Deutschlands beliebtester Arbeitgeber bei IT-Absolventen ist erneut Google. Alles andere aber ist in Bewegung im Ranking des Trendence Graduate Barometers 2011.
Liegt es an der interessanten beruflichen Herausforderung, der hoffentlich hohen finanziellen Kompensation, dem guten Image des Unternehmens, den spannenden Branchen, dem viel gepriesenen Freiraum im Beruf, den zentralen Standorten in deutschen Großstädten, den fürstlichen Rahmenbedingungen?
Oder ist es tatsächlich das unglaublich anmutende Gesamtpaket, das Google für seine Mitarbeiter schnürt und um das sich seit jeher alle möglichen Spekulationen ranken? In jedem Fall konnte sich der Internet-Konzern auch im Jahr 2011 auf Platz eins des "Trendence Graduate Barometer German IT Edition" als Deutschlands beliebtester IT-Arbeitgeber behaupten. Mehr noch: Gegenüber dem Vorjahr baute Google seinen Vorsprung vor IBM sogar aus - mit dem größten Zugewinn aller in den Top 100 vertretenen Unternehmen.
Google ist eine Klasse für sich
Im Mittelpunkt der jährlichen Untersuchung von Trendence steht die Frage, welche Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber als besonders attraktiv gelten beziehungsweise bei welchen dieser Arbeitgeber sich ein IT-Absolvent am ehesten bewerben würde. Hier gibt es keinen Zweifel: Google ist eindeutig eine Klasse für sich. Erst 2007 war das Unternehmen von null auf Platz zwei der Charts gestürmt, ein Jahr später hatte die Suchmaschine die Spitze von SAP übernommen. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass Google 2010 bei den Absolventen geringfügig an Popularität eingebüßt hatte - Geschichte. Und dass die Chancen auf einen Job beim Spitzenreiter nicht allzu groß sind: Derzeit hat Google etwa 25 Positionen rund um den Bereich Softwareentwicklung in Deutschland ausgeschrieben.
Angesichts der Nachfragewelle, die der Konzern erzeugt, tun sich traditionelle IT-Anbieter schwer, den Kopf über Wasser zu halten. IBM auf Platz zwei macht da noch die etwas bessere Figur als der heimische Rivale SAP, der sich schon seit zwei Jahren im Absolventenbarometer im Abwind befindet. Mit einem Minus von 1,7 Prozentpunkten war SAP sogar der Absteiger des Jahres 2011.
Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren - Veränderungen an der Führungsspitze, ein im besten Fall kreuzsolides Produktumfeld sowie der Eindruck, dass SAP in vielen Bereichen das Heft des Handelns aus der Hand gegeben hat. Da ist es auch nicht tröstlich, dass IBM gleichzeitig 0,8 Prozentpunkte einbüßte. Und dass Oracle nur auf Platz 24 liegt.
Dieter Scholz, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor der IBM Deutschland, ist dennoch stolz, den zweiten Platz verteidigt zu haben: "Das Ergebnis zeigt aber, dass die Konkurrenz und die Herausforderungen groß sind." Natürlich sucht auch IBM nach IT-Talenten, derzeit vor allem für die Vertriebsorganisation und die Beratungssparte Global Business Services.
Als wichtigste Kernkompetenz nennt Scholz die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszuschauen: "IT-Experten müssen sich immer stärker mit den betriebswirtschaftlichen Prozessen und den Business-Modellen von Unternehmen auseinandersetzen, um sie in den IT-Systemen und -Lösungen entsprechend abbilden zu können." In der modernen Arbeitswelt werde es zudem immer wichtiger, sich im Unternehme gut zu vernetzen und die Bereitschaft zu zeigen, Verantwortung zu übernehmen.
Eine gute Nachricht hat Scholz auch noch für Absolventen: "Berufsprofile und Karrierechancen sind heute in der IT so vielfältig wie in kaum einer anderen Branche."
Bis auf die beiden Schwergewichte IBM und SAP haben alle anderen Unternehmen in den Top Ten zulegen können. Den größten Zuwachs verzeichnete Apple mit 0,6 Prozentpunkten, wohl eine Folge seines Kultstatus. Der Konzern schob sich dadurch an der Fraunhofer-Gesellschaft vorbei auf Rang fünf. Es folgen die üblichen Lieblingsarbeitgeber Siemens, Audi, BMW und Porsche. Abgerundet wird das Bild von Microsoft, das seinen großen Fortschritt im Vorjahr (von Rang sieben auf vier) nicht nur stabilisieren, sondern sogar geringfügig ausbauen konnte. Sollten sich im kommenden Jahr die gleichen prozentualen Veränderungen einstellen, würde Microsoft SAP vom dritten Platz verdrängen.
Attraktive Produkte = gutes Image
Neueinsteiger gab es dieses Jahr nur zwei - die CAS Software AG, Karlsruhe, von null auf 97 sowie Amazon von null auf 15. Beide Firmen sind schon lange auf dem Markt vertreten, wobei der CRM-Spezialist CAS deutlich älter ist als das Web-Kaufhaus aus Seattle. "Amazon wird in hohem Maße mit attraktiven Produkten und Dienstleitungen in Verbindung gebracht", bewertet Jörn Klick, Senior Account Manager bei Trendence, das Ergebnis. Zugleich spiele das Stichwort Unternehmenserfolg eine große Rolle: "Beides färbt offensichtlich stark auf das Arbeitgeber-Image ab."
Auffällig ist, dass die zehn besten Aufsteiger 2011 nach Prozentpunkten in den Top 20 gelandet sind. Die zehn größten Verlierer hingegen ziehen sich durch die halbe Tabelle - von IBM auf Platz zwei bis United Internet, die von Platz 46 auf Platz 56 gefallen sind. Bei den Aufsteigern hängen interessante Produkte, wirtschaftlicher Erfolg und ein aktives Recruiting eng zusammen. Abgesehen von der Sonderkonjunktur bei Google hat die Firma Crytek am stärksten gewonnen. Das Unternehmen aus Frankfurt am Main macht keine klassische IT, im Gegenteil: Mit den Shooter-Spielen "Far Cry" und "Crysis" setzte Crytek internationale Standards, unter anderem was die grafische Darstellung der Spielwelt betrifft.
Mit Social Media punkten
Doch auch mit normalen Produkten und klassischer Personalarbeit kann man im Jahr 2011 Absolventen auf sich aufmerksam machen. So legte die Daimler AG um 1,5 Prozentpunkte zu, und auch die Deutsche Telekom AG konnte sich um 1,3 Prozentpunkte verbessern. Marc-Stefan Brodbeck, Leiter Recruiting & Talent Service beim Bonner Carrier, sieht einen Grund für das gute Abschneiden im starken Social-Media-Engagement seines Konzerns. Allerdings reicht es hierfür nicht aus, eine Fan-Seite auf Facebook einzurichten und gelegentlich offene Positionen zu twittern.
"Zusätzlich legen wir großen Wert auf den persönlichen Kontakt mit Studierenden, Absolventen und Young Professionals", erläutert Brodbeck die Strategie.
Im Dialog mit dem Bewerber
Auf Messen, Veranstaltungen und eigenen Events geht die Telekom auf mögliche Mitarbeiter zu. Zudem bezieht das Unternehmen bei einigen Themen öffentlich Position: für mehr Frauen im Management etwa, die Bologna-Hochschulreform oder berufsbegleitende Studiengänge. Auch bahnt sich im T-Konzern ein interessanter Paradigmenwechsel an. "Bei allem, was wir tun, haben wir ein übergeordnetes Ziel", berichtet Chef-Recruiter Brodbeck: "Wir wollen weg von der One-to-many-Kommunikation, dem Verlautbarungs-Monolog." Gefragt sei ein "echter Dialog mit der Zielgruppe". Das zumindest klingt wie eine wirklich spannende Herausforderung - und zwar beleibe nicht nur für die Telekom.
Hört man Brodbeck zu, bekommt man ein Gefühl für die Auswirkungen des IT-Fachkräftemangels: "Wir suchen in vielen Bereichen junge Nachwuchskräfte und erfahrene ITK-Fachleute - aktuell sind rund 800 Stellen in unserer Jobbörse ausgeschrieben." Besonders hoch im Kurs ständen IT-Architekten, IT-Consultants, SAP-Experten, Java-Spezialisten, Projekt- und Service-Manager, speziell für den Bereich Systemintegration von T-Systems.
Bloß keine Karrieristen!
Die Anforderungen sind hoch. Der Konzern wolle natürlich Mitarbeiter, die auf ihrem Gebiet in der Informatik, der Physik, der Technik oder der Wirtschaftsinformatik sattelfest seien - IT-Experten überdies, die in Systemen denken können und eine schnelle Auffassungsgabe besitzen. "Wir suchen Menschen, die gern im Team arbeiten, kommunikativ sind, für die IT brennen und Lust darauf haben, selbständig zu arbeiten, und gerne Verantwortung übernehmen." Sie sollten offen für fremde Kulturen sein und Spaß daran haben, sich immer wieder in neue, auch komplexe Themen hineinzudenken. So weit der Standard. "Aber vor allem brauchen wir Talente und keine Karrieristen oder Kandidaten mit der stromlinienförmigsten Vita", fordert der leitende Recruiter Brodbeck. Die Telekom gehe heute anders mit Brüchen im Lebenslauf um. "Wir wissen, dass ein Bewerber auch dann der Richtige sein kann, wenn in seinem Leben nicht alles glatt verlaufen ist oder er nicht alle unsere Kriterien erfüllt."
Wo High Potentials arbeiten wollen
Auf der anderen Seite der Skala finden sich die so genannten High Potentials. Laut Trendence sind das Absolventen, deren akademische Leistung zu den besten 25 Prozent des Jahrgangs gehört, die Auslandserfahrung mitbringen, zudem ein Praktikum im Inland nachweisen können und sich durch außeruniversitäres Engagement auszeichnen - also Personen, für deren Lebensläufe Stellenanzeigen formuliert werden. Hier zeigt sich, dass man nicht von einem homogenen Jahrgang der IT-Absolventen sprechen kann, denn in ihren Vorlieben setzen die vermeintlichen Überflieger andere Akzente als der Rest.
So hat die SAP bei den Überfliegern gegen ihren Abwärtstrend im Gesamtmarkt gepunktet: "Bei den besonders stark umworbenen High Potentials konnte das Unternehmen deutlich zulegen und ist stärkster Gewinner in diesem Bereich", berichtet Jörn Klick, der Senior Account Manager von Trendence. Offensichtlich habe SAP es gut verstanden, gezielt die Top-Talente der IT-Branche für sich zu begeistern.
Beratungen schielen auf die Besten
Nach dem Spitzentrio Google, SAP und IBM folgt auf Platz vier die Unternehmensberatung McKinsey & Company, die im Gesamtfeld auf Rang 36 rangiert. Auf Position sechs bei den High Potentials liegt Accenture (30.), die Boston Consulting Group (57.) folgt hier auf Rang 13 - gleichauf mit der Deutschen Bank, die im Gesamtbild nur auf Position 39 liegt. "Unternehmensberatungen legen bei der Auswahl potenzieller Arbeitnehmer besonderen Wert auf bestimmte Charakteristika", berichtet Trendence-Manager Klick. Ihr Personal-Marketing ziele meist auf die Besten eines Absolventenjahrgangs. Bei den High Potentials scheinen die Bereiche IT und Business eng miteinander verbunden zu sein.
Auslandseinsätze wichtiger als Sicherheit
Klick zufolge komme es Bewerbern aus der Gruppe der Besten überdurchschnittlich stark auf persönliche Weiterentwicklung, Eigenverantwortung, Einsätze im Ausland und die Attraktivität ihrer Aufgaben an. "Vergleichsweise geringen Wert legen die Top-Talente hingegen auf andere Faktoren wie die Sicherheit der Anstellung." Das zeigt sich auch bei anderen Faktoren für die Arbeitgeberwahl. Am wenigsten zählen für High Potentials neben der Sicherheit der Anstellung Kriterien wie Corporate Social Responsibility (CSR) und Chancengleichheit. Dafür spielt das Einstiegsgehalt bei High Potentials eine etwas geringere Rolle als im gesamten Absolventenfeld.
Authentische Firmen kommen besser an
Mit der aktuellen Trendence-Untersuchung zeigt sich, dass es Unternehmen durchaus gelingen kann, aus einer vermeintlich verfahrenen Situation herauszukommen - etwa mit einem starken Engagement im Recruiting-Bereich und einem authentischen Auftreten. Dies gilt speziell angesichts der Bedeutung sozialer Medie. Wenn User sich im Netz über Unternehmen als Arbeitgeber informieren, sind sie in der Regel mit spezifischen Erwartungen unterwegs. "An erster Stelle steht für sie der Informationsgehalt eines Social-Web-Auftritts", sagt Trendence-Manager Klick.
Zudem würden die potenziellen Arbeitnehmer besonderen Wert auf die Glaubwürdigkeit des Unternehmens als Arbeitgeber legen. "Insofern wird es für Unternehmen immer wichtiger, ihre Arbeitgebermarke von der Produktmarke zu trennen und sich auf die Erwartungen von Usern als potenziellen Arbeitnehmern einzustellen." Hier bestehe bei vielen Arbeitgebern noch Optimierungspotenzial. Wer die Aufgabe am besten angeht, zeigt sich dann im kommenden Jahr.
Crytek - der spielerische Aufsteiger
Steiler Aufsteiger unter den beliebtesten IT-Arbeitgebern Deutschlands ist Crytek. Die Firma mit Hauptsitz in Frankfurt am Main entwickelt international erfolgreiche Computerspiele. HR-Managerin Andrea Hartenfeller gibt einen Einblick ins Entwicklerparadies.
CW: Wie erklären Sie sich den großen Zuspruch unter IT-Absolventen - liegt das an den technischen Herausforderungen oder an Ihren Produkten?
HARTENFELLER: Sowohl als auch. Crytek bietet ein spannendes Umfeld und steht 2011 mit der Veröffentlichung des Titels "Crysis 2" wieder im Rampenlicht. Wer sich für digitales Entertainment und technische Innovationen begeistert und Teil eines hochtalentierten Teams werden möchte, für den sind wir sicher ein Wunscharbeitgeber.
CW: Worin sehen Sie Unterschiede zwischen der IT-Arbeit bei Crytek und bei einem klassischen IT-Lieferanten?
HARTENFELLER: Was uns besonders macht, ist die Innovationsfähigkeit unserer Mitarbeiter und der absolute Wille, stets das Beste zu erreichen, was möglich ist, und auch darüber hinauszugehen. Wir stellen entsprechend hohe Anforderungen an die Mitarbeiter, bieten dafür aber auch ein Umfeld, das diese Höchstleistungen ermöglicht. Zudem legen wir Wert darauf, unter den Mitarbeitern ein möglichst breites Spektrum an Fähigkeiten zu haben. Unsere Internationalität mit mehr als 35 Nationen unter einem Dach und Englisch als Alltagssprache unterscheidet uns ebenfalls von anderen Firmen. Das ist für den einen oder anderen auch ein Grund, sich bei uns zu bewerben.
CW: Werben Sie um Talente?
HARTENFELLER: Auf Events und Messen sind wir präsent und suchen gezielt das Gespräch mit Absolventen. Einige unserer Mitarbeiter unterrichten an Hochschulen und sprechen darüber auch talentierte Nachwuchskräfte an. Nicht zu vergessen unsere Communities, über die wir Kontakt zu Bewerbern bekommen. Natürlich spielt die Marke eine Rolle, aber allein auf unseren Namen können und werden wir uns nicht verlassen.
CW: Was ist die Kernkompetenz eines IT-Profi?
HARTENFELLER: Er sollte nie aufhören, besser zu werden - fachlich wie persönlich.
Der Beitrag stammt von der ChannelPartner-Schwesterpublikation Computerwoche. Autor ist Alexander Freimark.
Das Trendence Graduate Barometer 2011
• Deutschlandweite Online-Befragung unter examensnahen Studierenden zu ihren Erwartungen und Vorstellungen bezüglich des Berufseinstiegs, ihres Kommunikationsverhaltens und zu ihrer Einschätzung der Attraktivität von Arbeitgebern.
• Mit rund 30.000 Befragten ist das "Trendence Graduate Barometer" (ehemals Absolventenbarometer) die bei weitem größte Studie ihrer Art.
• Vier Editionen: Wirtschaft, Technik, Informatik, Jura.
• Befragung: Online-Fragebogen - Einladung per Brief oder E-Mail mit individuellem Passwort.
• IT-Edition: Examensnahe Studierende der Informatik an 74 Hochschulen.
• Anzahl der Antworten: 6935 Informatiker.
• Feldphase: September 2010 bis Februar 2011.