Ältere Mitarbeiter vor

Die Generation 50plus kommt

07.08.2014 von Bettina Dobe
Kein Chef kann es sich leisten, auf Erfahrungen älterer Mitarbeiter zu verzichten. Aber warum sind die "Silver Workers" so wertvoll und wie verbessern sie das Arbeitsleben?

Wenn die Jüngeren nicht mehr nachkommen und Frauen sich nach wie vor großteils zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, bleibt für den Fachkräftemangel nur eine Lösung: ältere Mitarbeiter länger im Unternehmen halten. Neu ist die Entwicklung nicht: Schon jetzt arbeitet laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit knapp zwei Drittel der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren. Und es werden immer mehr erwerbstätige Ältere: "Die deutlichsten Zuwächse waren in der Gruppe der 60- bis unter 65-Jährigen zu verzeichnen, hier hat sich die Erwerbsquote in den zehn Jahren von 2002 bis 2012 annähernd verdoppelt", heißt es im Bericht.

Der durchschnittliche Arbeitnehmer ist schon jetzt 45 Jahre alt – und er hat Letztendlich hat noch mehr als ein Drittel seiner Lebensarbeitszeit vor sich.
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Unternehmen müssen auf Ältere zugehen

Jung ist Deutschland ohnehin schon nicht mehr: "Der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland ist schon jetzt 45 Jahre alt", sagt Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführerin der GIM Gruppe und Personalberaterin. "Der demographische Wandel ist noch nicht auf dem Höhepunkt angekommen. In sechs bis acht Jahren wird das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen bei etwa 50 Jahren liegen."

Daher sei es umso wichtiger, dass sich die Unternehmen auf ältere Arbeitnehmer einstellten. "Der Markt muss sich verändern, weil die Unternehmen gar keine andere Chance haben", meint Glaser-Radtke. Auch andere Varianten, an Fachkräfte zu kommen, werden noch nicht voll ausgeschöpft: Zwar seien zum Beispiel Arbeitnehmer aus dem Ausland eine der Möglichkeiten, den Mangel zu beheben. "Aber gezielte Kampagnen, im Ausland zu rekrutieren, sind noch kein Standard", erzählt die Expertin. "Die Forderung, sich gut in die Organisation einzubinden, Geschäftsprozesse zu verstehen und zu kommunizieren, setzt neben Englisch nach wie vor gute Deutschkenntnisse voraus, selbst in großen Dax-Konzernen", betont sie. Die Sprachbarriere ist noch da - also müssen die Älteren ran.

IT-Abteilungen haben erkannt, dass sie die Erfahrungen der Älteren nicht verfallen lassen sollte. "Die Vorurteile gegenüber Älteren sind weniger in den Fachbereichen zu finden, dafür aber häufiger bei den Personalverantwortlichen", erwähnt Susanne Glaser-Radtke. "Sie werden jedoch deutlich weniger." Das liege auch daran, dass es immer mehr Studien gibt, dass die heute 50-Jährigen so fit seien wie 40-Jährige. "Die Älteren sind flexibler, pragmatischer und mobiler als früher – und vor allem auch selbstbewusster", sagt die Personalberaterin. "Letztendlich hat ein 50-Jähriger noch ein Drittel seiner Lebensarbeitszeit vor sich."

Best Ager auch beim Kunden

Doch noch immer "graut" es einigen Unternehmen vor der Generation 50plus. Dabei hat sie für Firmen große Vorteile: "Die Kompetenz verliert sich ja nicht", führt Glaser-Radtke aus. "Das Spezialistenwissen kommt beim Kunden gut an. Gerade im Beratungsumfeld wird gerne auf Erfahrung gesetzt", weiß die Expertin. Außerdem sitzt wahrscheinlich beim Kunden auch ein Best Ager auf der anderen Seite des Schreibtisches.

Vermittelt auch ältere Semester: Personalberaterin Susanne Glaser-Radtke.
Foto: Susanne Glser-Radtke

"In der Beratung spielt das Alter keine allzu große Rolle - die Berater müssen zum Kunden und Projektteam passen und sich nahtlos einfügen", fügt Glaser-Radtke hinzu. Eher wird ein gewisses Alter als positiv angesehen. Von einem Älteren profitiert das gesamte Team: So kann es von dessen Berufs- und Projekterfahrungen lernen, er bringt sein Know-How mit und ist zudem oft gut vernetzt: "Vielleicht kann er auch das eine oder andere Talent mit an Bord holen", meint die Personalberaterin. Gute Kontakte suchen Unternehmen schließlich händeringend.

Ein weiterer Vorteil der Generation 50plus: "Firmen wollen jemanden an Bord holen, der schnell einen ROI einbringt. Bis ein Berufseinsteiger alle Prozesse verinnerlicht hat, braucht es schon ein Jahr - da haben Ältere Vorteile", sagt Glaser-Radtke. Dass Absolventen den Älteren häufig den Job vor der Nase wegschnappen, sei gar nicht die Gefahr, meint sie. "Ein erfahrener Projektmanager kann sofort loslegen."

Hinzu kommt: Wenn ein IT-Berater von Montag bis Freitag beim Kunden ist, dann muss er selbstständig agieren. Das kann er nur mit einem großen Erfahrungswissen und einem souveränen Standing. "Das bringen die Älteren mit und das wird sehr gut aufgenommen", weiß Glaser-Radtke.

Altersgemischte Teams

Sorgen, dass mit Älteren die Produktivität nicht aufrechterhalten werden könne, teilt sie nicht. "Konzerne setzen auch aus diesem Grund auf Altersgemischte Teams", erläutert Glaser-Radtke. Beide Seiten lernten voneinander und das werde von Jüngeren und Älteren gleichermaßen als wertvoll angesehen. "So sorgt der Know-How-Transfer für eine gewisse Nachhaltigkeit", sagt Glaser-Radtke. Die Aufgaben für die schnellen Finger zum Beispiel bei der App-Entwicklung sind eher bei der Generation Y anzusiedeln – aber der Mix ist wichtig. Vor sechs Jahren galt das noch als Experiment, heute ist es schon normal.

Die zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten von Älteren sind für Firmen sehr wertvoll: "Sie können stärker als Qualitäts-Manager, Mentor oder interner Coach fungieren", sagt Glaser-Radtke. Oft absolvieren gerade Ältere zum Beispiel eine Zusatzausbildung als systemischer Coach.

Die Generation 50plus hat eigene Ansprüche: "Sie wünschen sich neben flexibleren Arbeitszeiten und einer altersgerechten Arbeitsplatzgestaltung wie etwa ergonomischere Arbeitsplätze oder eine bessere Ausleuchtung der Büros", erklärt die Expertin. Bei der Jobsuche achteten die Älteren stärker auf Unternehmenskultur und -werte. Ihnen sei zudem wichtig, dass ihre Seniorität wertgeschätzt wird und in ihr vorhandenes Wissen investiert werde, etwa in dem sie Weiterbildungen erhielten. In der Vergangenheit habe man bei Weiterbildungen eher die Jungen gefördert und die Alten aufs Abstellgeleis gestellt. Aber auch hier seien Veränderungen spürbar, meint die Personalberaterin.

Diese Haltung können sich die Älteren durchaus leisten: "Wir haben seit nahezu dreieinhalb Jahren in der IT einen typischen Arbeitnehmermarkt", sagt Glaser-Radtke. Die Kandidaten könnten oft zwischen drei bis vier Vertragsangeboten wählen, auch wenn sie schon älter sind.

Bewerben für Ältere: Qualifikationsprofil statt Lebenslauf

Wer über 50 ist und einen neuen Job sucht, hat zumindest in der IT noch Chancen, so die Erfahrung der Personalberaterin Glaser-Radtke: "Bis unter 60 kann man Kandidaten mit bestimmten Skills noch gut positionieren. Vor zwei Jahren habe ich eine Bewerberin als SAP Senior Consultant platziert, die bei der Bewerbung 58 Jahre alt war und bei Stellenantritt dann 59 Jahre. Das Unternehmen hat sie noch während der Probezeit auf eine ARIS Weiterbildung geschickt und kurz danach als Teilprojektleiterin eingesetzt."

Inzwischen spielt bei der Bewerbung nicht das Alter eine Rolle, sondern wie sich derjenige präsentiert. "Wenn sich ein 50 Jahre alter Bewerber geistig flexibel, dynamisch und pragmatisch präsentiert, kann er immer überzeugen", glaubt die Personalberaterin. Trotzdem gibt es bei der Bewerbung einige Aspekte zu beachten: Von einem ausschließlich chronologisch aufgebauten Lebenslauf rät Glaser-Radtke Älteren ab: "Sie sollten eher ein kurzes Qualifikationsprofil voranstellen, in dem steht, was sie als Unique Selling Point einbringen können und wollen."

40 plus und fit im Job -
1. Betrachten Sie sich nicht als passiver „Arbeit-Nehmer“, sondern als selbstverantwortlich handelnder „Arbeitsmarkt-Unternehmer.“
Sie verkaufen ein Produkt, nämlich Ihre Arbeitskraft, und es ist Ihre Aufgabe, dieses Produkt laufend zu verbessern. In drei Jahren müssen Sie ein besserer Arbeitnehmer sein, als Sie es heute sind – wenn Sie in drei Jahren ein neues Auto kaufen, erwarten Sie schließlich auch, dass es ein besseres Modell ist als das, welches Sie heute fahren.
2. Schätzen Sie Ihre Arbeitsmarktfitness realistisch ein.
Analysieren Sie Ihre eigenen Fähigkeiten und gleichen Sie diese realistisch mit dem ab, was derzeit gefragt ist. Lassen Sie sich regelmäßig Feedback von Kollegen und Vorgesetzten geben und nehmen Sie dieses ernst.
3. Bleiben Sie geistig flexibel.
Das Umfeld, in dem Ihr Unternehmen tätig ist, hat sich bereits in den letzten zehn oder 15 Jahren tiefgreifend gewandelt, und die Zukunft wird noch mehr und noch schnelleren Wandel bringen. Dieser wird auch an Ihrem Job deutliche Spuren hinterlassen, in Ihrem Unternehmen und in der ganzen Branche. Das sollten Sie rechtzeitig erkennen und sich darauf einstellen.
4. Besuchen Sie Weiterbildungsmaßnahmen – notfalls auch auf eigene Kosten.
Besonders die Personalabteilungen größerer Unternehmen legen Wert auf Zertifikate und Schulungsbestätigungen. Nur wer diese in seiner Personalakte hat und regelmäßig neue hinzufügt, dokumentiert seine Veränderungsbereitschaft und Lernwilligkeit. Auch im Hinblick auf externe Bewerbungen sollten Sie jährlich zwei bis vier Tage in Schulungen, Seminaren oder Kursen verbringen und dafür Nachweise abheften.
5. Machen Sie Ihre Leistungen sichtbar.
Wer heute über 40 ist, spricht häufig nicht offensiv über das, was er oder sie gut kann, sondern meint, die anderen würden schon von selbst merken, wie tüchtig man ist: Das ist allerdings ein Irrglaube. Ihr Chef wird zwar wahrscheinlich merken, wenn jemand immer wieder Fehler macht oder schlechte Ergebnisse abliefert. Aber solange bei Ihnen alles reibungslos läuft, hat er keinen besonderen Anlass, Sie positiv zu bemerken. Was Sie im Einzelnen leisten wird er nur erfahren, wenn Sie es ihm sagen. Und mal ehrlich: Warum sollten die Kollegen von sich aus einem Vorgesetzten erzählen, wie hervorragend Ihre Arbeit ist?
6. Engagieren Sie sich.
Bringen Sie eigene Ideen ein. Übernehmen Sie freiwillig Aufgaben, deren Sinn und Notwendigkeit Sie erkennen. Sagen Sie nie Sätze wie „Das muss ich laut meinem Arbeitsvertrag nicht tun“ oder „Dafür bin ich nicht zuständig“. Bleiben Sie auch dann engagiert bei der Sache, wenn Sie sich über Ihren Chef wirklich geärgert haben. Wie unfähig und unmöglich er auch sein mag, lassen Sie sich von ihm auf keinen Fall in die passive Resignation treiben. Suchen Sie lieber in aller Ruhe eine neue Stelle und kündigen Sie anschließend fristgerecht und mit einem freundlichen Lächeln.
7. Denken und handeln Sie im Sinne des Unternehmens.
Bedenken Sie bei allem, was Sie tun, welche Folgen es für Ihre Abteilung und für das Unternehmen hat. Tun Sie das, was nötig ist, um Ihre Arbeit gut zu machen, und machen Sie niemals nur „Dienst nach Vorschrift“. Sie haben es zwar nicht mehr nötig, täglich zwölf Stunden im Büro zu sein, nur damit Ihr Chef sieht, wie einsatzfreudig und fleißig Sie sind. Aber Sie sind selbstverständlich da, wenn Sie wirklich gebraucht werden. Auch mal abends und am Wochenende, auch dann, wenn Sie etwas anderes vorhaben oder schon müde sind.
8. Arbeiten Sie konstruktiv mit Jüngeren zusammen.
Strecken Sie die Hand aus und gehen Sie auf die jungen Kollegen zu. Nicht gönnerhaft, nicht ängstlich, sondern weil Sie wissen, dass Sie es sich leisten können. Beweisen Sie, dass Sie dialogfähig sind, indem Sie ehrliches Interesse zeigen. Und erinnern Sie sich ab und zu daran, wie blöd es war, als Sie jung und voller Ideen waren und die Älteren immer nur sagten „Das kennen wir alles schon, das bringt doch nichts, du wirst schon sehen …“
9. Pflegen Sie die Kommunikation mit Ihren Vorgesetzten.
Halten Sie keine Informationen zurück, sondern sorgen Sie für Transparenz, für umfassende und rechtzeitige Information. Suchen Sie auch dann das Gespräch mit der Chefin, wenn Sie Wünsche und Anregungen haben, wenn Sie sich Sorgen über Ihre weitere Entwicklung machen oder wenn Sie sich für eine neue Aufgabe positionieren möchten. Wichtig ist der regelmäßige Kontakt und die offene (nicht naive!) Kommunikation, die Vertrauen und Partnerschaftlichkeit wachsen lässt.
10. Akzeptieren Sie Arbeitslosigkeit nicht als Schicksal.
Registrieren Sie aufmerksam, was um Sie herum passiert. Verdrängen Sie nicht, wenn Entlassungen abzusehen sind, sondern strecken Sie schon vorher die Fühler aus. Es ist immer besser, sich aus einer Beschäftigung heraus zu bewerben als aus der Arbeitslosigkeit. Ihre Verhandlungsposition ist dann viel stärker. Wenn Sie dennoch arbeitslos werden, jammern Sie nicht, sondern werden Sie aktiv, qualifizieren Sie sich, bewerben Sie sich, präsentieren Sie sich. Solange Sie gute Arbeitsleistung zu bieten haben, ist Ihre Suche keineswegs aussichtslos.
"Ü40 und top im Job"
Barbara Kettl-Römer: "Ü40 und top im Job: So werden und bleiben Sie attraktiv für Ihren Arbeitgeber - oder für einen anderen". Linde Verlag, 2010. 176 Seiten. 16,30 Euro. ISBN 978-3-7093-0305-4.

Arbeitslose ältere Experten treibt auch die Gehaltsfrage um. Die Personalkosten sind bei Älteren naturgemäß höher. Muss ein Silver Worker auf jeden Fall Gehaltseinbußen hinnehmen? "Nein, wenn sich ein Best Ager aktuell verändern möchte oder muss, zum Beispiel durch Insolvenz des Arbeitgebers, ist er oft bereit, nicht auf den letzten Euro zu gucken, wenn das Gesamtpaket stimmt", sagt die Personalberaterin. Solange das Gehalt marktgerecht ist.

Sind keine passenden Angebote vorhanden, gehen die Älteren keineswegs in Rente. Die Know-How-Träger machen sich eben selbstständig. Die Flexibilität und die freie Gestaltung von Arbeitseinsätzen macht eine solche Karriere für einige der Silver Workers attraktiv. "Ich hatte kürzlich einen 60-jährigen Kandidaten, der als Freiberufler in der IT als Strategie- und Managementberater tätig ist und der trotz eines lukrativen Vertragsangebotes sich gegen die Festanstellung und für die Freiberuflichkeit entschieden hat", erzählt Glaser-Radtke.

Generationenkrieg?

Ganz problemfrei ist eine alternde Belegschaft natürlich nicht: "Wenn Positionen sehr langfristig besetzt sind, können die Jüngeren nicht so schnell eine Führungsposition erreichen", sagt sie. Das kann mitunter zu Frust führen. Doch auch dafür gibt es Lösungen. Viele Unternehmen bieten inzwischen unterschiedliche Karrierepfade an: die Fachkarriere und die Führungskarriere. Eine weitere Möglichkeit wäre es, eine Doppelspitze oder ein Job-Sharing zu schaffen. Das wiederum wäre eine Lösung, um Altersteilzeit und mehr Zeit für Kinder oder "Elder Care" unter einen Hut zu bringen. "Gleichzeitig ist das eine Art Mentoring und nichts anderes, als sich intern einen Nachfolger aufzubauen. So schaffen Firmen gute Übergänge", sagt Glaser-Radtke. Denn auch der fitteste Best Ager wird irgendwann in den Ruhestand eintreten.

Zur Person: Susanne Glaser-Radtke ist geschäftsführende Gesellschafterin der GIM Gruppe mit den Bereichen IT/ERP Beratung und Personalberatung und seit 1994 erfolgreich am Markt tätig. Als Personalberaterin mit Schwerpunkt IT/SAP besetzt sie im Kundenauftrag vakante Positionen mit Fach- und Führungskräften, erfolgreich auch mit 50plus Kandidaten. Zudem bietet sie Kandidaten und Unternehmen Karriereberatung und individualisierte Angebote für Coaching, Newplacementberatung sowie Unterstützung im Bewerbungsprozess an.