Unzufriedenheit mit Digitalpolitik

Deutsche wollen mehr Digitalisierung

26.09.2024 von Peter Marwan
Einer Umfrage des eco Verbands zufolge sehen die Deutschen insbesondere in den Bereichen digitale Verwaltung, digitale Infrastruktur und Cybersicherheit großen Nachholbedarf. Nur für jeden Siebten ist Digitalpolitik aber ausschlaggebend bei der Wahlentscheidung.
Eine Umfrage des eco Verbands bestätigt die erhebliche Unzufriedenheit mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland und stellt der Politik ein schlechtes Zeugnis aus.
Foto: eco Verband

Digitalisierung ist nun seit fast zwei Jahrzehnten fester Bestandteil der Sonntagsreden der Politiker - ob es um den Breitbandausbau, die digitale Verwaltung, die digitale Patientenakte oder den elektronischen Personalausweis geht. Mit der konkreten Digitalpolitik sind die Deutschen jedoch mehrheitlich unzufrieden: In einer repräsentativen Umfrage, die der eco Verband beim Meinungsforscher Civey in Auftrag gegeben hat, äußerten sich 86 Prozent der Deutschen unzufrieden mit der Digitalpolitik der Bundesregierung.

Den größten Nachholbedarf sehen die Befragten in den Bereichen Verwaltung (56,4 Prozent), digitale Infrastruktur (50,7 Prozent) und Cybersicherheit (44 Prozent). Über ein Viertel der Befragten hält keine der im Bundestag vertretenen Parteien für digitalpolitisch kompetent.

"Es ist für die Bundesregierung allerhöchste Zeit, ihre Digitalpolitik zu überdenken und endlich effektiver zu gestalten", mahnt eco-Vorstandsvorsitzender Oliver Süme.
Foto: eco Verband

Dieser Aspekt kam auch in früheren Umfragen schon zum Ausdruck, wird aber in Zukunft wichtiger werden. Zwar gaben nur 16,2 Prozent aller Befragten an, dass das Thema Digitalpolitik einen "sehr starken" bis "starken" Einfluss auf ihre Wahlentscheidung haben könnte., in der Altersgruppe der 18-29-Jährigen sind es mit 25,8 Prozent aber schon deutlich mehr.

86,2 Prozent der Befragten glauben, dass die Bundesregierung die digitale Transformation nicht ausreichend vorantreibt. Im Vorjahr lag der Anteil bei einer ähnlichen eco-Befragung noch bei 78,2 Prozent. "Es ist für die Bundesregierung allerhöchste Zeit, ihre Digitalpolitik zu überdenken und endlich effektiver zu gestalten", mahnt eco-Vorstandsvorsitzender Oliver Süme. Insbesondere eine funktionierende digitale Verwaltung und gut ausgebaute digitale Infrastruktur seien Schlüsselvoraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, erklärt Süme weiter.

Vorschusslorbeeren verspielt

Zum Antritt der aktuellen Bundesregierung war die Bevölkerung optimistischer in Bezug auf Fortschritte bei der Digitalisierung. Laut "Digitalreport", den die ESCP Business School Berlin mit dem Institut für Demoskopie Allensbach erstellt hatter gaben sich 37 Prozent der Befragten zuversichtlich, dass die neue Regierung einen Digitalisierungsschub schafft. Damals äußerten sich 32 Prozent negativ, 31 Prozent waren unentschieden. Defizite sahen sie vor allem in der öffentlichen Verwaltung und in den Schulen. Diese Vorschusslorbeeren hat die Politik verspielt.

Meinung des Redakteurs

Inwieweit die in der aktuellen Umfrage geäußerte Wahrnehmung und die Tatsachen übereinstimmen, lässt sich nur schwer nachprüfen. Die Forderung der Wirtschaft nach mehr und schnellerer Digitalisierung, die jetzt auch der eco Verband noch einmal wiederholt, ist jedenfalls nicht neu. Sie wurde schon 2015 fast wortgleich erhoben. Zahlen zum Breitbandausbau waren zumindest 2023 recht vielversprechend - da lag die aktuelle Regierung tendenziell besser im Plan als die Vorgängerregierung. Zudem hatte sie eine Monitoringstelle für den Glasfaserausbau eingerichtet, um Bauvorhaben besser abstimmen zu können.

Der ebenfalls 2023 als Pflicht für alle neuen Gesetzesvorhaben eingeführte "Digitalcheck" ist zwar umständlich, sorgt aber zumindest für eine Berücksichtigung der Digitalisierung in allen Gesetzgebungsverfahren. Das Anfang 2024 verabschiedete "Onlinezugangsgesetz 2.0" führte einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen ein und könnte zusammen mit Rahmenverträgen der Behörden für Low-Code-Plattformen mittelfristig für einen Digitalisierungsschub sorgen.

Beides sind aber eher Maßnahmen "unter der Haube" und es ist fraglich, ob sie von vielen Befragten wahrgenommen und verstanden wurden. Eine Signalwirkung wie der 2018 ins Leben gerufene Digitalrat dürften sie nicht entfalten - letztlich aber wesentlich wirkungsvoller sein als dieses Gremium.

Auch der damalige Innenminister Horst Seehofer agierte und argumentierte sichtbarer. Sein Fazit fiel 2021 eindeutig aus: "Deutschland macht Schluss mit der Zettelwirtschaft". Dabei störte ihn offenbar nicht, das damals schon absehbar war, dass das Ziel des ersten Onlinezugangsgesetzes nicht einmal ansatzweise erreicht werden kann - eine Altlast, die heute noch nachwirkt.

Insgesamt sind durchaus deutliche Fortschritte bei der Digitalisieurng festzustellen - in Unternehmen wie auch in der Verwaltung. Dass die Zufriedenheit mit der Digitalpolitik dennoch abgenommen hat, kann also auch daran liegen, dass die Ansprüche gestiegen sind. Für die beurteilten Akteure ist das ärgerlich. Als Ansporn für eine schnellere und gründlichere Verbesserung mag es dagegen nützlich sein.

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