gerade am Aufräumen ist, tut Obermann dies auch mit dem Markensalat der Telekom: T-Com und T-Online verschmelzen im Juni zu T-Home, T-Online bezeichnet fortan nur noch das Internetportal. Zwei Tochterunternehmen von T-Online in Frankreich und Spanien stößt Obermann ab. Die Zweitmarke Congstar bietet nun günstige Mobilfunkleistungen an.
Die zirka 800 Läden der Deutschen Telekom heißen nicht mehr T-Punkt sondern Telekom Shop. Für den Mobilbereich kauft Obermann Ende September Orange Netherlands für rund 1,3 Milliarden Euro und gewinnt so 4,8 Millionen Kunden. In den USA erwirbt er für 1,6 Milliarden Dollar Suncom und damit Infrastruktur und Kunden im Süden der Vereinigten Staaten und in der Karibik.
Das Privatleben ihres Chefs bringt die Telekom mehr als irgendetwas sonst in die Medien: Obermann tut sich mit Nachrichtensprecherin und Talkshow-Moderatorin Maybrit Illner zusammen, wie in sämtlichen Presseorganen gemeldet wird. Spiegel Online titelt am 5.11.2007: "Illner mit Obermann: Königspaar aus Berlin-Mitte".
Schlammschlacht: Steuerhinterziehung und Big Brother Telekom
Wahrscheinlich war der Telekom-Chef 2008 sehr froh über die private PR-Beratung der News-Frontfrau im Hause. Denn 2008 wird ein schwarzes Jahr für das Image der Deutschen Telekom. Am 14. Februar stürmt ein Rollkommando der Bochumer Staatsanwaltschaft durch Klaus Zumwinkels privates Anwesen, andere Beamte filzen gleichzeitig das Büro des Deutsche-Post-Chefs im Bonner Post-Tower.
Die Anklage: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Zumwinkel tritt von seinen Ämtern zurück, darunter auch von seinem Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Telekom.
Auf der Hauptversammlung der Telekom im Mai ist man trotzdem fröhlich: Die Aktionäre bekommen 0,78 Euro Dividende. Obermann verkündet, die Deutsche Telekom wolle einer der Marktführer für Produkte um "das vernetzte Leben und Arbeiten weltweit" werden. Weil das Tochterunternehmen dafür nicht nötig ist, verkauft Obermann im Herbst DeTe Immobilien nach Österreich.
Dann wird das Unternehmen erstmal wegen Spitzeleien an den Pranger gestellt: Weil Medien zu oft Unliebsames über Konflikte innerhalb des Telekom-Vorstands berichtet haben, hatte der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Zumwinkel zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Ricke angeordnet, durch Untersuchungen herauszufinden, wie diese Informationen an die Medien kamen. 2005 und 2006 wurden dann mehrere Dutzend Menschen im Auftrag der Deutschen Telekom gezielt bespitzelt, darunter mehrere Journalisten und auch der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske. Die Dreckarbeit erledigte nicht die Telekom selbst, sondern externe Sicherheitsdienstleister.
Der Spiegel deckt durch einen Artikel Ende Mai 2008 die Affäre auf. Der Ruf der Telekom ist ruiniert. Immerhin bleibt der neue Chef Obermann aus der Schusslinie. "Telekom-Aufsichtsrat stellt sich hinter Obermann", berichtete die Computerwoche am 29.5.2008. Der Manager konnte deshalb später besser aufräumen.
Die Folgen des Prozesses
In der Folgezeit müssen sich unter anderem der damalige Vorstandsvorsitzende Ricke, Aufsichtsratschef Zumwinkel und der Abteilungsleiter der Ermittlungseinheit der Konzernsicherheit, Klaus Trzeschan, juristisch verantworten. Der Prozess schädigt das ohnehin ramponierte Image der Telekom weiter. Spiegel online spricht am 3.9.2010 vom "Psychogramm eines zeitweise paranoiden Konzerns". Verurteilt wird im November 2010 jedoch einzig Trzeschan, den anderen Beschuldigten kann kein juristisch relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden. Obermann gelobt Besserung und macht Manfred Balz am 22. Oktober 2009 zum Vorstand für das neugeschaffene Ressort Datenschutz, Recht und Compliance.
Geschäftlich verschärft sich 2008 die Konkurrenz im DSL-Geschäft: Die Telekom muss nun ihre Anschlüsse als Standalone-Bitstream, sprich für Endkunden ohne Festnetzanschluss der DTAG, freigeben. Während in den Städten bereits das Zeitalter der VDSL-Glasfaserkommunikation verkündet wird, klaffen auf dem Land noch immer Lücken, wo nur das viel zu schmale ISDN zugänglich ist.
T-Mobile zeigt im Oktober die erste Demonstration eines LTE (Long Term Evolution)-Handover. LTE ist die breitbandige Nachfolgearchitektur für den Mobilstandard UMTS. Außerdem wird T-Mobile deutscher Exklusiv-Vertriebspartner für Apples iPhone und präsentiert mit dem T-Mobile G1 das erste Handy mit dem Google-Betriebssystem Android. Schon im Oktober titelt die Computerwoche online: "Android-Phone T-Mobile G1 ausverkauft." 1,5 Millionen Geräte sind bis dahin über den Ladentisch gegangen. Auch finanziell läuft es 2008 mit einem Konzernüberschuss von 3,4 Milliarden Euro gut für die Telekom.
Ende der Säulenstrategie
2009 verabschiedet sich die Telekom endgültig von der Mehrsäulen-Strategie. Stattdessen strafft Obermann weiter: Er führt das Festnetzgeschäft von T-Home und das Mobilfunk-Business von T-Mobile zusammen und holt den Löwenanteil von T-Systems, nämlich die für den Mittelstand zuständigen Business Services, zurück in den Mutterkonzern. Nur Großkunden bleiben bei T-Systems International.
Ende des Jahres stimmen die Aktionäre bei einer außerordentlichen Hauptversammlung der Gründung der Telekom Deutschland GmbH zu, die das gesamte deutsche Geschäft der Telekom umfasst.
Obermann bündelt außerdem Produktentwicklung, IT und Technik für ganz Europa und wertet neue Märkte in Südosteuropa auf. Hinsichtlich T-Mobile entschließt sich Obermann im Oktober, ein Joint Venture mit France Telecom einzugehen. Zudem sollen T-Mobile UK und Orange UK zu einem neuen Unternehmen zusammengeführt werden, das dann knapp 35 Prozent des britischen Mobilmarktes bedient.
In Zukunft sollen Telekom-Kunden, egal, von welchem Endgerät aus, auf alle Services zugreifen können. Wie das (nicht) geht, können sie im April erforschen, als wegen technischer Probleme auf den Servern, die die Kenndaten der Nutzer speichern und auf die SIM-Karten zugreifen, nichts mehr geht.
Eine Quote für die Telekom
2010 verkündet René Obermann wieder mal ein neues Telekom-Motto: "Verbessern, verändern, erneuern", als ob es in den letzten Jahren nicht schon genug Veränderung gegeben hätte. Am 1. April kommt T-Mobile ins Stammhaus zurück. Das operative Geschäft liegt nun bei Telekom Deutschland GmbH, T-Systems International GmbH und T-Mobile International GmbH, über denen die Deutsche Telekom AG als Holding thront.
Außerdem verordnet sich die Telekom als erstes DAX-Unternehmen eine Frauenquote: Bis 2015 soll ein Drittel der mittleren und oberen Führungspositionen mit Frauen besetzt werden. Der ehemalige Cisco-Manager Edward Kozel übernimmt den Job des Cheftechnologen der Telekom. Im April ersteigert das Unternehmen auf der LTE-Auktion 95 MHz Bandbreite oder zehn Blöcke. Die Konkurrenten O2 (elf Blöcke) und Vodafone (zwölf Blöcke) haben mehr.
Die LTE-Frequenzversteigerungen spülen mehr als vier Milliarden Euro in die klammen Staatskassen, die Telekom investiert 1,3 Milliarden Euro. Außerdem startet die Telekom Videoload, ein 3D-Videoservice über DSL. Nötig ist nur ein 3D-fähiger Bildschirm respektive ein entsprechendes Fernsehgerät. Doch wer hat im Jahr 2010 schon so etwas?
Die Telekom wird zum Stromhändler
Am 7. September 2010 verkündet die Telekom, man wolle zukünftig viel Geld mit intelligenten Netzen für Gesundheit, Mobilität und Energie verdienen. Bis 2015 sollen so mehr als eine Milliarde Euro in die Kasse fließen. Im Dezember 2010 bahnt sich eine enge Kooperation zwischen dem konventionellen Energieanbieter Eon und der Telekom an, denn Eon vergibt Großaufträge an T-Systems. Zudem kooperiert die Telekom mit der Stadt Duisburg, wo Smart-Grid-Pilotprojekte aufgebaut werden.
2011 intensiviert der Konzern das Engagement auf dem Strommarkt: Auf der Energiemesse E-World präsentiert die Telekom unter anderem eine Energieverbrauchsberatung für Unternehmen. Im Mai verkündet das Management, dass die Telekom-Läden künftig auch Eon-Strom verkaufen.
2011: Hoffnung und Enttäuschung liegen dicht beieinander
Das Jahr 2011 brachte bei der Telekom zunächst ein großes Stühlerücken: Europa-Chef Guido Kerkhoff drängte es zu Thyssen-Krupp, wo er den Finanzvorstand übernahm (ein neuer Job, den er heute vielleicht angesichts der schlechten Lage des Stahlkonzerns nicht mehr annehmen würde). Bei T-Systems wurde Dietmar Wendt Vertriebsleiter, Servicechef Olaf Heyden wurde im März durch den ehemaligen EDS-Chef Hagen Rickmann ersetzt und Ulrich Meister übernahm die Sparte Systemintegration.
Im Mai schob Telekom-Chef Obermann zwei Personalien nach, die davon zeugen, dass die kurz zuvor definierte Frauenquote bei der Telekom nicht nur auf dem Papier steht: Ex-Präsidentin der Hochschule München, übernahm das Ressort Personal, und die Physikerin Claudia Nemat, Ex-McKinsey-Direktorin Technologie für den Bereich EMEA, den von Kerkhoff verlassenen Posten des Europa-Chefs. Ein weiteres erfolgreiches Personalereignis war die Verleihung des renommierten Leibniz-Preises an Professorin Anja Feldmann. Sie hat eine Stiftungsprofessur der T-Labs an der TU Berlin inne und leitet die Forschungsgruppe Intelligente Netze und gemanagte verteilte Systeme der TU Berlin.
Dann folgte ein ökonomischer Schachzug, der die Telekom endlich von ihrem Sorgenkind, dem Mobilgeschäft in den USA, befreien sollte. Das hatte sich nach hoffnungsfrohem Einstieg als nerventötendes Fass ohne Boden entpuppt. Der Plan: AT&T kauft der Telekom T-Mobile USA für 39 Milliarden Dollar ab und beteiligt den deutschen TK-Primus als einen Teil des Kaufpreises mit acht Prozent am eigenen Unternehmen. Management und Analysten frohlockten, endlich schien der Klotz am Bein abgelegt. Doch vor die Freude haben die Gesetzgeber die Genehmigung durch die Regulierer gesetzt…
Dass in den USA etwas geschehen musste, zeigten auch die im August präsentierten Telekom-Zahlen zum zweiten Quartal des Jahres: Dort ging der Umsatz um 6,8 Prozent zurück, im fortzuführenden Geschäft um 2,6 Prozent. Das ist zwar auch kein Grund zum Jubeln, konnte allerdings mit einer gewissen Berechtigung vor allem auf das naturgemäß abbröckelnde Festnetzgeschäft des Ex-Monopolisten zurückgeführt werden, während Neugeschäft und Margen wuchsen. Doch auch jetzt stand die Genehmigung der amerikanischen Behörden zum AT&T-Deal aus, und die zeigten sich extrem skeptisch und anspruchsvoll. Das Management unternahm weiter allerlei, um seine mit den Wünschen der Antitrust-Wächter in den USA übereinzubringen.
Um dem bröckelnden Festnetz-Business etwas entgegenzusetzen, investierte die Telekom ganzjährig weiter in neue Geschäftsfelder, zuvorderst Mobile. Großes Engagement steckt der Anbieter hier seit 2011 in die mobile Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, relevant beispielsweise für Telematikanwendungen, Steuertechnik im Allgemeinen und Innovatives. Eine Vereinbarung mit Telia Sonera sicherte Roaming-Fähigkeiten von M2M-Karten in Nordeuropa und dem Baltikum, und eine Kooperationsvereinbarung mit Intel versprach neue, gemeinsam entwickelte M2M-Produkte.
Die können vielerlei sein: So lieferte die Telekom dem Carsharing-Unternehmen car2go eine M2M-SIM-Karte und hat damit einen Fuß in einem der wichtigsten Telematikmärkte. Hinzu kommen mobile Gesundheitsdienste und -geräte (für die die Telekom im August 2011 ihre Läden öffnete), mobiles Bezahlen oder das drahtlose Auslesen von intelligenten Zählersystemenim Energiebereich, wo die Telekom ihr Engagement durch Cloud-Lösungen für Provider und komplette Smart-Meter-Services-Angebote etc. untermauert.
Klar, dass bei derart verlockenden Geschäften die Netze im Funkbereich schnellstens ausgebaut und weiter beschleunigt werden. Die Zukunft heißt hier LTE: Zur MobileWorld 2011 bringt die Telekom einen ersten LTE-Stickund im Juni wird Köln die erste von 100 geplanten "LTE-Städten" der Telekom. Neue, günstige Flatrates für Sprache und Daten sollen Kunden zu T-Mobile locken.
Auch für den Einstieg in die Cloud, ein weiteres Zukunfts-Geschäftsfeld, will der Provider seine Kunden motivieren: Er kreiert ein kostenloses Serviceangebot, das für alle Telekom-Kunden kostenlos zur Verfügung steht und mit allen Endgeräten funktioniert. Anders dagegen bei Breitband-Glasfaser: Wohl hauptsächlich, weil alternative Provider wie m-net in München hier munter voranpreschen, verkündet auch die Telekom im Februar 2011 mit großem Getöse eine FTTH-Ausbauinitiative für zehn Städte.
Zum Jahresende gibt es noch einmal größere Neuigkeiten: Erstens, das ist aus Telekom-Sicht sozusagen die positive, wird die interne IT, bei der Telekom naturgemäß ein Kernbestandteil des Geschäfts, zu T-Systems verlagert. Das bedeutet für den bisherigen CIO Steffen Roehn den Abschied. Er sei T-Systems gegenüber zu sehr als fordernder externer Kunde aufgetreten, um nun den neuen Bereich dort integrieren zu können, begründet der Manager den Ausstieg; erst 2012 wird ein Nachfolger benannt.
Die zweite Nachricht ist dann der Tiefschlag zum Jahreswechsel: AT&T und Telekom kapitulieren vor den Einwänden der Regulierungsbehörden und geben ihren geplanten T-Mobile-Deal auf. Der Klotz hängt wieder fest am Bein der Telekom. Wahrscheinlich hätte sich René Obermann ein anderes Weihnachtsgeschenk gewünscht.
2012: Krisenbewältigung USA, Kooperation und der Sprung in die Wolke
Nachdem Ende 2011 klar geworden war, dass die Krisenbewältigung USA nicht funktionieren würde wie geplant, verkündete die Telekom im Februar zunächst, man werde den zukunftsträchtigen Bereich P&I neu strukturieren, um die Umsatzgewinnung jenseits des bröckelnden Kerngeschäfts zu intensivieren: Kommunikationsdienste, Medien/Unterhaltung, Cloud-Dienste, Werbung, Anzeigengeschäfte und Bezahldienste heißen jetzt die sechs erklärten Zukunftsfelder unter Chefinnovator ist Thomas Kiessling. Kooperationen, intern wie extern, sollen zukünftig eine größere Rolle spielen. Dazu wird im März anlässlich der Cebit das Programm "Easy-to-Partner" für Software- und Serviceanbieter aus der Taufe gehoben. Außerdem entsteht die offene Entwickler-Community Developers Garden.
Das Partnerprogramm ist vor allem für das Cloud-Geschäft relevant, das die Telekom im Lauf des Jahres unter anderem mit einem Business Marketplace, ebenfalls zur Cebit präsentiert, vorantreibt. Weitere Marktplätze entwickelt man zusammen mit Fraunhofer-Instituten. Dienste wie das im Lauf des Jahres freigeschaltete De-Mail, Cloud-basierende Sicherheit, Conferencing und Software für Standard-Business-Aufgaben wie Finanzwesen oder Auftragsabwicklung sollen neue Kunden locken und alte binden. Sogar SAP-Daten analysiert die Telekom in der Cloud, die Ergebnisse wandern aufs Smartphone, wenn der Kunde das wünscht. Die Telekom-Cloud mit Services fürs breite Volk wird erweitert. Auch der Online-Kiosk PagePlace stellt seinen Reader auf Cloud-Betrieb um.
In Magdeburg und Biere (Sachsen-Anhalt) legt T-Systems den Grundstein für ein riesiges Telekom-Zwillingsrechenzentrum, nach Telekom-Angaben das bisher größte Deutschlands, um Ressourcen für die erwartete Wolken-Kundschaft zu schaffen. Und gegen Jahresende verkündet Boss Obermann sogar, man arbeite an einem eigenen Endgerät, das außer Surfen mit dem Firefox und der Benutzung von Cloud-Services wenig bis nichts könne, dies aber komfortabel und sicher (und hoffentlich mit auswechselbarem Akku!).
Anfang März ist mit Dr. Markus Müller ein neuer dauerhafter Chef für die ehemals interne IT der gesamten Deutschen Telekom, nun T-Systems zugeordnet, gefunden. Er hat die nach der Wachstumslogik der Wirtschaft merkwürdige, aber konzerntweit durchaus sinnvolle Aufgabe, den Umsatz seines Bereichs systematisch herunterzufahren, damit die IT-Kosten der Telekom insgesamt sinken. Um das zu stützen, muss der neue Bereich "Telekom IT" ab dem dritten Quartal keine Margen mehr ausweisen, sondern nur noch Kosten - mit anderen Worten: seine absichtlich schrumpfenden Umsätze sollen das auch ansonsten nicht übermäßig gloriose Ergebnis von T-Systems nicht verunzieren.
Gegen Jahresende folgt dann bei T-Systems eine weitere Umstrukturierung: Das Unternehmen hat jetzt nur noch zwei Geschäftsbereiche, Sales (unter Hagen Rickmann) und Delivery (unter Dr. Ferri Abolhassan). Der Grund: Das Geschäft mit Großkunden wird immer Cloud-lastiger.
Im April beginnt ein für die Telekom eher unerquicklicher Tarifstreit. Die Gewerkschaft fordert angesichts von Wirtschaftskrise und langjährig höchst moderaten Lohnerhöhungen 6,5 Prozent, die Telekom erklärt diese Forderung für vollkommen abstrus und bietet 3,5 Prozent in zwei Schritten, das Ganze endet vor der Schlichtung, und das Ergebnis wird anschließend als großer beiderseitiger Erfolg gefeiert. Es heißt: Eine um drei Monate verschobene Erhöhung um 2,3 Prozent 2012, zwei weitere im Abstand von je einem halben Jahr um je 2,1 Prozent - macht in der Summe 6,5 Prozent, allerdings mit einer größeren Zeitverzögerung.
Bei den Kooperationen läuft nicht alles wie gewünscht. Zwar erhebt keiner Einwände dagegen, dass die Telekom mobile Groupon-Angebote vermarktet, mit Samsung und einem Solaranbieter bei Hausnetztechnik kooperiert, Telepresence-Ressourcen mit Tata Communications teilt, VMware technologisch fest in seine Cloud-Angebote einbindet oder mit Téléfonica Teile der eigenen Netzinfrastruktur gemeinsam nutzt. Doch eine Vereinbarung mit NetCologne über die gegenseitige Verwendung von Netzzugängen stößt den Regulierern sauer auf, und sie verlangen bessere Konditionen. Erst im Juli schafft es die Telekom, die Behörde zufriedenzustellen. Die Änderungen sollen verhindern, dass der Ex-Monopolist seine Stellung zementiert.
Im Mobilfunk gibt es Licht und Schatten: Die Technologie feiert Jubiläum, der LTE-Ausbau schreitet voran, neue mobile Dienste sind der Top-Hoffnungsträger Obermanns, sie erzeugen, so der Manager, bereits zehn Milliarden Umsatz. Neue Initiativen im M2M-Bereich, unter anderem ein eigener Bereich auf der Entwicklerplattform "Developer Garden", sollen hier für weiteren frischen Wind sorgen.
Andererseits: T-Mobile Austria bekommt mit dem Ex-Austrian-Airlines-Vorstand Andreas Bierwirth einen neuen Chef und stöhnt ganz offiziell in einer Pressemeldung unter Preisverfall und Konkurrenzdruck - das muss Bierwirth aus dem Luftfahrtbereich gewohnt sein, wo ebenfalls raue Sitten gelten. Drüben, auf der anderen Seite des Ozeans, versucht man, Ersatz für den geplatzten Deal mit AT&T zu finden. Doch vorläufig verlässt im Juni erst einmal der T-Mobile-US-Chef Philipp Humm das Unternehmen. T-Mobile-COO Jim Alling übernimmt kommissarisch. Im September wird mit John Legere ein neuer Geschäftsführer für T-Mobile USA ernannt. Ende September gelingt ein Deal zur Vermietung und Nutzung von 6400 Mobiltürmen, weitere 800 werden verkauft und füllen Löcher in der Kasse von T-Mobile USA.
Nach dem als Befreiungsschlag gedachten Kauf des amerikanischen Providers Metro PCS für 1,5 Milliarden Dollar und 26 Prozent an der gemeinsamen, neuen Gesellschaft für die Aktionäre von MetroPCS im Oktober dominieren aber nicht Jubelhymnen, sondern skeptische Stimmen. Denn nun wird erst einmal eine buchhalterische Wertberichtigung von sieben bis acht Milliarden Dollar fällig, der die Telekom insgesamt ins Minus drückt. Telekom-Finanzvorstand Timotheos Höttges höchstselbst rechtfertigt den Deal mit neun Millionen neuen US-Kunden. Dass MetroPCS eine andere Technologie benutzt als T-Mobile USA sei kein Hinderungsgrund, sondern sogar ein Vorteil, denn man könne alle Kunden von MetroPCS nun schnell auf T-Mobile migrieren und das MetroPCS-Netz dann abschalten. Es bleibt zugunsten von Höttges zu hoffen, dass das die amerikanischen Kunden genau so sehen.
Denn Mitte Dezember präsentierte das Unternehmen ein weiteres Überraschungsei: Réné Obermann geht Ende 2013, um, wie er sagt, wieder stärker unternehmerisch tätig zu werden. Statt, wie nicht er, sondern die Autorin sagt, den schwerfälligen Riesen Telekom weiter durch die rauen internationalen Märkte zu steuern und dabei stets die empfindlichen Zehen der unzähligen Stakeholder geschickt zu umtanzen. Sein Nachfolger wird Höttges . Er soll nun beurteilen, wie gut seine eigenen Argumente als Finanzvorstand in Sachen MetroPCS wirklich waren.
Telekom 2013 bis 2015: Mit neuer Strategie zu neuen Ufern
Nach problematischen Jahren gibt sich die Telekom für die Jahre ab 2013 eine Strategie, die auf Cloud-Technologie, innovative Services und weitreichende Partnerschaften setzt. Gleichzeitig bereinigt das Unternehmen problematische "Baustellen".
Auffälligstes Merkmal der neuen Ära sind die vielfältigen und intensiven Kooperationen. Im Jahr 2013 entstehen unter anderem Partnerschaften mit Payback (Rabattsystem), Sky Deutschland und RTL (IPTV), AT&T (Netzressourcen), Daimler/BMW (Connected Car), IBM (Smart Cities), Mozilla-Foundation (Mozilla-Smartphone) ((Bild?)) Cloudera (Cloud-Analytics), Deutscher Buchhandelsverband (digitale Medien), Microsoft (Office 365), AirPlus, B+S Card Service und InterCard (mobiles Bezahlen), Evernote (E-Notizbuch in der Cloud), Telefónica (Highspeed-Infrastruktur), Cisco (Cloud-Teamwork), Vodafone (Magenta-Produkte), Orange Business Services (Videoconferencing), Arbeitsgemeinschaft Informationstechnik des Deutschen Anwaltsvereins (davit) (Cloud-Management für Anwaltsakten), Deutsche Leasing (Finanzierungsmodelle), Airbus, T-Systems und Rimowa (vernetzter Koffer).
2014 folgt eine ganze Reihe weiterer Partnerverträge mit Kiwi Security (automatische Gebäudesicherung), SugarCRM, dem Buchgroßhändler Libri (Tolino), China Mobile (Joint Venture für vernetzte Autos), Infineon (Industrie-4.0-Sicherheitslösung), Fireeye (Security-Service), Tibco (Enterprise Social Media), Dr. Neuhaus/NXP (sichere Smart Meter Gateways), die Stadt Pisa (Parkleitsystem), Google (Google-Enterprise-Produkte), Ciphercloud (Cloud-Verschlüsselung), DocMorris (Cyber-Apotheke), Salesforce (Hosting und Vertrieb Cloud-Lösungen), StoneOne (Cloud-Compliance-Lösung), Continental (Flottenmanagement), Avaya (Cloud-Callcenter), Allianz (innovative Services), SAP (Hana in der Cloud), Barzahlen.de (Bezahlsystem), Sparhandy (Mobilfunktarife), Standard Boekhandel (tolino in Belgien), Ingram Micro Strype (digitales Siegel), Cisco (Intercloud). Für die Smart-Home-Anwendung Qivicon kooperiert die Telekom unter anderem mit BMW, Miele und Netatmo.
Und auch 2015 wächst die Partnerlandschaft durch GE (Smart Meter/Smart Grid), Robotron (Smart-Meter-Administration), Airbnb, Intel Security, Huawei ("digitale Seidenstraße", Open Telecom Cloud, Schmalband-IoT), Readly (digitale Zeitschriften), Covata (verschlüsseltes Cloud-Filesharing), Broadvision (Social Collaboration), die niederländische Libris Biz, Mayersche Verlagsbuchhandlung und Osiander (Tolino), Inmarsat (European Aviation Network), Wandera (Enterprise Mobility), Akamai (Netzdienstleistungen), Definitiv SE (digitale Medikamenten-Kühlbox). TÜV Rheinland (Energieeinsparung), ABB (virtuelle Kraftwerke), Ista (Smart Meter Ablesung) sowie Symantec, Sixtytone Minutes und Lookup (IT/Mobile-Sicherheit).
Das "Ökosystem" der Smart-Home-Lösung Qivicon wächst z.B. durch Kärcher (Bewässerungsautomaten), Entega (Ökostrom), Assa Abloy (Sicherheitslösung), Osram (Beleuchtungssystem Lightify), Logitech (Fernsteuerung) und eww (österreichischer Energie- und Technologiedienstleister).
Das Geschäft mit der Wolke
Das Cloud-Engagement erstreckt sich auf Geschäftsgebiete und vertikale Märkte wie Gesundheit, M2M/Industrie 4.0, Energie, Transport/Verkehr, Business-Anwendungen sowie Sicherheit, ein Thema das alle diese Sektoren berührt. Auf der Cebit 2013 steht die IT-Wolke im Mittelpunkt.
Es zeigen sich Erfolge: Die Telekom exportiert 2013 via T-Systems ihre Cloud-Technologie nach Brasilien, die Schweiz, Singapur und weitere Länder. SAP zertifiziert die Telekom-Cloud für SAP HANA, 2015 kommt ein Einstiegspaket für die Technologie. Für Geschäftskunden kündigt T-Systems im Frühjahr einen Cloud-Marktplatz an, den Business Marketplace, mit Apps und Infrastruktur, dessen Eröffnung sie später bekannt gibt. Mehr als 20 Partnerfirmenbieten bieten schon anfangs Lösungen an, im Lauf der Zeit wird das Angebot immer mehr erweitert. Ab März haben auch IT-Systemhäuser darauf Zugriff. Mitte Februar präsentiert T-Systems eine Komplettlösung für Dokumentenmanagement aus der Cloud. DeutschlandLAN Connect, die Kombination aus leistungsstarkem Internetzugang mit einer Cloud-Meetinglösung, kommt auf den Markt. Ab Ende November werden alle Cloud-Services und -Lösungen von einer Plattform aus angeboten.
Ab 2014 können T-Systems-Großkunden über das Cloud Integration Center ihre gesamte Cloud-Landschaft administrieren und Applikationen von Private auf Public Cloud migrieren. Zur Cebit stellt T-Systems den Cloud-Broker vor, der alle Cloud-Lösungen im Unternehmen zentral verwaltet. Die Cloud-M2M-Plattform wird erweitert. Mit Informatica realisiert T-Systems die "Datenorchestrierung" über mehrere Clouds hinweg. Ab Frühjahr 2015 können Kunden einen schnellen Einstiegsservice für die Cloud samt Test neuer Geschäftslösungen nutzen. Ab November 2015 hat die Telekom aus dem Zwillings-RZ in Biere eine hochsichere Public Cloud im Programm.
Personalkarussell, Umstrukturierung, Asset Management
Auch 2013 bis 2015 wird weiter umstrukturiert, ge- und verkauft, und das Management wechselt: Timotheus Höttges löst ab 1.12.2013 René Obermann als Vorstandsvorsitzender ab, am 1.1.2014 wird Thomas Dannenfeldt Finanzchef. Susanne Heger leitet ab Juni 2013 die Multimedia Solutions, Dr. Rolf Werner ab November dessen Vertrieb. Im Juli 2013 steigen Lars Hinrichs und Karl-Heiz Streibich in den Aufsichtsrat der Telekom ein. 2014 geht Personalvorstandsfrau Marion Schick aus gesundheitlichen Gründen und wird durch Christian P. Illek ersetzt. Wolfgang Schuster (ex Oberbürgermeister Stuttgart) wird neuer Vorsitzender der Telekom-Stiftung.
Der ehemalige T-Systems-Vertriebschef Hagen Rickmann wird zum 1. März 2015 Vertriebschef der Telekom, sein Vorgänger Dirk Wössner sucht neue Ufer in Kanada. Hagen Rickmann konzentriert sich später auf Geschäftskunden, die Privatkunden betreut Michael Hagsphil. Hannes Wittig vom Bankhaus JP Morgan leitet die Investor Relations und darf den Aktionären hinfort die Kurskapriolen des Telekom-Papiers erklären. Das Innovationsressort übernimmt von dem Duo Niek Jan van Damme und Thomas Kiessling am 1. März 2015 Christian v. Reventlow, bisher aktiv für den Navi-Spezialisten und Nokia-Ableger Here.com. Im Aufsichtsrat steigert Ines Kolmsee den Frauenanteil auf 40 Prozent.
T-Systems soll durch ein auf Profitabilität getrimmtes Transformationsprogramm gesunden. Ab Januar 2015 besteht das Unternehmen aus den Sparten Digital (Digitalisierungsstrategien, z.B. IoT) unter Anette Bronder, ex Vodafone, IT unter Ferri Abolhassan (Kernkompetenz: Transformation der Unternehmens-IT) und TC Division (Verknüpfung Festnetz/Mobilfunk) unter Patrick Molck-Ude. Jeder Bereich ist durchgängig von Entwicklung bis Bereitstellung verantwortlich.
Ein notorisches Problem löst sich: Im März 2013 genehmigen die Kartell- und andere US-Behörden die Fusion von T-Mobile USA mit MetroPCS. Die Telekom muss zwar nochmal nachlegen und präsentiert am 11. April ein, "verbessertes und endgültiges" Angebot, das am 24. April angenommen wird. 74 Prozent an dem neuen Unternehmen T-Mobile US Inc. gehören der Telekom, es geht am 1. Mai an die New Yorker Börse.
In Griechenland, wo der Telekom 40 Prozent des ehemals staatlichen TK-Dienstleisters OTE gehören, erleichtert die Übernahme der bulgarischen Mobildienstleister Globul und Germanos Telecom Bulgaria für 717 Millionen Euro durch Telenor die Schuldenlast. Die Übernahme des Dienstleisters GTS Central Europe stärkt das Geschäftskundensegment. 2014 erwirbt die Telekom die restlichen Anteile von T-Mobile Czech Republic. Die rumänischen Firmen Romtelecom und Cosmote Romania werden zu Telekom Romania. Mit der British Telecom verhandeln Telekom und Orange ab 2014 über den Verkauf der Beteiligung am britischen Mobilfunkdienstleister EE. Sie geht für 12,5 Milliarden Pfund für die Telekom an BT, 2015 wird die Transaktion abgeschlossen.
Die Altlast T-online verkauft der Konzern im August 2015 gemeinsam mit InteractiveMedia an den Werbespezialisten Stroer. in der Slowakei übernimmt die Telekom 2015 die ihr noch nicht gehörenden 49 Prozent der dortigen Telekom. In Mazedonien schließt sich Makedonski Telekom mit T-Mobile Macedonia zusammen. Das Telekom-Mobilnetz verstärken ab Juli 2015 Netzstandorte von Téléfonica, weil der Provider sie wegen der Integration zwischen O2 und E-Plus nicht mehr braucht.
Im Gesundheitsmarkt investiert die Telekom 2013 durch den Aufkauf der Aurelius AG, einer Tochterfirma der BrightOne GmbH, und gründet zwei Tochterfirmen: einmal die Deutsche Telekom Healthcare and Security Solutions und zum anderen ein weiteres Unternehmen zusammen mit dem deutschen Hausärzteverband. 2013 gewinnt die Telekom die Ausschreibung für zwei Testregionen der elektronischen Gesundheitskarte.
Im März 2015 verkündet "Big Magenta" die Strategie bis 2018. Angestrebt werden ein jährliches organisches Umsatzwachstum von 1 bis 2 Prozent, der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen soll 2 bis 4 Prozent jährlich zulegen. Der Umsatz mit Cloud-Services soll bis 2018 von derzeit etwa einer auf über zwei Milliarden Euro wachsen. Auch die Umwelt wird entlastet: Bis 2020 möchte die Telekom ihren Kohlendioxid-Output um 20 Prozent senken.
Neue Technologie: Migration auf All-IP
Flankierend startet die Telekom eine Investitions- und Technologieoffensive, in deren Mittelpunkt der Netzausbau und der Umstieg auf IP stehen. Obermann verspricht 2013 Investitionen von 30 Milliarden Euro bis Ende 2015, sechs Milliarden davon für den Netzausbau. Bis Ende 2016 sollen 2,5 Millionen neue WiFi-Hotspots entstehen. Festnetztarife erhalten ab April 2013 eine Daten-Flatrate. Schon 2018 soll jede Netzverbindung auf IP basieren. Als erstes telefonieren Mazedonien, Kroatien, Ungarn und die Slowakei vollständig über IP-Technologie.
Das Netz wird immer schneller - zur International Supercomputing Conference im Juni 2013 in Leipzig demonstriert die Telekom mit Alcatel Lucent Verbindungen mit 400 GBit/s schnellem Datenpfad. Im Februar 2014 meldet die Telekom 580 Mbit/s Übertragungsrate in einem Live-Netz. In Kroatien entsteht eine herstellerunabhängige 100-GBit/s-Glasfaserverbindung. LTE+ beschleunigt das Mobilnetz auf bis zu 150 Mbit/s. In den LTE-Netzen wird jetzt auch die 2600-MHz-Frequenz genutzt. 2015 gründet die Telekom das an drei Standorten aktive Innovationslabor 5g:haus, im September sendet man dort im Feldtest erfolgreich im Vollduplex-Modus mit 5G. Im Juni 2015 sichert sich die Telekom den wichtigsten Funk-Rohstoff: 100 von 270 versteigerten MHz im Bereich 700, 1500 und 1800 MHz.
Funktechnologie steckt bald in allem: Im März 2014 gelingt es der Telekom und dem Institut für Rundfunktechnik erstmals in Deutschland, ein Mobilgerät mit dem Fernseher zu koppeln. Direkt in Wearables integrierte und per Barcode-Scanner aktivier- und vernetzbare SIM-Karten (eSIMs) sollen das Geschäft beflügeln. Auf dem Testfeld "Digitale Autobahn" präsentiert die Telekom im November zusammen mit Continental, Nokia und Fraunhofer ESK Echtzeit-LTE-Kommunikation zwischen Fahrzeugen. Freilich kommt dabei auch Skurriles heraus: Braucht wirklich jemand eine Waschmaschine, die per WLAN mit einem Bestellsystem für Waschmittel verbunden ist?
Glasfaser-Fans erfreut es wenig, doch am 18.11. meldet die Telekom die Fertigstellung von zehn Vectoring-Ortsnetzen. Für weitere 5,9 Millionen Haushalte wird 2015 der umstrittene Vectoring-Ausbau beantragt.
"Innovationen" wird seit 2013 groß geschrieben. So gründet die Telekom den Inkubator hub:raum, und startet im Februar 2013 einen von da an jährlich stattfindenden weltweiten Innovationswettbewerb. Die Siegeridee wird mit einer halben Million Euro von der Telekom zum Produkt entwickelt. Ab Mai 2013 unterstützt T-Systems für die Volks- und Raiffeisenbanken die Crowdfunding-Plattform www.viele-schaffen-mehr.de für die Finanzbranche. Vielversprechende Studenten in naturwissenschaftlich-technischen Fächern erhalten Stipendien, und mit Deutsche Telekom Capital Partners baut das Unternehmen 2014 einen Innovationsfonds auf. Im Herbst 2015 bündelt das Unternehmen alle Venture-Capital-Aktivitäten in der Deutsche Telekom Strategic Investments. Im selben Jahr erntet die Telekom den ersten Lohn dieser Anstrengungen: 400 Millionen Euro bringt der Verkauf des Startups Scout24 an der Börse.
Dauerthema Sicherheit
IT-Sicherheit beschäftigt die Telekom kontinuierlich. Anfang 2013 ruft Telekom-Chef René Obermann auf der jährlich stattfindenden Sicherheitskonferenz in München zur "umfassenden Zusammenarbeit im Kampf gegen Angriffe aus dem Internet" auf. Städte, Kommunen und Versicherungen sollen De-Mail mehr Schwung verleihen. Die Stadt Dresden initiiert das Projekt De-mail-City. Endkunden können sich ab Juni 2013 auch von zu Hause zu dem Dienst anmelden. Ab Februar 2014 werden der Telekom-Browser und E-Mails SSL-verschlüsselt. Ab 2015 lässt er sich von Ende zu Ende verschlüsseln. Gewitzigt durch den NSA-Skandal, rufen die E- Mail-Serviceanbieter Deutsche Telekom, Web.de und Gmx die Initiative "E-Mail made in Germany" aus, später kommt Freenet dazu. Microsoft Office 365 aus der Cloud wird ab 2015 verschlüsselt. Mit Intel arbeitet die Telekom an Frühwarnsensoren im Netz, für Unternehmenskunden kommt ein "Lauschabwehr"-Service.
Für sichere Apps stattet die Telekom ihr Entwicklerportal für Android, Developer Garden, mit einem Code Analyzer auf Sicherheitslücken aus. Im Spätsommer erhält das Hochsicherheits-Smartphone SiMKO3 der Telekom ein Zertifikat des BSI und stellt für Merkels SMS-Flut endlich eine sichere Home-made-Plattform zur Verfügung - ob Frau Merkel diesen Handy-Typ nutzt, ist der Redaktion unbekannt. Ab Dezember werden Mobiltelefonate mit dem Standard A5/3 verschlüsselt. Für Smartphones bewirbt das Unternehmen ein ganzes Sicherheitsportfolio, unter anderem eine weltweit einsetzbare mobile Verschlüsselungslösung. Ein neuartiger Cloud-Service erkennt ab 2014 Angriffe auf Smartphones. 2015 bringt die Telekom ein in Kooperation mit vier Sicherheitsanbietern entwickeltes kostenloses Softwarepaket für Private und KMUs, das Smartphones schützen soll.
Im April eröffnet das Unternehmen ein Cyber Defense Center, das Security als Dienstleistung für Großkunden anbietet. Im November 2015 wird schließlich eine eigene Einheit für Sicherheitslösungen gegründet, die Ferri Abolhassan, Geschäftsführer IT Division bei T-Systems, leitet. Sie soll Angriffe auf vernetzte Prozesse, Geräte und Anlagen abwehren oder verhindern.
Telekom: Neue Kunden, Brot und Spiele
Die neue Strategie bringt neue Kunden und bindet alte. Eine Auswahl aus 2013: EADS (Desktop-Services im Airbus und im Eurocopter), PEMA (Telematiklösungen für Nutzfahrzeuge), Schweizerischen Bundesbahnen (Infrastrukturvertragsverlängerung bis 2018), Aldi Nord, europäische Behörden (Vernetzung), Land Rheinland-Pfalz (Cloud-Dienstleistungen), RWE (Workplace-Management), Phonak (IT-Services).
2014 folgen die WICOR-Gruppe (SAP-Umgebung), der Brauereikonzern SAB-Miller, Daimler, die Bundesagentur für Arbeit, der Versicherer Ergo und Thyssen-Krupp (Cloud-Transformation). Die Tochterfirma Satellic baut in Belgien ein satellitengestütztes Mautsystem.
2015 gewinnt die Telekom die Knappschaft Bahn-See und das Gemeinschaftskrankenhaus Bonn (Digitalisierung) als Kunden. Hinzu kommen Hamburger Hafen (Logistiklösung), Arbeiterwohlfahrt (Vernetzung Kindergärten und Seniorenheime), bio.logis (Cloud-Sicherung genetischer Informationen), Coca-Cola Europa (RZ-Outsourcing an Telekom-Tochter OTE), Kone und Jet Aviation (SAP-Infrastruktur in T-Systems-Cloud).
Für die Microsoft-Cloud wird die Telekom Daten-Treuhänder, ein Thema das in den Medien angesichts der Debatte um Cloud Security hohe Wellen schlägt (siehe auch: Microsoft baut eine deutsche Cloud-Infrastruktur). Hintergrund: Microsoft will ab der zweiten Hälfte 2016 seine Cloud-Dienste auch aus deutschen Rechenzentren anbieten. Strategischer Partner wird dafür Telekom mit ihrer Tochter T-Systems sein. Sie soll dabei sowohl als Betreiber der Rechenzentren wie auch als Datentreuhänder agieren, um den Kunden den Cloud-Betrieb gemäß deutschen Datenschutzregeln zu garantieren.
Ein gutes Bild will die Telekom mit Sponsoring-Aktivitäten hinterlassen. Der Konzern fördert etwa moderne und klassische Musik (Depeche Mode, Coldplay, Beethoven-Pianistenwettbewerb), verschiedene sportliche Aktivitäten wie die Fußball-Bundesliga, die Deutsche Sporthilfe oder Rollstuhl-Basketball, im Sozialbereich die Kampagne "Ein Herz für Kinder" und auch der rheinische Karneval geht nicht leer aus.
Der Lohn: Finanzieller Aufwind
2014 steigt der Umsatz des Telekom-Konzerns auf 62,7 Milliarden Euro oder um 4,2 Prozent. der Konzernüberschuss wächst um 12,4 Prozent. Das ehemalige Sorgenkind T-Mobile US kann seinen Gewinn vor Steuern und Abschreibungen um 27,5 Prozent steigern. Die Zahlen im Jahr 2015 sind vielversprechend. Mitte Februar erreicht die Telekom den höchsten Markenwert ihrer Geschichte mit 31,1 Milliarden US-Dollar. Der Umsatz wächst im zweiten Quartal organisch um 5,7 Prozent, der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um 6,7 Prozent, der Konzernüberschuss legt um 70 Prozent zu. T-Mobile kann sein EBITDA um 22,8 Prozent steigern. Im dritten Quartal kommen weitere 9,3 Prozent Umsatz dazu, das EBITDA wächst um 12,9 Prozent und der Konzernüberschuss steigt um weitere 30 Prozent auf 800 Millionen Euro.
Damit scheint die Telekom nach Jahren des Schlingerns endlich auf die Erfolgsspur zu kommen. Das sieht man auch am Aktienkurs: Er stieg von etwa acht Euro Ende 2012 auf über 16 Euro im Dezember 2015. u Von den Höchstständen um die 100 Euro, die im Jahr 2000 erreicht wurden, ist das allerdings nach wie vor meilenweit entfernt.