Forrester-Analyst Doug Washburn empfiehlt neun Techniken, die seiner Meinung nach für eine ökologische IT-Strategie große Wirkung versprechen.
Cloud Computing
Washburn schreibt, dass, egal, wie man Cloud Computing definiert, die Öko-Effekte dieser IT-Strategie augenscheinlich seien. Das gelte etwa, wenn man Cloud Computing als eine aufgefrischte Version von Utility Computing ansieht. Das treffe auch zu, wenn man Cloud Computing simpel als alles das bezeichnet, "was man außerhalb der Firewall in der Wolke" macht - inklusive eines konventionellen Outsourcing. Die Cloud-Strategie habe unbestreitbar Vorteile: So müsse man nicht in Systeminstallationen, die Stromversorgung und die Kühlung der IT-Infrastruktur investieren. All diese IT-Dienstleistungen stelle ja ein Drittanbieter zur Verfügung.
Natürlich, so Washburn, könnten Anwender nun nicht die schiefe Rechnung aufmachen, mit der Abtretung der IT an einen Cloud-Anbieter seien sie auch aller Kohlendioxid- und Recycling-Probleme ledig. Unbestreitbar sei aber, dass ein Dienstleister mit einem Cloud-Modell seine IT sehr viel energieeffizienter realisiere: Denn er könne sowohl seinen Maschinenpark als auch seinen Energiekonsum effizienter betreiben.
So viel zur Theorie. Forrester-Mann Washburn gesteht nämlich sehr wohl ein, dass über Service-Level-Agreements - so genannten SLAs - mitnichten sichergestellt ist, dass Cloud-Service-Provider auch tatsächlich das Optimum in Sachen Ökologie aus ihren Installationen herausholen - und dies auch noch zum Vorteil ihrer Kunden.
Grundsätzlich gibt es zudem immer noch erhebliche Vorbehalte gegenüber Cloud Computing. Dies habe mit Sicherheitserwägungen der Anwender zu tun, ebenso mit Bedenken bezüglich der Abgeschirmtheit der jeweiligen Firmendaten, aber auch mit Zweifeln daran, ob Cloud-Computing-Provider grundsätzlich das von Anwendern erhoffte Maß an Dienstleistungen garantieren könnten.
Outsourcing - Collocation
Washburn diskutiert ferner die Öko-Optionen, die sich Anwendern via Data-Center-Outsourcing oder ein Collocation-Modell anbieten. Beim Collocation-Modell wird - anders als beim Outsourcing - mit einem Dienstleister nur die Inanspruchnahme einer Rechenzentrumsfläche und die Kühlung von dort zu installierenden Rechnern vertraglich geregelt. Für dort aufzustellende Server und Speichersysteme ist der Kunde zuständig.
Für Outsourcing spricht laut Washburn, dass Outsourcing-Dienstleister zum einen natürlich viel Erfahrung in punkto Rechenzentrumsbetrieb haben. Zum anderen seien sie aber auch Spezialisten, wenn es darum geht, mit Herstellern über Recycling-Konditionen von IT-Ausrüstung zu verhandeln - ein Thema, das komplexer ist, als viele Anwender sich dies bewusst machen.
Zum Thema Energiefresser Kühlung wiederholt sich Washburn insofern, als er sagt, die Temperierung eines Data Center lasse sich via klassisches Outsourcing oder ein Collocation-Modell ökologisch effizienter bewerkstelligen, als wenn jedes Unternehmen sein eigenes Rechenzentrum unterhält. CRAC-Systeme (das Akronym steht für den neudeutschen Begriff Computer Room Air Conditioner) ließen sich in großen Data Centers von Outsourcing-Anbietern kühltechnisch effizienter betreiben.
Graue Theorie im Data Center
Einschränkend sei hier vermerkt, dass diese Überlegung durchaus auch eine theoretische ist. In der Praxis platzieren nämlich viele Kunden technisch unterschiedlichste Rechner- und Speichersysteme in den angemieteten RZ-Stellflächen. Ein Collocation-Dienstleister hat nun das Problem, in seinem mit unterschiedlichsten Maschinen voll gestellten Patchwork-Data-Center eine einheitliche Kühlungsstrategie zu entwickeln. Dies ist sehr häufig nicht realisierbar.
Indirekt gesteht Washburn solcherlei Probleme ein, wenn er sagt, zwar sei die Collocation-Industrie im Prinzip ausgereift. Trotzdem würden IT-Verantwortlich bei ihren Green-IT-Strategien eher selten derlei Modelle nutzen. Collocation-Anbieter täten sich nämlich schwer, mit ihren Unternehmenskunden Service-Level-Agreements (SLAs) zu vereinbaren, in denen die Dienstleister auf einen umweltverträglichen Betrieb ihrer Data Center festgenagelt werden können und darauf, diesen ökofreundlichen Betrieb auch zu belegen.
Stromverbrauch messen
Um Energie im Rechenzentrum effizient zu nutzen, müssen sich IT-Leiter allerdings zunächst einmal darüber im Klaren sind, wie viel Strom ihr Data Center verbraucht. Ergo betet auch Washburn das Mantra der Strommessung, "Was man nicht misst, das kann man auch nicht entsprechend verwalten". Entsprechend gehört es laut dem Forrester-Analysten zum Grundsätzlichen jeder Öko-Strategie für IT-Verantwortliche, geeignete Instrumente zu installieren, um den Energiekonsum in einem Data Center festzuhalten. Hierzu zählen Strommessgeräte, Sensoren und Thermostaten. Solche Hilfsmittel zu nutzen, sei die Basis jeder Green-IT-Strategie in Unternehmen.
Mittlerweile würden auch diverse Hersteller entsprechende Werkzeuge anbieten. Washburn nennt das Beispiel Hewlett-Packard (HP). Das größte Computerunternehmen der Welt habe mit "Dynamic Smart Cooling" Sensoren entwickelt, die zum einen die Temperatur von Server-Racks unter Kontrolle haben und die zum anderen automatisiert dafür sorgen, dass diese Rechnerschränke immer mit der richtigen Temperatur gekühlt werden.
SynapSense wiederum ist ein noch kleines Unternehmen, das ebenfalls Sensoren entwickelt hat. Diese verschicken ihre Messdaten drahtlos. Sie sammeln eine ganze Reihe von Informationen wie etwa die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und auch den Energieverbrauch von RZ-Komponenten. Das Unternehmen Sentilla wiederum bietet Werkzeuge, die den Energiekonsum einzelner Server überwacht. Derlei Anbieter treten mittlerweile immer häufiger auf den Plan.
Power-Management-Software
Nur scheinbar konventionell ist die Nutzung von PC-Energieverwaltungs-Software (Power Management) und von Wake-on-LAN-Funktionen. Scheinbar konventionell deshalb, weil diese Techniken bei weitem nicht so häufig genutzt werden, wie man annehmen könnte.
In den Betriebssystemen sind diese Funktionen zum Herunterfahren von Rechnern in den Schlafmodus heutzutage integriert - sie müssen nur genutzt werden. Wake-on-LAN wird heute mit dem BIOS eines Rechners mitgeliefert. Viele Power-Management-Tools sind zudem in der Lage, den Energiebedarf eines Rechners zu quantifizieren und Angaben darüber zu machen, wie sich der verminderte Energiebedarf in Euro auszahlt. Ergo fordert Washburn, dass solche Werkzeuge auch genutzt werden. Eine Experton-Studie zeigt allerdings, dass Anwender hier noch sehr zögerlich sind.
Server-Virtualisierung
Ebenfalls bekannt, allerdings mittlerweile vielfach im Einsatz ist die Technik der Server-Virtualisierung. In den vergangenen etwa zwei Jahren hat sie sich zum Erfolgsmodell für Green-IT-Strategien gemausert. Eine großen Zahl von IT-Verantwortlichen nutzt diese Technik unter anderem auch, um die Energiekosten zu senken. Zwar besitzen konsolidierte und stark ausgelastete Server und/oder Blade-Systeme einen hohen Energiebedarf. In der Summe aber verbrauchen virtualisierte Serverkomplexe bei einer höheren Rechenleistung mit weniger Maschinen weniger Energie. Dies wiederum hat auch Folgen für den Energieverbrauch von Kühlsystemen. Dieser ist nämlich ebenfalls niedriger, weil erheblich weniger Server gekühlt werden müssen. Wegen all dieser positiven Aspekte zählt Forrester Server-Virtualisierung zu den Techniken, die zu einem erfolgreichen, weil Kosten sparenden Geschäftsmodell wesentlich beitragen. Nicht umsonst würden bereits fast die Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) Server-Virtualisierung nutzen.
Von Forrester nicht explizit erwähnt, trotzdem aber von ähnlicher Wirkung ist die Desktop-Virtualisierung. Data-Center-Betreiber in Deutschland berichten von großen Energie-Einsparpotenzialen, die sich mit dieser Technik erzielen lassen.
Speicherkapazitätsoptimierung
Schlummernde Optionen, die IT-Effizienz im Allgemeinen und die Öko-Bilanz im Besonderen zu verbessern, stecken auch in den Speicherkonzepten von Unternehmen. In Washburns Untersuchung ist die Rede davon, dass Unmengen von gespeicherten Daten in Unternehmen nur selten genutzt werden. 40 Prozent aller gelagerten Daten werden fast nie verwendet. Außerdem lägen Massen von Daten mehrfach vor. Das so genannte De-Duplizierungsverhältnis beträgt laut Forrester 20 zu eins - ein Datenstamm liegt also redundant 20 mal in einem Unternehmen vor. Wegen dieses Missmanagements der Massendatenhaltung geben Firmen große Summen für deren Speicherung aus. Außerdem müssen diese Speichermedien natürlich ebenfalls gekühlt werden. Das treibt nun wieder die Energiekosten und den Kohlendioxidausstoß unnötig in die Höhe.
Forrester schlägt deshalb vor, im Zuge einer Öko-IT-Strategie Speicherkonzepte wie Thin Provisioning und Daten-De-Duplizierung zu nutzen und so die Datenspeicherung ökologisch wie ökonomisch zu optimieren.
Thin Provisioning
Thin Provisioning setzt grundsätzlich ein Speicher-Virtualisierungskonzept voraus. Speichersysteme operieren dabei mit virtuellen Festplatten. Bei diesem Verfahren wird Servern auf den Plattensystemen mehr Speicherraum zur Verfügung gestellt, als tatsächlich vorhanden ist. Fordert ein Server respektive eine Anwendung temporär mehr Kapazität an, wird diese im vorhandenen Speicherpool zur Verfügung gestellt.
Washburn sagt, Thin Provisioning wie auch Data-De-Duplizierung seien Methoden, mit denen relativ einfach und wenig kostenintensiv - wenn nicht sogar unentgeltlich - Kostensenkungen verwirklicht und dabei gleichzeitig umweltschonendere Optionen genutzt werden können. Der Forrester-Analyst geht deshalb auch davon aus, dass sich diese Techniken in den nächsten fünf Jahren als selbstverständlich durchsetzen werden.
Recycling
Last, but not least, betont Washburn die Bedeutung von Entsorgungs- und Recycling-Konzepten für eine Green-IT-Strategie. Elektroschrott zeichne mittlerweile nach einer Untersuchung des US-amerikanischen The Natural Resources Defense Council weltweit am meisten zum Anwachsen von Sondermülldeponien bei. Da IT-Gerätschaft häufig immer noch mit toxischen Stoffen wie Kadmium, Blei oder Quecksilber belastet ist, kommt dem Thema Entsorgung große Bedeutung bei.
Allerdings konzediert Washburn, dass eine ordnungsgemäße und umweltverträgliche Entsorgung solcher Geräte nicht ganz einfach ist. Hier werde sich in Zukunft zunehmend ein Markt für Anbieter von Entsorgungskonzepten ausbilden. Schon jetzt sei dieser Markt durchaus reif. Hardware-Anbieter wie beispielsweise HP, IBM, Dell und Spezialisten in Sachen Entsorgung seien bereits auf den Plan getreten und bieten Unternehmen ihr Knowhow an. (jm)