Der rasche Vormarsch der Smartphones in Unternehmen befreit Linux aus seiner misslichen Situation, sich ständig an Microsoft und dem Desktop zu reiben. Stattdessen bewirkt der Einsatz der mobilen Arbeitsgeräte, Linux als unvermeidliche Alternative zu Windows zu akzeptieren. Für den Channel heißt das, sich mit Linux zu befassen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, auf den bereits in Fahrt gekommenen Mobile-Zug aufzuspringen.
Microsoft und der Desktop - eine dauerhafte Ehe, die selbst in IT-Kreisen mittlerweile nicht mehr in Frage gestellt wird. Zumal jetzt, da Windows 7 jene Bedienfreundlichkeit und Stabilität verspricht, die Vorgänger Vista vermissen lies.
Infolge dessen steht für Marktforscher fest, dass das neue Betriebssystem den Desktop weiterhin beherrschen wird. Das bedeutet aber für die Anbieter alternativer Desktop-Betriebssysteme, gleich ob Apple oder die Riege der Open Source-Anbieter, dass sie auch künftig ein Nischendasein fristen werden. Nüchtern mit Marktforscher Gartner gesprochen: Derzeit ist Microsoft Windows auf über 90 Prozent aller Desktop-Systeme präsent; Apple rangiert mit etwas mehr als fünf Prozent dahinter, und Linux kommt auf knapp ein Prozent.
Das wäre für den Software-Riesen aus Redmond beruhigend - wenn ihm nicht gerade die Definitionsgewalt über den Desktop entgleiten würde.
Denn seit dem Markteintritt des Iphones im Sommer 2007 ist eine bemerkenswerte, mittlerweile allgemein akzeptierte Ausweitung des Desktops passiert - und wie es scheint, kann diese nicht rückgängig gemacht werden.
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Der Desktop ist nämlich auch auf Smartphones gewandert, und was ihm dort widerfährt, ist nichts anderes als seine komfortable Einrichtung darauf. Mit allen Funktionen eines mobilen Desktops: Mail, Kalender, Remote-Zugriff auf Unternehmens-LANs und -Anwendungen und anderes mehr.
Da er darüber hinaus noch allerhand lebenspraktische Anwendungen kennt - sie reichen von Reiseführern über Youtube bis hin zu Spesenrechnern -, ist es nicht verwunderlich, dass das Iphone - und seine Alternativen - zu mehr als einem Kultgerät geworden ist: Es ist zu einem veritablen Arbeitsgerät für Vielreisende und -arbeitende mit einer gewissen Lust an spielerischen Anwendungen auf ihrem mobilen Office geworden.
Man könnte das nun als Diffusion der Arbeitsgeräte interpretieren, unvermeidlich in ihrer Entwicklung seit der flächendeckenden Verfügbarkeit von Breitbandzugängen in das Internet,. Doch damit würde man eine Entwicklung ignorieren, die derzeit Microsoft vermutlich mehr zu denken gibt, als es je vorhatte.
Linux auf mobilen Geräten
Der Auszug des Desktops auf Smartphones stellt nämlich nichts weniger dar als den Abschied von dem Käfig Unternehmens-LAN und dem darin dominanten Server-Client-Modell. Die Konsequenz: In demselben Maß, in dem die mobilen Geräte das Arbeitsleben (mit-)formen, bringen sie in Unternehmen die dort aufragenden Betriebssystem-Mauern zu Fall. Das besorgen derzeit hauptsächlich die Betriebssysteme Symbian, BlackBerrys, Iphones und Android; sie treiben diese Geräte an, und weil man sie nicht stoppen kann, muss man sie nun integrieren. Windows Mobile aber ist nach wie vor zu wenig bedeutend, als dass es eine wirkliche Barriere für die OS-Alternativen darstellt.
Das hat dramatische Folgen. Zum Beispiel die, dass der Desktop nicht länger die Arbeitsumgebung bestimmt, sondern nurmehr eine Variante der Arbeitsumgebung darstellt, die womöglich verändert werden muss. Der umgekehrte Weg bietet sich derzeit noch nicht an: Die Desktop-Virtualisierung auf mobilen Geräten steckt noch in den Kinderschuhen.
Auf mobilen Geräten gibt es aber keinen Microsoft-Dominanz, und deshalb auch nicht den Zwang, sich an Microsoft und dessen "Windows Mobile"-Entwicklungsschritten zu orientieren.
Stattdessen sind hier, zur Freude von Entwicklern und Kunden, offene Plattformen vertreten. Diese haben eines gemeinsam. Sie stammen aus der Open Source-Szene - also Linux.
So kommt es, dass die mobilen Geräte wie von selbst etwas bewirken, was alle Marketingaktionen bislang nicht erreichten: Linux auf die Unternehmens-Desktops zu bringen.
Linux, mit seinen Derivaten Android und dem allerdings verschlossenen, proprietären Iphone, müssen schon jetzt als Windows-Alternative gelten. Immerhin weltweit 3, 5 Prozent Marktanteile schlagen für Android im Markt für mobile Betriebssystem (mobile OS) zu Buche; es gibt derzeit rund 20 Android-Handys, und wer Google kennt, weiß, das es sich damit nicht zufrieden gegen wird.
Was Apples Iphone angeht, so geht dessen Siegeszug ungebremst weiter. Derzeit kann das Iphone 17,3 Prozent des weltweiten Mobile OS-Marktes für sich reklamieren. Marktführer Symbian aber ist ernsthaft bedroht: Sein Besitzer, der finnische Handy-Marktführer Nokia, rüstet gerade seine Geräte für Geschäftskunden mit der Linux-Variante "Maemo" aus.
Hinzu kommt: Googles Chrome OS, als Betriebssystem für Netbooks und ortsunabhängiges Cloud Computing angekündigt für Ende 2010, wird als Open Source-Software allen Entwicklern offenstehen.
Ein neuer Markt wartet auf den indirekten Kanal
Nachdem sich der Markt für mobile Betriebssysteme durch den kaum erwarteten Erfolg von Linux-Derivaten deutlich verändert hat, und Marktforscher wie zum Beispiel Gartner ausgesprochen optimistische Wachstumszahlen für Linux-Smartphones vorlegen, ist klar: Dieser Markt darf nicht länger als Nischenmarkt für Exoten gehandelt werden. Er muss vielmehr als eine attraktive und für den indirekten Channel gewinnbringende neues Segment ins Bewusstsein gerückt werden.
Gewiss sollte niemand den anfangs reflexartig sich einstellenden Microsoft-Effekt unterschätzen: Man selbst ist den Umgang mit Windows gewohnt; das gilt natürlich ebenso für Kunden.
Doch das ändert nichts daran, dass die Kombination Linux/ mobile Geräte in Unternehmen Wirklichkeit geworden ist. So schnell wie niemand vorhersagte. Heute rechnen Marktanalysten mit rund drei Millionen Android-Nutzern, im kommenden Jahr sollen rund 30 Android-Handys in den Markt gebracht werden, und die Ankündigungen von Google lassen ahnen, dass auch das browser-basierende Betriebssystem Chrome sich seine eigene Umgebung schaffen wird.
Etwa die heute bereits genutzte Kombination von Google Docs und Android oder Iphone .Google Docs gibt es nur im Netz, als Cloud-Applikation, und genau das macht Microsoft zusätzlich zu schaffen. In der Cloud braucht der Nutzer nur das, was er adhoc benötigt: Die Debatten um dicke oder dünne Clients verabschieden sich auf diese Weise.
Damit aber ist den Nutzern eine Tür geöffnet, die zumindest eines ganz sicher verspricht: Die Abwesenheit, weil Überflüssigkeit von Microsoft Windows.
Und obwohl dagegen spricht, dass man mit dieser Umgebung längst nicht so vertraut ist, spricht für mehr noch für sie: Sie ist offen; jeder kann mit lernen umzugehen, zumal da sie eine Fülle attraktiver Applikationen bereit hält.
So sind die Geschäftsmöglichkeiten, die sich auf diese Weise dem indirekten Kanal anbieten, zahlreich: Etwa die Integration, Wartung inklusive Sicherheit von Hard- und Software bei SMB- und SoHo-Kunden; oder die Entwicklung neuer ortsunabhängiger Prozesse (Workflows).
Die Tür ist offen. Jetzt muss man nur durch sie gehen. (wl)