Seit über einem Jahr rücken verschiedene Hersteller die Themen Virtualisierung, Managed Services und Cloud Computing aktiv in den Vordergrund. Das Ergebnis eines im April 2010 von ChannelPartner veranstalteten Roundtables war, dass die Strukturen vonseiten der Hersteller und Distributoren bei Weitem noch nicht ausgereift sind, um das Angebot für Fachhändler interessant zu machen. ChannelPartner wollte wissen, ob sich daran in den vergangenen zwölf Monaten etwas geändert hat und auf welche Angebote die Fachhändler heute zurückgreifen können.
Vor rund 18 Monaten begann beispielsweise Fujitsu damit, nicht nur die Services, sondern auch die Partner in die Cloud zu führen. Jörg Brünig, Senior Director Channel Business Germany bei Fujitsu Technology Solutions GmbH, zieht eine Zwischenbilanz: "Heute ist rund ein Fünftel unserer Partner bereit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vor zwölf Monaten lag diese Zahl noch im unteren einstelligen Prozentbereich. Allerdings ist davon, dass die Reseller dieses Geschäftsmodell in der eigenen Organisation tatsächlich abbilden, noch nicht sehr viel zu sehen."
Channel-Sales-Kongress "Cloud Computing" In vornehmer Zurückhaltung übt sich nach wie vor auch noch die Distribution. Virtuelle Dienstleistungen oder Storage in eine Supply Chain zu packen, die ansonsten auf Kartons und Paletten ausgelegt ist, scheint den Großhandel vor schwer zu lösende Aufgaben zu stellen. Seit Ende 2010 bestehen zwischen Fujitsu und sechs deutschen Distributoren Verträge über die Abwicklung von Cloud-Angeboten. "Aktive Vermarktung seitens der Distributoren bleibt an dieser Stelle allerdings noch aus", ergänzt Brünig.
Um Virtualisierung und Cloud Computing erfolgreich zu den Endkunden zu bringen, reichen eine perfekt funktionierende Supply Chain und technisches IT-Wissen aufseiten der Distributoren und der Händler eben nicht aus. "Wenn Sie einem Kunden heute eine Transformation in die Cloud verkaufen, dann brauchen Sie andere Skills. Ein Reseller, der nur Hardware anbietet, wird dieses Projekt nicht verkaufen. Wir sehen derzeit viele Unternehmensberater, die klassische Prozessberatung machen, in dieses Thema hineindrängen. Denn wer die Prozesse des Kunden kennt, der kann auch Cloud Computing verkaufen", glaubt Steve Janata, Senior Advisor bei der Experton Group.
Nicht nur Unternehmensberater, sondern auch der TK-Channel stößt in das ehemalige Hoheitsgebiet der IT-Händler vor. "Wir verkaufen nicht mehr nur die klassische TK-Anlage mit Applikationen, sondern wollen diese Dienstleistung direkt aus der Cloud erbringen. Wir haben hier den Vorteil, dass wir uns damit auf ein rein indirektes Modell konzentrieren können", meint Stephan Schaade, Senior Vice President Cloud Communication Services bei Siemens Enterprise Communications. Mit der Einführung der Cloud über die Distribution gebe der Hersteller in diesem Geschäftsbereich die früher üblichen direkten Kundenbeziehungen auf. Den Schlüssel zum Erfolg sieht Schade unter anderem darin, dass die dahinterstehenden Portallösungen bereits zusammen mit den Partnern entwickelt werden, um dem Channel frühzeitig gerecht zu werden.
Dass jedoch selbst manche Hersteller noch nicht über eine ausreichende Sensibilisierung für dieses Thema verfügen, glaubt Arno van Züren, Direktor Data Center und Secure Cloud bei Trend Micro. "Wir bemerken häufig in Gesprächen, dass auf der Herstellerseite der Reifegrad bezüglich Lösungen oft noch gar nicht gegeben ist. Den Markt richtig zu erkennen und einschätzen zu können ist im Moment sehr schwierig."
Einstieg Schritt für Schritt
Für klassische Hard- und Softwareprodukte bieten alle Hersteller und Distributoren die entsprechenden Zertifizierungen an. Für ein vielschichtigesThema wie Virtualisierung ist es jedoch mit einer einzigen Zertifizierungsschulung nicht getan. Experton-Group-Manager Janata sieht noch elementare Lücken, die von Herstellern und Distributoren geschlossen werden müssen, um den Fachhandel in die Lage zu versetzen, das Angebot sicher und übersichtlich in unterschiedlichen Unternehmensstrukturen zu platzieren. "Es hat noch kein Hersteller geschafft, ein umfassendes Zertifizierungsprogramm für Cloud Computing aufzusetzen. Wir sehen hier noch lange nicht den Umfang der Maßnahmen, der nötig wäre, um die Masse der Reseller zu befähigen, das Thema draußen wirklich zu verkaufen. Cloud ist kein Projekt, sondern Cloud ist eine Strategie." Ein weiteres Problem sieht Janata aufseiten der Reseller. Hier fehle es häufig an den Fähigkeiten der Mitarbeiter. Sie müssten sich erst das nötige Know-how aneignen.
Um nicht gleich zu Beginn von der immer größer werdenden Masse an möglichen virtuellen Angeboten erschlagen zu werden, kann es für Händler sinnvoll sein, sich in kleinen Schritten an das Thema heranzuwagen. Bis ein mittelständisches Unternehmen seine komplette Infrastruktur an einem Tag per Knopfdruck in die Cloud schicken wird, werden noch Jahre vergehen. Davon weiß auch Siemens-Manager Schaade zu berichten: "Auch wir haben von unseren Partnern das Feedback bekommen, dass es ein beratungsintensives Geschäft ist. Es bedeutet Überzeugungsarbeit und wird dann Erfolg haben, wenn Sie nicht sofort den großen Schritt auf einmal wagen müssen. Wenn der Händler in der Lage ist, bei seinem Kunden nicht nur alte Strukturen zu ersetzen, sondern das Gesamtkonstrukt zusätzlich anzureichern, dann hat er die richtige Strategie gefunden. Es sind oft die kleinen Dinge, die große Wirkung erzielen." Als Beispiele nennt Schade Web Collaboration oder Web Conferencing, die bisher nur bei den wenigsten Kunden zu finden seien.
Jedoch fehlt im Channel oft auch noch das Wissen um die genauen Begriffsdefinitionen, wie Managed Services, Infrastructure-as-a-Service, Public Cloud, Private Cloud, Storage-as-a-Service, Software-as-a-Service, Security Services, Cloud Services und vieles mehr. "Jeder spricht über die Cloud, gehostete Mietlösungen oder Ähnliches. Aber ich bin mir nicht sicher, ob auch jeder Reseller und jeder Mitarbeiter eines Systemhauses das einem Kunden verständlich erklären kann", sagt Thomas Hefner, Vertriebsleiter bei Kasaya Deutschland. Im schlimmsten Fall trifft dann ein Verkäufer, der nicht genau erklären kann, was er eigentlich verkaufen will, auf einen Einkäufer, der die Vorgabe bekommen hat, das Unternehmen auf Cloud Computing umzustellen, aber nicht genau weiß, wie und wo er ansetzen soll. Trend-Micro-Manager van Züren nennt eine der Gefahren: "In solchen Fällen werden zum Beispiel sehr häufig die Security-Ansätze vernachlässigt. Und wenn die Umgebung schon in einer Cloud implementiert ist, kommt im Nachhinein der Security Officer um die Ecke und stoppt das Ganze, was wieder zusätzliches Geld kostet."
Wer berechnet, wer verrechnet und wer verdient?
Ein weiteres Thema, mit dem sich die Hersteller noch intensiver beschäftigen müssen, ist der Cashflow innerhalb eines Virtualisierungsprojekts. Mit einer Margenkalkulation, bestehend aus der Differenz zwischen dem eigenen Verkaufspreis und dem Einkaufspreis in der Distribution, ist es hier nicht mehr getan. Punkte wie Abschlussgebühr, Volumen des Auftrags und flexible Laufzeitprovision bei wechselnden Kundenanforderungen spielen hier eine Rolle. Zusätzlich kommen auf Reseller neue Abrechnungsverfahren gegenüber ihren Kunden hinzu, die sie bisher in ihrer Faktura so nicht abgebildet haben. "Wenn wir das vielen Kunden anbieten und alle zugreifen, sind wir morgen tot", könnte der Gedanke eines Resellers sein, meint Stefan Utzinger, CEO bei dem Security-Hersteller Novastor.
Beratungsunternehmen wie die Experton Group kennen diese Probleme aus den Anfragen ihrer Kunden, weiß Janata zu berichten. Natürlich gebe es die Möglichkeit, für einen langfristigen Vertrag eine einmalige Provision auszubezahlen. Diese Variante nehme jedoch den eigentlichen Charme aus der Cloud, in der der Kunde mit seinen Ansprüchen auch atmen möchte. "Unsere Empfehlung lautet: Findet ein Modell, das eine Kombination zwischen einmaligem Incentive und einer monatlichen Provision darstellt. Eine dritte Komponente sollte bei langfristigen Geschäftsbeziehungen hinzugefügt werden, wenn der Kunde den Vertrag verlängert. Dann sollte der Partner neben der fortlaufenden Provision eine weitere Abschlussgebühr erhalten."
Abschlussprovisionen sind jedoch für die Hersteller, je nach Art eines Angebotes, nicht immer einfach zu kalkulieren. Für "Pay-as-you-go-Verträge", bei denen der Kunde die Möglichkeit der flexiblen Leistungsabfrage hat, ist dieses Modell nicht zu kalkulieren. Ein Hersteller, der sich dieses Themas bereits angenommen hat, ist IBM. "Wir haben es für einige Produkte bereits geschafft, für die Partner das Pay-as-you-go-Modell in der Bezahlung zu implementieren. Die Gelder fließen abhängig vom Verbrauch des Kunden (Usage Payment). "Das Feedback unserer Partner ist, dass sie gar nicht mehr anders können, weil die Kunden das wollen. Die Vertriebsmannschaft muss dabei umdenken. Allein den Zugang zur Cloud zu verkaufen reicht nicht. Der Kunde muss dann aufgefordert werden, verschiedene Angebote zu testen", erklärt Stefan Bandow, Cloud Computing Sales Leader bei IBM Deutschland. Die Rechnungsstellung der Partner gegenüber ihren Endkunden handhaben die Reseller laut Bandow je nach Struktur unterschiedlich. Manche stellen ihren Kunden eine monatliche Verbrauchsrechnung. Andere senden die Rechnungen im wöchentlichen Turnus.
Service Level Agreements und Rechtssicherheit
Ein weiteres, für manche Reseller neues Thema ist SLA (Service Level Agreement). Viele Kunden stehen der Cloud noch skeptisch gegenüber, vor allem, wenn es darum geht, ihre Daten aus der Hand zu geben. In diesem Zusammenhang muss der Händler in der Lage sein, sie nicht nur aufzuklären, sondern ihnen auch schriftlich zu gewährleisten, dass ihre Daten sicher sind und sie allein die Zugriffsberechtigungen in der Hand haben. Allerdings wollen sie die Sicherheit, ohne Unterbrechung auf ihre Daten zugreifen zu können. "Einen Goldbarren lagern Sie ja schließlich auch nicht in irgendeinem Bahnhofsschließfach", bemerkt Experton-Group-Manager Janata. "Und das Thema Sicherheit taucht bei den Marketingschlagwörtern für die Cloud nur sehr selten auf", ergänzt Alexander Peters, Manager Client Services bei Symantec.
Für größere Partner, die sich schon länger mit Cloud-Angeboten beschäftigen, stellt eine umfassende Kundenberatung mit dazugehöriger Vertragsgestaltung weniger das Problem dar. "Kleinere Reseller dagegen, die bisher jahrelang auf Technik und Programmierung spezialisiert waren, können mit rechtlichen Absicherungen, ROI-Berechnung oder sogar mit eventuell nötigen Gesprächen mit dem Betriebsrat überfordert sein", ergänzt Novastor-Manager Utzinger.
Hier sind erneut die Hersteller gefragt, ihre Fachhändler nicht nur entsprechend zu schulen, sondern sie auch bei Vertragsgestaltungen zu unterstützen und ihnen fachliche Hilfe zur Seite zu stellen. Dabei kann es nicht das Ziel sein, Hobbyanwalt zu spielen. Solche Unterstützung bietet zum Beispiel der Softwareanbieter Kaseya an: "Wir stellen unseren Partnern rechtsrechtliche Serviceverträge zur Verfügung, die ein Anwalt für uns ausgearbeitet hat", sagt Hefner.
Cloud Computing - eine Vision
"Ich habe eine Garage, in der immer ein sauberes, vollgetanktes und aktuelles Fahrzeug steht. Bei schönem Wetter steht in dieser Garage ein Cabrio, und wenn ich mit der Familie einen Ausflug machen möchte, steht darin ein Minivan. Und wenn ich in Urlaub bin, steht gar kein Fahrzeug in der Garage. Damit bin ich immer auf dem Stand der Technik, und ich habe genau das, was ich brauche", so der Siemens-Communications-Manager Schaade. Leider ist diese Garagen-Vision mit konventionellen Mitteln nicht in die Realität umzusetzen, für Cloud-Computing sieht er jedoch reelle Chancen.
Symantec-Manager Peters sieht im Zusammenhang mit der Cloud eine Zukunft, in der Informationen und nicht Geräte oder Systeme im Mittelpunkt stehen.
Experton-Group-Manager Janata will nicht mit einer Vision abschließen: "Ich glaube, viele Anwender erwarten, dass Hersteller und Partner sich zusammenschließen und auch das Referenzmarketing auf die Beine stellen. Alle müssen offen sein und sich bewegen.
Eine Globalisierung aller vorhandenen Daten sieht Novastor-Manager Utzinger auf uns zukommen: "Ich glaube, die ganzen Megatrends wie Mobility, Datenwachstum, Virtualisierung und Cloud bedeuten für uns als Hersteller von Datensicherungslösungen, dass wir sicherstellen müssen, dass die Daten immer global verfügbar sind - sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich. Und dazu kann die Cloud einen erheblichen Beitrag leisten."
Weniger die Daten, sondern verschiedenen Services schildert Kaseya-Geschäftsführer Hefner in seiner Vision des IT-Ressource-Planing. Er hofft, dass sich die Hersteller auf die Reseller mit neuen Kommunikationsplattformen zubewegen und ganz nebenbei auch die Fragezeichen vieler Betriffsdefinitionen auf Reseller-Seite löschen. Und Fujitsu-Manager Brünig resümiert: "Cloud Services werden definitiv Teil der IT-Strategie von Unternehmen. Die Aufgabe der Reseller wird in diesem Zusammenhang die Orchestrierung der unterschiedlichen IT-Komponenten inklusive Cloud Services für eine Gesamtlösung ihrer Endkunden sein." (bw)