Vor sechs Monaten waren deutsche und Schweizer Rechenzentren noch Spitze in Nachhaltigkeit, Flexibilität und Business-Unterstützung. Jetzt führt Skandinavien.
von Werner Kurzlechner
In den Rechenzentren in Deutschland und der Schweiz ist im vergangenen halben Jahr recht wenig passiert. Im internationalen Vergleich sind die Unternehmen in beiden Ländern deshalb abgerutscht. Dafür werden jetzt umso eifriger die Weichen für zukünftige Investitionen gestellt. Das geht aus einer Studie von Oracle hervor. Im Auftrag des Anbieters befragte Marktforscher Quocirca rund 950 Verantwortliche in zehn Ländern respektive Regionen im Großraum EMEA – Deutschland und die Schweiz wurden beispielsweise ebenso zusammengefasst wie Skandinavien.
Bewertet wurde zum zweiten Mal auf einer Skala von 1 bis 10 in den Kategorien Nachhaltigkeit, Flexibilität und Unterstützung des Kerngeschäfts. Im Mai 2011 hatten die Rechenzentren aus der Bundes- und der Alpenrepublik das Ranking mit einem Durchschnittswert von 6,09 noch angeführt. Seither stieg der hiesige Index-Wert zwar leicht auf 6,21 an. Im internationalen Wettbewerb reichte das aber nicht, um die Spitzenposition zu behaupten, die nun Skandinavien übernommen hat.
Deutschland und die Schweiz fallen zurück
Der internationale Durchschnittswert stieg in den vergangenen Monaten von 5,22 auf 5,58 Punkte an. Die Steigerung fiel mit fast sieben Prozent deutlich stärker aus als in Deutschland und der Schweiz, wo es nur um magere zwei Prozent voran ging. Genau genommen wurden die deutschen und eidgenössischen Rechenzentren sogar noch stärker angegriffen, denn mit Irland und Russland reihten sich zwei Neueinsteiger ganz hinten ein und drücken den internationalen Mittelwert signifikant.
Mit 6,51 Punkten setzten sich dieses Mal also die skandinavischen Länder an die Spitze. Nach dem zweitplatzierten Deutschland/Schweiz folgen die Region Benelux, Großbritannien, Frankreich, die Länder des Nahen Ostens, die iberische Halbinsel und Italien.
Vor diesem Hintergrund konstatiert Oracle hierzulande eine Stagnation. „Immer noch setzen 41 Prozent der Rechenzentrumsbetreiber auf lediglich ein Tool für das System-Management“, moniert der Anbieter. Das seien nur zwei Prozentpunkte mehr als bei einer Befragung im Mai. Der Energieverbrauch werde auch weiterhin nur von den wenigsten Unternehmen beobachtet. Außerdem fänden Themen wie die Ausrichtung der IT an den Geschäftsanforderungen, System-Verfügbarkeit, Patching- und Upgrade-Automation sowie Fehlerhandling nur geringe Beachtung.
Virtualisierung nicht abgearbeitet
Die gute Nachricht aus Oracle-Sicht: Die Entscheider in Deutschland und der Schweiz haben den Handlungsbedarf offenbar erkannt. Investitionen in ein neues Rechenzentrum innerhalb der nächsten zwei Jahre planen jetzt 41 Prozent der Befragten – im Mai waren es nur 31 Prozent. Damals glaubten noch 35 Prozent, erst innerhalb von fünf Jahren ein neues Data Center zu benötigen. Dieser Anteil sank rapide auf 23 Prozent.
„Die Zahl der Unternehmen, bei denen virtualisierte Systeme auf 50 bis 69 Prozent der Server laufen, ist von 24 auf 32 Prozent gestiegen“, so Oracle weiter. Außerdem legten die IT-Abteilungen mehr Wert auf Planung als in der Vergangenheit. „Fortgeschrittene Analysetools und ein Abgleich mit Business-Plänen wird mittlerweile von 23 Prozent der Befragten betrieben, im Vergleich zu16 Prozent bei der ersten Untersuchung.“
Lob von Oracle für die Firmen aus Deutschland und der Schweiz gibt es auch im Bereich Nachhaltigkeit. Hier liege man nun gleichauf mit Skandinavien vorne. 44 Prozent der Firmen verfolgten einen Nachhaltigkeitsplan für ihr Rechenzentrum. Bei der ersten Befragung waren das nur 37 Prozent.
EMEA-weit haben die Firmen noch jede Menge Hausaufgaben zu erledigen. 92 Prozent gehen davon aus, bald ein neues Rechenzentrum zu benötigen. Über den Energieverbrauch wissen nur zwei Drittel der Befragten Bescheid.
Das Kapitel Virtualisierung ist mitnichten abgearbeitet. Nur zwölf Prozent aller Befragten konnten auf über 70 Prozent Hardware-Virtualisierung verweisen; 38 Prozent haben auf weniger als 30 Prozent aller Server virtuelle Systeme laufen.
Schlüsselthema Big Data
Zeitgemäße Analyse-Tools und historische Daten für die Planung nutzt inzwischen immerhin die Hälfte der Firmen. Fast 39 Prozent geben aber zu, zukünftige Auslastungen eher zu vermuten als zu planen.
Dabei ist Big Data aus Oracle-Sicht ein absolutes Schlüsselthema für geschäftlichen Erfolg. „Der Umgang mit großen unstrukturierten Datenmengen wird für Unternehmen in den nächsten beiden Jahren die große IT-Herausforderung sein“, kommentiert Luigi Freguia, Senior Vice President Systems bei Oracle EMEA. Sie entstehe aus dem Zusammentreffen mehrerer IT-Trends: Wachstum vernetzter Anwendungen, neue Endgeräte und Systeme, große Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten. „Die Daten zu verstehen und zu analysieren, fängt im Rechenzentrum an“, so Freguia.
Für den „Oracle Next Generation Data Center Index“ wurden auch Unternehmen befragt, die nicht Oracle Kunden sind. Der Umsatz der Teilnehmer liegt jeweils zwischen 100 Millionen und einer Milliarde US-Dollar.
(CIO / rb)