Blockchain

Die Entwicklung eines Technologietrends

08.05.2017 von Moritz Strube
Wir geben einen kurzen Überblick über die wesentlichen Entwicklungen der Blockchain-Technologie - von ihren Anfängen bis heute.

Hier lesen Sie einen kurzen Überblick über die wesentlichen Entwicklungen der Blockchain-Technologie von ihren Anfängen bis heute. Unternehmen sollten sich Gedanken dazu machen, in welcher Form dies Einfluss auf ihre Businessmodelle hat und ob sich Handlungsbedarf für sie ergibt.

Blockchain: Definition & Hintergrund

Blockchain ist eine Art von verteiltem Hauptbuch oder Register (engl. Ledger), in dem Transaktionen sequentiell in Blöcke gruppiert werden. Dazu werden Blöcke durch Speichern eines Hash Pointers auf den Vorgängerblock verkettet. Ein Hash Pointer ist ein kryptographisch vor Manipulation geschützter Verweis auf den Vorgängerblock. So wird sichergestellt, dass Blöcke und damit Transaktionen nicht nachträglich geändert werden können (siehe Grafik). Die verketteten Blöcke werden unveränderlich in einem Peer-to-Peer-Netzwerk aufgezeichnet, wobei kryptographische Vertrauens- und Sicherheitsmechanismen verwendet werden. Abhängig von der Implementierung können Transaktionen programmierbares Verhalten beinhalten.

Blockchain nahm 2009 ihren Anfang mit Bitcoin, der bekanntesten von inzwischen 640 sogenannter Kryptowährungen mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 13,5 Mrd. US-Dollar. Hier dient die Blockchain zur Speicherung von Transaktionen zur Übertragung von Bitcoins.

Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, Satoshi Nakamoto
Foto: Crisp Research AG

Tatsächlich speichert dieser Blockchain aber keine Daten, sondern einfache Programme, mit der verschiedene Transaktionen realisiert werden können. Diese ermöglichen neben der Übertragung von Bitcoins auch andere einfache Anwendungen. Die Möglichkeiten der hierfür verwendeten Programmiersprache sind allerdings sehr beschränkt.

Aus der Idee, diese Programmiersprache in seiner Mächtigkeit zu erweitern, ergaben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, die weit über die reine Übertragung von digitalen Vermögensgegenständen hinausgehen. Mit Ethereum wurde 2014 eine crowd-finanzierte Plattform geschaffen, die das Ausführen allgemeiner Programme ermöglicht. Diese Skripte werden an einer bestimmten Adresse in der Blockchain gespeichert. Wenn eine entsprechende Transaktion an diese Adresse gesendet wird, führt eine auf jeden Knoten verteilte Virtuelle Maschine dieses Programm auf Basis der Daten aus, die mit der Transaktion gesendet wurden.

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Smart Contracts

Smart Contracts sind solche Programme, die das Abbilden und die Abwicklung von Verträgen in der Blockchain ermöglichen. Die Vertragspartner interagieren direkt mit dem Smart Contract über die Blockchain, Vermittler wie Notare, Anwälte, Börsen oder Banken werden nicht mehr benötigt.

Damit können vielfältige Anwendungen als Smart Contract abgebildet werden:

Aber auch Smart Contracts sind Grenzen gesetzt. So gibt es im Hinblick auf die Anbindung an Services außerhalb der Blockchain, dem Erzwingen von Zahlungen und der Handhabung vertraulicher Daten auf der Blockchain noch Klärungsbedarf.

Mit diesen Programmen können aber auch komplexe rechtliche Gebilde, bis hin zu ganzen Organisationen, in der Blockchain abgebildet werden. So wurde im Mai 2016 auf der Ethereum-Blockchain eine dezentrale, autonome, menschenlose Organisation - DAO - geschaffen. DAO ist mit 168 Millionen US-Dollar das bisher größte Crowdfunding-Projekt überhaupt. Die an diesem Crowdfunding beteiligten Personen haben entsprechend ihrem finanziellen Beitrag Stimmrechte für Entscheidungen erhalten, wie zum Beispiel die Vergabe von Aufträgen und Investitionen auf Basis von Smart Contracts. Diese werden von DAO mit der Kryptowährung Ether getätigt, Abstimmungen erfolgen per eVoting auf der Blockchain. Allerdings haben die Ereignisse im Juni 2016, als durch einen Hackerangriff 41 Millionen Euro abgezweigt wurden, auch viele mit der Technologie verbundene Probleme aufgezeigt.

Skalierbarkeit

Sowohl die Bitcoin- und die Ethereum-Blockchain sind öffentliche, dezentrale Datenbanken, bei denen die Identität der Benutzer weder bekannt noch beschränkt ist. Um Manipulationen der Blockchain zu verhindern, kommt bei beiden das zeit- und ressourcenintensive Proof-of-Work-Verfahren zum Einsatz. Dies führt zu einer Beschränkung der Transaktionsgeschwindigkeit auf aktuell drei bis zwanzig Transaktionen pro Sekunde. Zum Vergleich: Das System von Visa ermöglicht zwischen 2000 und 56.000 Transaktionen pro Sekunde, Internet-of-Things-Anwendungen benötigen Transaktionsgeschwindigkeiten, die noch weit darüber hinaus gehen.

Die geringe Transaktionsgeschwindigkeit stellt ein großes Problem für öffentliche Blockchains dar. Mit Konzepten wie dem Lightning Network für Blockchain und dem Raiden Network für Ethereum soll das Problem aber in Zukunft gelöst werden.

Öffentliche und private Blockchains

Als Alternative zu dem Ansatz der öffentlichen Blockchain wurden verschiedene Blockchains geschaffen, bei denen die Transaktionen durch vertrauenswürdige Instanzen validiert werden. Dies kann auch dadurch erreicht werden, dass der Zugriff auf die Blockchain selbst auf eine kleinere Zahl vertrauenswürdiger Benutzer beeschränkt wird. Solche Blockchains werden als private Blockchains bezeichnet und ermöglichen die Vergabe von Zugriffsrechten auf die Blockchain. Blockchains ohne Beschränkung des Zugriffs heißen entsprechend öffentliche Blockchains. Man kann dies mit einem Intranet im Gegensatz zum dem Internet vergleichen. Ripple (2013) und Blockstream (2014) sind Beispiele für Unternehmen, die private Blockchain-Plattformen anbieten. R3 und Monax/Eris Industries, aber auch Ethereum bieten private Blockchains für den Einsatz innerhalb von Unternehmen an.

Blockchains

Öffentliche Blockchain

Private Blockchain

Zugriff

Offener Schreib- und Lesezugriff

Berechtigungen für Schreib- oder Lesezugriff

Geschwindigkeit

Langsamer

Schneller

Sicherheit

Proof-of-Work / Proof-of-Stake

vorab festgelegte Nutzer

Identität

Anonym / Pseudonym

Bekannte Identitäten

Quelle: Crisp Research 2016

Zudem bieten IBM, Microsoft mit Ethereum und Deloitte Blockchain-as-a-Service an, mit denen wohl vor allen Dingen die Nutzung von Blockchain-Technologien vereinfacht werden soll.

Blockchain im Finanzsektor

Ursprüngliche Ideen zur Anwendung von Blockchain-Technologien setzten sich insbesondere mit der Möglichkeit auseinander, durch dezentrale Verarbeitung von Transaktionen Intermediäre überflüssig zu machen, wie zum Beispiel traditionelle Banken, Zahlungsverkehrsdienstleister und Börsen. Inzwischen habe aber gerade Anwendungen bei diesen Intermediären die größte Reife entwickelt, mit den Kosten gesenkt werden sollen. So schätzt die Bank Santander das Potenzial für die Kostensenkung im Zahlungsverkehr auf 15 bis 20 Milliarden US-Dollar jährlich.

Corda, ein großes Blockchain-Projekt, das von einem Konsortium von mehr als 70 Unternehmen gestartet wurde, um Finanzgeschäfte in einer Blockchain abzubilden, wurde im November letzten Jahres Open Source. Corda wurde an Hyperledger übergeben, einem Projekt der Linux Foundation, das von mehr als 100 Organisationen unterstützt wird, darunter IBM, J. P. Morgan und Airbus. Dessen Ziel ist es, die Blockchain-Technologie voranzubringen und branchenübergreifende, offene Standards zu schaffen, um die Art und Weise zu transformieren, mit der bisher Geschäftstransaktionen global getätigt wurden.

Supply (Block-)Chain

Supply-Chains sind von komplexen, vielfach internationalen Logistik- und Finanztransaktionen geprägt und basieren vielfach auf Papierdokumenten. Das führt zu ineffizienten und intransparenten Prozessen mit Betrugsrisiken. Blockchain-Experten gehen daher davon aus, dass nach den ersten Anwendungen in der Finanzindustrie Anwendungen für Supply Chains folgen werden.

Blockchain im Internet of Things

In den nächsten Jahren wird das Internet von Geräten dominiert, die ohne direktes Eingreifen von Benutzern vielfältigste Services austauschen. In diesem Internet of Things können Geräte auf Basis von Blockchain-Technologien sicher Daten austauschen und für die Nutzung dieser Services bezahlt werden. Blockchains ermöglichen dabei auch die effiziente Bezahlung von kleinsten Beträgen, sogenannte Micropayments.

Healthcare-Blockchain

Experten gehen davon aus, dass in den USA mangelnde Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen zur Verwaltung von Gesundheitsdaten jährlich 190.000 Tote und Kosten in Höhe von 18,6 Milliarden US-Dollar verursacht. Einen wichtigen Beitrag dazu kann die Nutzung von Blockchain-Technologien zur Verwaltung von Gesundheitsdaten leisten.

Wo steht Blockchain?

Zunächst ist festzuhalten, dass das Thema Blockchain in den Medien und auch bei den Investoren das Thema Kryptowährungen überholt hat. Allein in der Finanzindustrie werden 2016 über eine Milliarde US-Dollar in Blockchain investiert. Regierungen und Großunternehmen sind weniger an Blockchain interessiert, weil sie digitale Währungen nutzen wollen, sondern weil sie mit anderen Daten arbeiten wollen. Blockchain zählt laut Crisp Research im Jahr 2017 - und darüber hinaus - zu den zehn strategischen IT- und Technologietrends, mit denen sich CIOs, CTOs und Digitalisierungsentscheider beschäftigen sollten. Auch wenn das Thema von einem großen medialen Hype begleitet wird und sich die Technologien und Services noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, bietet Blockchain eben jenes "Disruptionspotenzial", um Geschäftsmodelle, Prozesse und Transaktionen nachhaltig zu verändern und zu erneuern.

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Blockchain-Technologie einsetzen?

Blockchain ist nicht als Webtechnologie, sondern als eine neue Evolutionsstufe des Internets zu betrachten. Ähnlich wie das World Wide Web - das einen allgemeinen Zugang zu Internet und E-Commerce ermöglichte - stellt die Blockchain-Technologie eine neue Schicht des Internets, den Trust-Layer, dar. Dies ermöglicht Akteuren, die sich nicht kennen und vertrauen müssen, ohne Intermediäre im Internet sicher und effizient geschäftliche Transaktionen durchzuführen.

Aber auch ohne diese hochgestellte Zielsetzung bietet die Blockchain große Potenziale für die dezentrale und kosteneffiziente Abwicklungen für Transaktionen in verschiedenen Industrien oder auch im öffentlichen Sektor. Blockchains entstehen in vielfältigen Varianten: öffentliche und private Blockchains, proprietäre und Open-Source-Blockchains mit unterschiedlichsten Eigenschaften. Zudem entwickelt sich die Technologie rasant weiter. Was ist bei der Auswahl der geeigneten Blockchain für die eigenen Use Cases zu beachten?

Blockchain ist nicht als Webtechnologie, sondern als eine neue Evolutionsstufe des Internets zu betrachten.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Gemeinsamer Kern aller Blockchains ist die dezentrale Speicherung nicht veränderbarer Daten. Unterschiede ergeben sich zum Beispiel beim Benutzerkreis, der Validierung, dem verwendeten Konsensmechanismus und der Transaktionsgeschwindigkeit. Zunächst sollten sich potenzielle Anwender der Blockchain-Technologie vor dem Hintergrund ihrer Use Cases einen Überblick über die verschiedenen Blockchains und Anbieter verschaffen und die Vor- und Nachteile im Hinblick auf die geplante Anwendung abwägen. Dabei sollten alle Beteiligten ein klares und gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was sie unter dem Begriff Blockchain verstehen.

Zu beachten ist dabei, dass sich aktuell eine Vielzahl von Blockchain-Ansätzen etabliert und noch ungewiss ist, welche dieser Ansätze sich durchsetzen werden. Daher sollten Unternehmen sehr genau auf die Details achten, wenn sie sich mit Blockchains auseinandersetzen und die weitere Entwicklung beobachten. (fm)