Herr Grunert, stimmt Sie das nicht bedenklich? Die Unternehmensgruppe von Cancom, die Sie leiten, agiert in einem Markt, der derzeit arg leidet. Ihr Kerngeschäft IT-Services gilt weltweit als rückläufig.
Carsten Grunert: Sie haben zwar Recht, dass das Geschäft mit IT-Services weltweit zurückgeht, aber wir haben uns bei Cancom NSG in einer Form aufgestellt, dass wir diesem Trend nicht nur trotzen, sondern für uns nutzen können. So erwarte ich für die kommenden Jahre ein Wachstum unserer Unternehmensgruppe - sogar deutlich über dem Wert, den die gesamte IT-Branche im Schnitt zu erwarten hat.
Wie wollen Sie das erreichen?
Grunert: Wir befinden uns beim IT-Management von Arbeitsplätzen zwar in einem Verdrängungswettbewerb, doch viele große Player ziehen sich aus dem Markt zurück. Wir nutzen die Lücken, die entstehen. Wir haben dank einer strategischen Neuausrichtung nun Alleinstellungsmerkmale aufzuweisen, die uns noch für Jahre vorne im Markt halten werden.
Welche sind denn das? Wie sieht das neue Geschäftsmodell der Cancom NSG aus?
Grunert: Zuerst: Was bleibt, ist unser Kerngeschäft. Wir sind ein reines ITK-Services-Unternehmen, das Arbeitsplätze, Infrastrukturen und Rechenzentren, meist von großen Unternehmen, betreut. Dabei fahren wir ein White-Labelling-Modell: Wir bedienen die betreuten Arbeitsplätze größtenteils nicht direkt, sondern bieten unser Personal den betreuenden IT-Systemintegratoren wie T Systems, Atos, IBM, HP, oder FUJITSU Siemens an.
Die Endkunden, also dort, wo unser Personal dann unter dem jeweiligen Brand letztlich sitzt, sind etwa BMW, Telefonicá/O2 Deutschland, die Deutsche Bank, Daimler, Airbus und EADS. Wir haben insgesamt über 350.000 Arbeitsplätze, die wir vor Ort bedienen, wobei wir auch in Rechenzentren sitzen. Was sich nun geändert hat, ist die interne und logistische Aufstellung unseres Personals.
Was meinen Sie damit?
Grunert: Früher arbeiteten wir endkundenorientiert, wir zielten also darauf ab, unser Personal auf die jeweils zu betreuenden Endkunden-Firmen abzustellen. Es ging uns darum, kundenspezifische Deals zu bekommen.
Jetzt sprechen wir den Markt in der Form an, dass wir unser flächendeckendes Netz und unsere große und breite Aufstellung nutzen, um dem Markt kundenübergreifend standardisierte Service-Modelle anzubieten. Wenn einer unserer Mitarbeiter bei einem Kunden nur zu 60 Prozent ausgelastet ist, steht er im gleichen Raum zu 40 Prozent anderen Firmen zur Verfügung. Wir gehen soweit zu sagen: Dank unser neuen Aufstellung sind wir nun preislich wie thematisch Marktführend. Wir setzen die Standards.
Wie sieht denn das wahre Service-Geschäft aus? Was hat Sie zu der Umstellung bewegt?
Grunert: Immer mehr Firmen-IT wird über die Cloud bezogen. Zwar bedienen wir nach wie vor Kunden vor Ort, die immer noch einen immensen Bedarf an Arbeitsplatz-Service haben. Unser größter Kunde etwa ist Siemens, wir betreuen hier 120.000 Arbeitsplätze, wovon pro Jahr alleine ein Drittel umgezogen werden muss.
Es bleibt aber Fakt: Während sich die Betreuung von Arbeitsplätzen immer mehr standardisieren lässt - hier geht es meist um ITK-Themen, die mittlerweile aus einer einzigen Hand kommen können - geht der allgemeine Trend in der Firmen-IT ganz klar in Richtung Rechenzentrum. Auch hier haben wir Stärken, wir bedienen die gesamte Bandbreite an Services in Form einer End-To-End-Kette. Da also der Bedarf vor Ort sinkt, haben wir es auch mit einem zunehmenden Preiskampf zu tun. Dank der neuen Aufstellung können wir hier punkten.
Ist es nicht problematisch, dass die Cancom NSG mit ihrem Firmenbrand, nämlich Cancom, direkte Wettbewerber wie Computacenter unterstützt?
Grunert: Zielkonflikte gibt es nur selten. Das Service-Geschäft lebt vor allem von gutem, geschultem und zertifiziertem Personal. Themen wie Sicherheit und Vertrauen stehen oben auf der Agenda. Das zieht sich bis in die jeweiligen Entscheiderebenen durch. Wenn ich von den Endkunden direkte Leads, also Anfragen für andere Leistungen außerhalb des Service-Felds bekomme, regele ich das im persönlichen Gespräch mit unseren Partnern.
Wo geht die Reise im Service-Geschäft hin? Wenn Firmen beispielsweise immer häufiger virtualisierte Desktops nachfragen, wo liegt da Geschäft für Sie?
Grunert: Sie spielen sicherlich auf Anbieter wie Amazon ab, die mit den Amazon Web Services virtualisierte Desktops anbieten - ein Trend, der sich in den USA immer mehr durchsetzt. Ganz klar: In Deutschland agieren die Unternehmen deutlich zurückhaltender, was die Public Cloud angeht. Aber sollte Amazon in Deutschland ein Rechenzentrum bauen, das es inklusive Kundenstamm vor Ort zu betreuen gilt, wären wir sicher einer der ersten Ansprechpartner. (rw)