Digitaler Vertrieb im Mittelstand bedeutet mehr als die Nutzung moderner Tools oder der Automatisierung von Verkaufsprozessen. Noch ist das wahre Vertriebskapital im Mittelstand das fachliche Know-how der Vertriebs- und Marketingangestellten. Die Software-Industrie vermittelt einem das Gefühl, dass dank der Verschmelzung einzelner Lösungen zu ganzen Marketing-Suiten der Erfolg mit der Software von allein kommt. Doch dem ist nicht so! Die Software ist und bleibt ein Werkzeug, welches richtig angewendet, viele Prozesse vereinfacht und die Kosten für die Leadgenerierung senken kann. Dafür müssen aber insbesondere Marketing und Vertrieb verschiedene Kompetenzen mitbringen.
Im folgenden Beitrag erläutere ich vier Kompetenzen, die jede Marketing- und Vertriebsabteilung braucht, um erfolgreich Leads mit und ohne Marketing-Suiten zu generieren.
Marketing Software alleine ist keine Lösung für die Leadmisere!
Analytische Fähigkeiten im Vertrieb und Marketing meinen keine Detailkenntnisse in Big Data, Data Mining oder Predictive Analytics. Es ist vielmehr das Gespür für Zahlen und Fakten gemeint. Marketing und Vertrieb müssen gleichermaßen anhand von Key-Performance-Indikatoren (KPI) frühzeitig Trends ablesen können, um ihre Aktivitäten darauf hin anzupassen.
Genauso wichtig ist es aber auch, bei der Festlegung von Zielen zu wissen, wie diese gemessen werden sollen und welche Aussagen und Handlungsoption hinter diesen Zahlen stecken. Es kommt immer wieder vor, dass in mittelständischen Unternehmen, entgegen der Strategie, eine kurzfristige Kampagne gestartet wird. In diesen Fällen agieren Marketing und Vertrieb sehr zeitnah. Selten sind diese Kampagnen von Anfang bis Ende durchgeplant.
Marketing setzt auf Bauch statt Zahlen
Marketingabteilungen aus dem Mittelstand haben zwar das Wissen um Marketing-Controlling, doch findet es viel zu selten praktische Anwendung. Vielfach wird das Marketing zu spät in die strategischen Prozesse involviert. Andernorts herrscht noch die Devise "Vertraue lieber dem Bauch, statt Zahlen". Laut dem Digital Roadblock Report 2016 verlässt sich knapp die Hälfte im Marketing lieber auf den Bauch.
Da überrascht es nicht, dass weniger als 40 Prozent explizit auf Datenanalysen setzen. Ein Grund ist sicher der hohe Implementierungsaufwand einer entsprechenden Software. Aber es muss nicht immer gleich eine BI- oder Big-Data-Lösung sein, um Vertriebs- und Marketingkampagnen zu analysieren und zu steuern. Einfache und praxiserprobte Modelle, unabhängig der Software, können bereits einen enormen Vorteil bringen.
Das AIDA-Modell für eine effizienten Kampagnensteuerung
Ein unkompliziertes und weit unterschätztes Modell zur Bewertung von Kampagnen ist das AIDA-Modell.
Attention gibt die erzielte Reichweite der Kampagne durch das Marketing an.
Interest gibt das Interesse am Inhalt der Kampage an.
Desire gibt die Qualität des Inhaltes der Kampagne an.
Action gibt die Qualität der Beratung durch den Vertrieb in einer Kampagne an.
Das Modell lässt sich problemlos zur einfachen und schnellen Bewertung von Online-Werbung (Text- und Displayanzeigen), Events und Messen und Newsletter anwenden. Fügen Sie beispielsweise die KPI zu einem Trichter zusammen. Entweder kann das durch ein Analytics-, BI- oder CRM-Tool abgedeckt werden oder Sie exportieren die Werte in eine Excel-Tabelle. Es muss nur passend zur Kampagne der jeweilige KPI-Wert der AIDA-Phase zugeordnet werden.
Abb. 1 zeigt einen optimalen und einen fehlerhaften AIDA-Tricher für eine Messe-Kampagne. Beim fehlerhaften Trichter sind zwei Einbrüche in der Interest- und Action-Phase zu sehen. Daraus lässt sich ableiten, dass der Inhalt der Kampagne nicht interessant genug ist. Das Ambiente des Messestandes ist vielleicht nicht für fachliche Gespräche geeignet. Die Musik ist zu laut oder die Benefits wie ein zu üppiges Buffet sind zu groß. Die Besucher kommen zwar gern auf den Stand, haben aber kein Interesse am Unternehmen selbst.
Vermeidung von Rabattangeboten durch strategisches Denken
Der Erfolg von Unternehmen entsteht durch ein empfindliches Gleichgewicht von Strategie und operativen Maßnahmen. Besonders der Vertrieb ist gern impulsiv. Aufgrund von umsatzabhängigen Vertriebszielen wird mangels Differenzierung zum Konkurrenten der Preisnachlass als Werkzeug für den Abschluss genommen. Darunter leidet langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Doch gerade die strategische Ausrichtung grenzt Wettbewerber von einander ab. Sicher lässt sich das Verhandlungsgeschick von Vertriebsmitarbeitern schulen, aber dennoch kommt im B2B immer der kritische Punkt, an dem es um die harten Zahlen und Fakten geht. Spätestens jetzt entscheiden Alleinstellungsmerkmale und der wirkliche Nutzen der Dienstleistungen und Produkte.
Es gilt die konkrete Antwort auf die Frage zu finden: Welchen Nutzen stiftet das Produkt oder die Dienstleistung dem Interessenten? Und je höher dieser ist, umso weniger muss ein Preisnachlass gegeben werden.
Um das zu erreichen, müssen Vertrieb und Marketing frühzeitig gemeinsame Nutzen-und Wertprofile für die angebotenen Dienstleistungen und Produkte sowie den künftigen Kunden erstellen. Dabei ist das Wissen um die Buyer's Journey und die Wettbewerber von entscheidender Bedeutung.
Mit Hilfe einer gezielten Konkurrenzanalyse wissen Vertrieb und Marketing an welchem Touchpoint welche Informationen gegeben werden müssen. Darüber hinaus können sie sich ein Bild über die mögliche Marktsituation machen. So können schon im Vorfeld Argumente für das eigene und gegen das Konkurrenzprodukt aufgestellt werden. Es werden von Beginn an die richtigen Informationen geliefert. Damit wird die Wettbewerbssituation entschärft und Unternehmen vermeiden überzogene Erwartungen beim Interessenten. Diese führen oft dazu, dass in der letzten Phase der Buyer's Journey abgesprungen wird.
Mehr Leads im Social-Media generieren durch Expertenstatus
Im Bereich Social Media sind Facebook, XING, Linkedin und Twitter mit einer mehrmaligen Nutzung in der Woche, die meistgenutzten Plattformen im B2B. Dabei sind nach einer Studie des Arbeitskreises Social Media B2B aus dem Jahr 2015 Markenbekanntheit und Imagesteigerung die Top-Motivationen. Erst an dritter Stelle kommt Neukundenakquise und an vierter Stelle Kundenbindung. Da ist für den Vertrieb noch viel Luft nach oben, zumal Social-Media keine Marketingdisziplin sein muss.
Doch noch ist der Vertrieb sowie die Geschäftsführung der Meinung, diese Arbeit sei Aufgabe des Marketing. Aber weit gefehlt. Gerade in den B2B-Netzwerken von XING und Linkedin ist eine gemeinsame Präsenz von Marketing und Vertrieb enorm wichtig. Oftmals reicht das fachliche Know-how vom Marketing nicht aus, um Details zu klären. Dann ist es ratsam, wenn der Kollege aus dem Vertrieb den Gesprächsfaden aufgreift. Andersherum kann das Marketing in den Gruppen nach passenden Diskussionen für den Vertrieb recherchieren oder selber Diskussionen anstoßen. Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist die Nutzung des Reichweiteneffektes. Denn je mehr Personen in einem Unternehmen Präsenz zeigen, umso häufiger werden sie in Ihrem Netzwerk angezeigt.
Lesetipp: So nutzen Sie Social Media clever für den Vertrieb
Doch was heißt das jetzt für die Leadgenerierung?
Einfach einen Account zu besitzen und ab und zu einen Post über das Angebot abzusetzen, reicht nicht mehr aus. Die Flut an Informationen, die über Social-Media gepostet, getweetet und geteilt werden, steigt immer weiter. Allein bei Facebook werden aus zirka 1.500 möglichen Beiträgen nur etwa 300 für den Nutzer bei einer Anfrage ausgespielt.
Das führt zum Beispiel dazu, dass die organische Reichweite bei Facebook sinkt, Fans und Follower sehen immer weniger Ihrer Beiträge. Das Problem liegt am Geschäftsmodell der Netzwerke. Diese leben von einer hohen Anzahl an Nutzern, die möglichst viele Inhalte produzieren. Je mehr Inhalte erstellt werden, umso stärker muss die Relevanz des eigenen Posts sein. Wollen Sie also ernsthaft Leads aus den sozialen Netzwerken generieren, kommen Sie nicht umhin auch aktiv und qualitativ am Netzwerk teilzunehmen. Bei XING und Linkedin gibt es zum Beispiel zahlreiche Gruppenbeiträge, in denen sich Experten ernsthaft über Probleme und Lösungen austauschen. Darin steckt jede Menge Akquisepotenzial.
Der Ausweg aus der Relevanzmisere
In den Gruppen sozialer Netzwerke gibt es viele vermeintliche Experten, die gern mit ihrem Fachwissen glänzen. Oft weisen diese Gruppen einen hohen Aktivitätsgrad auf. Meist startet eine solche Konversation mit einer Frage eines Nutzers, der Hilfe benötigt. Allerdings enthalten die Kommentare genauso oft Fachchinesisch und Abkürzungen, die kein Laie versteht.
Schnell finden sich viele "Experten", die genauso schnell von der eigentlichen Frage abdriften und Grundsatzdebatten führen. Markant ist dies im Hard- und Softwarebereich. Sobald zum Beispiel ein Windowsnutzer oder -admin ein Softwareproblem schildert, kommen die Linuxfans und die Ecke. Das "Battle-Field" für einen offenen Experten-Schlagabtausch ist eröffnet. Leider bleibt der Nutzer mit seiner eingangs gestellten Frage vielerorts verunsichert allein zurück.
Das ist die Sternstunde des wahren Experten. Er versteht das geschilderte Problem und hat keinen Egokomplex, den er mit Fachjargon und Buzzwords untermauern muss. Der Schreibstil und das Wording sollten so gewählt sein, dass es zur eingangs gestellten Frage passt.
Grundsätzlich gilt: Je einfacher und bildhafter die Schilderungen sind, umso höher ist der Mehrwert für alle Leser.
Früher oder später stolpern weitere Nutzer über diese Beiträge. Gerade öffentliche Gruppen sind über Suchmaschinen auch für Nichtnutzer des sozialen Netzwerkes zu finden. Hier werden sich all die Experten hervortun, die es schaffen, sich rege und verständlich an den Diskussionen zu beteiligen und dabei immer die zu Beginn gestellte Frage ernsthaft zu beantworten.
Jetzt muss noch das eigene Profil zum Expertenstatus passen. Besonders bei XING und Linkedin empfiehlt es sich, den Profilbereich des Unternehmens sowie aller Angestellten einheitlich zu pflegen. Die Aufgabe vom Marketing besteht darin, dem Unternehmen und den Angestellten passende Profile zusammenzustellen.
Erklärvideos und Infografiken, die die Leistungen des Unternehmens kurz und prägnant zeigen, dürfen keinesfalls fehlen. Telefonnummer und E-Mail-Adresse müssen ebenfalls eine präsente Platzierung bekommen – am besten mit einer klaren Aufforderung zum Handeln verbunden: "Keine Scheu - die erste Beratung ist garantiert kostenlos" oder so ähnlich. Wie Sie zum Beispiel Ihr Xing- und LinkedIn-Profil am besten optimieren, finden Sie hier. Geben Sie Ihr Profil auch für Suchmaschinen frei, können selbst Nicht-Mitglieder Kontakt zu Ihnen aufnehmen.
Fünf einfache Social-Media-Regeln für mehr Leads
Nur Beiträge mit Mehrwert posten! Beschreiben Sie den Mehrwert anhand eines konkreten Beispiels der Zielgruppe.
Beiträge von aktiven Nutzern mit fachlichem Input versehen. Lieber Tipps geben, als kritisieren. Niemand mag Besserwisser.
In Gruppen eher fachliche als persönliche Meinungen abgeben. Unterstützen Sie die fachliche Meinung durch Links zu entsprechenden Beiträgen. Das kann außerdem zu weiteren Followern Ihres Profils führen.
Gruppen beitreten, die Ihre Zielgruppe aufsuchen würde. Bevor ein Handwerker eine IT-Lösung für sein Kundenmanagement sucht, wird er sicher eher in einer Gruppe von Gleichgesinnten fragen als im CRM-Forum.
Stets die Lösung präsentieren - keine Dienstleistungen oder Produkte bewerben. Die Lösung ist kein Webinar und kein Whitepaper, sondern der Inhalt.
Verständliche Visualisierung von Content erhöht die Leadeffizienz
Interessenten und Kunden leben in einer digitalen Welt. Doch was heißt das für die Leadgenerierung? Einfach gesagt bedeutet es, eine visuell starke und einfache Lösung für das Problem an jedem Touchpoint der Buyer's Journey zu präsentieren. Beispielsweise werden in der Awareness-Phase gern Studien genutzt, um sich umfänglich zu dem Problem zu informieren.
Doch statt hochkomplexe Excel-Tabellen zu analysieren werden viel lieber Infografiken, Balken-und Tortendiagramme konsumiert. Genauso gibt es bei YouTube zu fast jedem Thema ein Video. Und das alles ist nahezu kostenlos. Angesichts dieser guten und vor allem kostenlosen Konkurrenz hat es der B2B-Vertrieb zunehmend schwerer, in der Recherchephase so früh wie möglich persönlich in Kontakt zu treten.
Bewegtbilder und Visualisierung erhöhen die Abschlussquote
Doch auch hier gibt es mittlerweile neue Möglichkeiten, frühzeitig in Kontakt mit den Interessenten zu treten. Eine immer beliebtere Form sind die Erklärvideos, Video-Tutorials und Webinaraufzeichnungen. Laut einer Studie von Forbes steigt die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses nach dem Betrachten eines Videos um 64 Prozent.
Manchmal ist es aber schwierig, die bildhafte Kommunikation für erklärungsbedürftige Produkte nicht abbrechen zu lassen. Nicht immer sind für einen Vor-Ort-Termin oder einen Workshop alle Anforderungen klar. Wie soll der Vertrieb sich für einen solchen Termin visuell vorbereiten? Sicher hat die Marketingabteilung eine schicke Powerpoint-Präsentation vorbereitet, die nur angepasst werden muss. Doch selten ist diese für die Bedürfnisse des Interessenten individuell genug.
Live-Visualisierung vom Vertrieb als einmaliges Interessentenerlebnis
Viele Probleme und Bedürfnisse ergeben sich erst in dem Gespräch vor Ort. Damit aber auch diese persönlichen Treffen und Workshops entsprechend visuell und vor allem effizient sein können, gibt es auch die Möglichkeit, visuelle Methoden anzuwenden, bei denen live Infografiken von komplexen Anforderungen entwickelt werden.
Ebenfalls lassen sich so die Lösungen von komplexen Produkten und Dienstleistungen einfach darstellen und emotionalisieren. Eine so aufgebaute Verkaufsstory gibt den Vor-Ort-Terminen oder Workshops einen ganz eigenen Charakter und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses. Denn laut Forbes möchten 59 Prozent der Führungskräfte lieber ein Video sehen als Text lesen.
Fazit
Die Digitalisierung ist für einige Vertriebs- und Marketingabteilungen immer noch ein Schreckgespenst. Das muss aber nicht sein. Unternehmen, deren IT-Budgets nicht die Anschaffung teurer Marketing- und Business-Software zulassen, können dennoch ihre Leadgenerierung verbessern.
Wichtig ist, dass Unternehmen verstehen, dass Digitalisierung nicht gleichbedeutend mit der Automatisierung durch Software ist. Sicher hilft die Software, Prozesse effizienter zu gestalten. Dennoch wird das Know-how der Mitarbeiter benötigt, diese effizient einzusetzen und die Prozesse anzupassen.
Digitalisierung bedeutet vor allem, dass Interessenten und Kunden viel stärker auf digitalen Kanälen unterwegs sind und dort abgeholt werden müssen - unabhängig von der eingesetzten Software auf Anbieter- und Interessentenseite. (haf)