Warnen Sie Ihre Kunden

Die fiesen Tricks der Carrier – Teil 1

18.01.2010 von Jürgen Hill
Flatrates und Mega-Flatrates, Bandbreite bis zum Abwinken - eigentlich sollte in TK-Deutschland alles im Lot sein. Doch die Erfahrungen von Handy- und DSL-Nutzern sprechen eine andere Sprache: Wir zeigen die üblen Tricks der Carrier.

Flatrates zum Telefonieren, Surfen oder SMS-en, bis der Arzt kommt. Bandbreiten im zweistelligen Mbit/s-Bereich. Ständig sinkende Tarife und dazu noch kostenlose Zusatzpakete. Lässt man die Werbekampagnen der Mobilfunker und DSL-Provider Revue passieren, so drängt sich der Eindruck auf, dass wir hierzulande im Telekommunikations-Schlaraffenland leben müssten. Doch hinter der Hochglanzwerbung zeigt sich ein anderes Bild: Immer mehr Anwender fühlen sich von den Akteuren der neuen Kommunikationswelt - um es vornehm zu formulieren - über den Tisch gezogen. Hier einige der fiesen Tricks:

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Die Kündigungsfalle

Internet-Seiten wie handy-kuendigung.com offerieren mittlerweile Tools, um Kündigungsschreiben richtig zu formulieren.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, empfiehlt Friedrich Schiller im "Lied von der Glocke". In der modernen Kommunikationswelt können schon kürzere Bindungen mit unangenehmen Überraschungen verknüpft sein. Wo nämlich ein Mausklick oder eine falsche Antwort am Telefon genügt, um einen Vertrag abzuschließen, wird die Kündigung zum Hindernislauf. Denn per Telefon oder Internet zu kündigen geht bei den wenigsten Anbietern - zur Beendigung des Vertragsverhältnis verlangen sie plötzlich die Schriftform, transportiert mit der guten alten Briefpost. Doch damit nicht genug: Wer sich einmal die Mühe macht, die entsprechenden Adressen auf den Web-Seiten der Carrier zu suchen, kann verzweifeln. Die Postanschriften sind besser gehütet als so manche Kundendaten, die es im Zehntausender-Pack jüngst im Internet zu kaufen gab.

Doch wer glaubt, er habe mit dem Finden der Anschrift gewonnen, hat seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Immer wieder berichten Leser unserer Schwesterpublikation Computerwoche, dass vor allem Kündigungsschreiben, die nicht per Einschreiben mit Rückschein verschickt werden, gerne verloren gehen. Wer seinen Rückschein in der Hand hält, hat damit aber noch lange nicht gewonnen. Wie auf diversen Internet-Seiten zu erfahren ist, stellen beispielsweise die Mobilfunkanbieter gewisse formale Anforderungen an die Kündigungsschreiben. So reiche etwa die Angabe von Adresse und Handy-Nummer nicht. Vielmehr erwartet eines der Unternehmen, dass der Trennungswillige dazu noch die Kundennummer angibt und jede zu kündigende Leistung einzeln auflistet. Gerade für User mit einem Komplettpaket öffnen sich hier viele Falltüren.

Beliebt ist auch ein anderer Trick: Wird das Kündigungsschreiben aus formalen Gründen nicht akzeptiert, so wird dies dem Kunden nicht mitgeteilt. Fragt dieser dann später nach, wird ihm meist freudig eröffnet, dass sich sein Vertrag um weitere zwölf Monate verlängert habe. Schließlich habe der Kunde ja nicht die dreimonatige Kündigungsfrist eingehalten. Trennungswillige sind also gut beraten, wenn sie mit der Kündigung gleichzeitig ihrem Anbieter eine Frist setzen, bis zu der dieser den Erhalt der ordnungsgemäßen Kündigung zu bestätigen hat.

Wer glaubt, dass er nun ganz clever ist, und bereits bei Vertragsabschluss (etwa eines 24- Monats-Vertrags mit subventioniertem Handy) seine Kündigung verschickt, sollte ebenso auf der Hut sein. Uns sind Fälle bekannt, in denen diese Kündigungen abgelehnt wurden - Begründung: Der Kunde habe zu früh gekündigt, weshalb die Kündigung nichtig sei.

An den Rand der Verzweiflung brachte eine CW-Leserin eine andere Begebenheit: Als ein Tarifwechsel nicht in der gewünschten Zeit erfolgte, reklamierte sie dies wiederholt. Nach einer gewissen Zeit hatten ihre Beschwerden endlich Erfolg, und der Tarifwechsel klappte - nur hatte die Kundin jetzt drei neue Verträge. Kündigung zwecklos, denn diese hätte über das Online-Portal erfolgen müssen. Der Zugriff hierauf erforderte aber die gültigen alten Zugangsdaten des Ursprungsvertrags, die jedoch vom System nicht mehr angenommen wurden, da der Vertrag ja gekündigt wurde. Seitdem zahlt die Leserin für drei Verträge, da selbst das Call-Center des Carriers machtlos war. Die einzige Option, um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, wäre für die Anwenderin, alle Geschäftsbeziehungen mit dem Anbieter zu löschen. Doch dann hätte sie für einige Wochen weder Handy noch Festnetztelefon, bis sie als Neukundin wieder akzeptiert würde.

Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Während Trennungswillige ihre Vertragsbeziehung nur schwer auflösen können, haben unvorsichtige Zeitgenossen schnell Verträge am Hals, die sie gar nicht wollten. Selbst Verträge, die keinen Sinn ergeben, werden verkauft. So wurde der Tante eines CW-Lesers DSL angedreht, obwohl die ältere Dame keinen PC hatte. Gefährlich lebt auch, wer die netten Anrufe eines Telco-Drückers, der sich nach der Zufriedenheit des Kunden erkundigt, zu oft mit Ja beantwortet. Mancher unserer Leser ging so ungewollt einen neuen Vertrag ein. Eine beliebte Masche ist es auch, den Kunden bei diesen Anrufen scheinbar günstigere Tarife anzubieten. Die Nachteile des neuen Vertrags - und sei es nur eine neu beginnende Mindestvertragslaufzeit - kristallisieren sich erst später heraus. Oder dem potenziellen Opfer werden angeblich unglaublich günstige Komplettangebote offeriert. Meist haben diese Pakete aber den gravierenden Nachteil, dass in der angegebenen Form nur die wenigsten User davon profitieren. Lediglich in einigen Spezialfällen rechnen sich die Features, das Gros der Kunden zahlt dagegen für sinnlose Zusatzleistungen.

Über Reizwörter wie "kostenlos" oder "Rabatt" stolpern viele im Gespräch mit den Call-Center-Agenten.
Foto: Fotolia, Digital Fineart

Allerdings wird den Telefon-Drückern das Spiel oft unnötig leicht gemacht. Fallen im Zuge eines solchen Gesprächs die Worte "kostenlos" oder "Rabatt", so scheint bei vielen Angerufenen der Verstand auszusetzen. Nur so lässt sich erklären, dass viele sich angeblich kostenlose Sicherheitspakete andrehen lassen, für die dann später mehrere Euro pro Monat fällig sind. Auf ein Jahr umgerechnet, zahlt der Anwender dabei oft mehr, als die einmaligen Lizenzkosten für das entsprechende Produkt inklusive einjährigem Update-Service ausmachen würden.

Aber auch die am Telefon oder im Internet bei sofortigem Vertragsabschluss versprochenen Rabatte sind schon etliche User teuer zu stehen gekommen. In der Euphorie über das vermeintliche Schnäppchen wird schnell übersehen, dass beispielsweise die Hotline oder andere Servicenummern des Vertragspartners nur über kostenpflichtige Rufnummern zu erreichen sind. Dagegen zahlt zwar der Kunde, der im Vertrags-Shop unterzeichnet hat, eine etwas höhere Grundgebühr, erhält dafür aber einen kostenlosen Support per Telefon.

Ausgetrickst - was tun?

Sie wurden mit einem der von uns aufgezeigten Tricks über den Tisch gezogen? Dann sollten Sie bei allem verständlichen Ärger einen kühlen Kopf bewahren. Es bringt nichts, wenn Sie den Call-Center-Agenten anbrüllen, er erledigt auch nur seinen Job und ist weisungsgebunden. Sammeln Sie vielmehr Belege und Beweise für Ihre Rechtsauffassung. Zudem sollten Sie sich nicht auf Aussagen am Telefon oder per E-Mail verlassen, diese haben später keine Beweiskraft. Das Gleiche gilt für Sie. Stellen Sie Ihre Forderungen schriftlich per Post. Dies sollten Sie unbedingt mit einem Einschreiben per Rückschein erledigen, denn in Deutschland verschwindet auf dem Postweg gerade der Briefwechsel mit Providern und Carriern unerklärlicherweise besonders häufig. Formulieren Sie in Ihrem Schreiben klare Forderungen und setzen Sie eindeutige Fristen. Damit haben Sie Chancen, dass Ihr Carrier in Verzug gerät und Sie ein Mahnverfahren einleiten oder vom Vertrag zurücktreten können. Schalten Sie unbedingt einen Anwalt oder eine Verbraucherschutzzentrale ein, wenn größere Summen strittig sind. Verlassen Sie sich in solchen Fällen auf keinen Fall auf mündliche Zusagen, dass Sie im Recht seien und sich schon alles kläre. Die einzige Klarheit ist nämlich leider, dass die Inkasso-Büros der Provider zuverlässig und pünktlich arbeiten.

So werden Business-Kunden hereingelegt

Gleich mehrfach angeschmiert war ein CW-Leser, der "überredet" wurde, seinen Geschäftsanschluss erst auf einen Comfort- und dann auf einen Entertain-Tarif umzustellen. Noch heute stellt der Leser verärgert fest: "Der Entertain-Tarif zeichnet sich dadurch aus, dass ich einen neuen Router brauchte, das schnelle Surfen (DSL 16.000) jetzt langsamer ist als vorher ( DSL 6000), die Verbindung ständig abbricht und mein VPN instabil ist. Zudem ist die Hotline kostenpflichtig, und der Support reagiert erst nach 48 Stunden. Ferner ist keine feste IP-Adresse mehr möglich, und ich habe eine Kündigungsfrist von zwei Jahren. Was für ein tolles Produkt!"

Doch nicht nur bei den Entstörzeiten wird fein zwischen Business- und Privatkunden unterschieden. Wer seine Flatrate (egal ob für Telefon oder Datenübertragung) zu intensiv nutzt, wird häufig gekündigt. Als Begründung führt der Provider dann an, dass der Kunde die eigentlich für Privathaushalte konzipierte Flatrate als Business User missbraucht habe. Das Problem an der Sache: Häufig ist nirgends festgeschrieben, ab welchem Umfang der Carrier von einer beruflichen Nutzung ausgeht. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Realitäten der Informationsgesellschaft mit ihrer steigenden Zahl an Freiberuflern Rechnung tragen, haben bei den Carriern leider noch Seltenheitswert. Nur wenige Anbieter definieren sauber, was sie unter einer beruflichen Nutzung verstehen.

Preissenkung - aber ohne Sie

Ändert der Provider die Tarife, kann das Internet-Surfen im Ausland teuer werden.
Foto: Telekom AG

Treue sollte sich lohnen - könnte man meinen. Schließlich verursachen langjährige Kunden (egal ob DSL oder Mobilfunk) keine Kosten in Form von subventionierten Routern oder Handys. Stimmt, diese Kunden lohnen sich für die Anbieter gleich doppelt: Zum einen benötigen sie keine neuen Geräte, zum anderen zahlen sie brav die alten, höheren Tarife, während unter dem Wettbewerbsdruck die Preise purzeln. Wer von diesen Preissenkungen profitieren will, muss deshalb selbst aktiv werden und bei besonders zickigen Anbietern sogar mit der Kündigung drohen. Gleichzeitig ist der Wechsel in einen neuen, günstigeren Tarif meist mit einem Wermutstropfen verbunden: In der Regel beginnt damit eine neue Mindestlaufzeit von oft zwei Jahren.

Teurer Spaß: 15 Minuten News-Lesen im Ausland kostete einen CW-Leser fast 80 Euro, weil sein Provider den Datentarif umgestellt hatte.

Dass Ihnen solche Knüppel nur in den Weg geworfen werden, wenn sich der Tarif zu Ihren Gunsten ändern könnte, versteht sich fast von selbst. Erhöht der Anbieter dagegen seine Preise, dann "profitieren" Sie von dieser Segnung automatisch. So stellte ein deutscher Mobilfunkanbieter zu Jahresbeginn seine Daten-Roaming-Tarife auf den neuen Tarif "WorldData" um. Betroffen waren von der Änderung auch bestehende Verträge, die im Ausland etwa eine Abrechnung in Zehn-Minuten-Schritten vorsahen. Diese kleine Änderung wurde für einen CW-Leser zur teuren Falle. Hatte er früher für die Lektüre deutschsprachiger News-Seiten im Ausland rund acht Euro gezahlt (20 Minuten online), so flatterte ihm nun für die gleiche Leistung eine Rechnung über 120 Euro ins Haus. Im neuen, für seine "fairen Preise" beworbenen WorldData-Tarif wird nämlich der Datenverkehr in 50 KB großen Paketen abgerechnet. Da sind dann etwas über 25 MB schnell ihre fast 80 Euro wert.

Angesichts dieser Praktiken kann nur jedem Leser geraten werden, die Post der Carrier genau zu lesen. Hinter mancher bunten Werbebotschaft kann sich nämlich wie im obigen Fall eine versteckte Tarifänderung zum Nachteil des Kunden verbergen. (Computerwoche/haf)