CW: Was ist die Initiative "Deutsche Cloud"?
SCHEER: Wir haben ein "Aktionskonzept Cloud Computing in Deutschland" auf die Agenda gesetzt, um auch die Politik auf die Bedeutung des Cloud Computing hinzuweisen. Dahinter verbirgt sich nicht nur eine technische Entwicklung, denn durch das Cloud Computing entstehen neue Geschäftsmodelle. Viele Softwarehäuser laufen in Gefahr, dass sie beim herkömmlichen Lizenzverkauf verharren und damit den rechtzeitigen Einstieg in das neue Geschäftsmodell verpassen.
Zudem senkt das Cloud Computing den Schwellenwert für den Neueintritt in den Markt. Jedes Softwarehaus kann aktiv werden, ohne eine eigene Infrastruktur aufzubauen - das kann Innovationen fördern. Die Frage ist, wie der deutsche ITK-Markt daran teilhaben wird. Unternehmen wie Google, Amazon und Microsoft sind weit voraus. Im Infrastrukturbereich ist Deutschland - um es milde auszudrücken - nicht führend.
Dabei hat der Standort einige Vorteile aufzuweisen, etwa in der Datensicherheit und im Datenschutz, also besonders dort, wo es um vertrauensbildende Maßnahmen geht. Hier bestehen Chancen für in Deutschland tätige Anbieter, im internationalen Konzert mitzuspielen. Ein Konzept für Cloud Services, die vom Standort Deutschland aus erbracht werden, könnte diese Stärken besonders betonen. Dazu gehören auch Softwarelösungen. Wir sprechen mit der Politik unter anderem über Möglichkeiten einer Cloud im Rahmen von E-Government-Projekten.
T-Systems beschränkt den Kreis auf deutsche Anbieter
CW: Irritationen gab es, weil T-Systems eine ähnliche Initiative mit dem Namen "Deutsche Cloud" gestartet und darüber nur mit deutschen Anbietern gesprochen hat.
SCHEER: Es ist das gute Recht jedes Unternehmens, sich seine Partner frei auszuwählen.
CW: Der Teilnehmerkreis scheint auf deutsche Anbieter beschränkt zu sein. Das kann doch nicht im Interesse des Bitkom sein.
SCHEER: Die US-amerikanischen Anbieter sind uns weit voraus, sie benötigen keine deutsche Anschubhilfe. Dass führende deutsche Unternehmen die Kräfte bündeln, ist zulässig und hat nichts mit einem Protektionismus zu tun, den wir gerade in den USA am Beispiel Boeing/EADS erleben.
Deutsche Anbieter können ihr Know-how künftig auch in andere Clouds einbringen. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Kompetenzen kennen und bündeln. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen dem, was T-Systems, und dem, was der Bitkom vorhat. Solche Initiativen sind meines Erachtens auch keine geschlossene Gesellschaft. Dass man hierzulande zunächst große Anbieter wie SAP und Software AG ins Boot holt, ist normal.
CW:Der Bitkom vertritt auch Unternehmen wie IBM, Oracle und HP. Für die Teilhabe an einer deutschen Cloud kann doch nicht das Kriterium sein, dass die Anbieter deutsche Wurzeln haben.
SCHEER: Das ist auch nicht so. Wir haben einen Cloud-Arbeitskreis, in dem Vertreter aller interessierten Unternehmen Sitz und Stimme haben, selbstverständlich auch die US-Unternehmen. Wir streben keine provinzielle Lösung an. Um eine gewichtige Stimme im weltweiten Cloud Computing zu haben, müssen wir Kompetenzen bündeln. Der Begriff "Deutsche Cloud" ist ein wenig marktschreierisch. Besser gefällt mir "Cloud made in Germany".
Die Politik kann im Rahmen von Beschaffungen Einfluss nehmen
CW: Bislang hat der Markt entschieden, und der fragt offenbar die deutschen Angebote nicht nach.
SCHEER: Wir wollen das Know-how in Deutschland fördern, zum Beispiel indem wir hier Sicherheitssysteme entwickeln. Auch Unternehmen, die Deutschland nur als Absatzmarkt nutzen, sind willkommen. Das darf uns aber nicht daran hindern, die Entwicklungskapazitäten zu konzentrieren. Damit können wir übrigens auch verhindern, dass unsere teuer ausgebildeten Informatiker irgendwann nur noch in den USA einen Job finden.
CW: Was ist die Aufgabe der Politik?
SCHEER: Sie kann sich zunächst einmal des Themas annehmen und im Rahmen der Forschungsförderung entsprechende Projekte aufsetzen. Zudem ist die öffentliche Hand ein großer Nachfrager, etwa 20 Prozent des Markts werden von Bund, Ländern und Kommunen bestimmt. Im Rahmen von innovativen Beschaffungsmöglichkeiten kann die Politik Entwicklungen verstärken.
CW: Hat die Initiative eine eigene Infrastruktur zum Ziel?
SCHEER: Infrastruktur ist ein Thema. Wir müssen sehen, ob wir hier überhaupt noch mithalten können. Konkrete Pläne können sich ergeben, zunächst aber müssen wir überhaupt einmal untereinander ins Gespräch kommen. Mit SAP und anderen Softwarehäusern haben wir Hersteller, die Anwendungen in einer Cloud anbieten können. Letzten Endes müssen wir auch Anwender finden und sie von der Nutzung der Cloud-Dienste überzeugen. Den Mittelstand können wir beispielsweise aufklären, wie es um die Datensicherheit und den Datenschutz bestellt ist. Das betrifft im Übrigen alle Anbieter, auch insofern ist die Initiative nicht auf ‚deutsche’ Unternehmen beschränkt. Wir wollen das Thema insgesamt nach vorne bringen, aber auch herausfinden, welchen Beitrag die hiesige ITK-Industrie leisten kann. Das ist legitim.
CW: Was erhoffen Sie sich von der Cloud?
SCHEER: Wichtig ist, dass die hier tätigen Softwarehäuser den Schritt zu den leistungsabhängigen Bezugsmodellen schaffen. Da gibt es gute Ansätze etwa bei der SAP mit Business ByDesign. Ich wünsche mir eine Gründungswelle im Zusammenhang mit der Cloud. Und ich möchte, dass Deutschland im Datenschutz und in der Datensicherheit eine weltweit führende Rolle übernimmt.