Am 7. April 1964 stellte IBM seine Systems/360-Großrechnerarchitektur erstmals der Öffentlichkeit vor. Konzipiert war sie zur Unterstützung kritischster Geschäftsanwendungen, die keine Downtime erlauben, höchste Transaktionsvolumina mit sich bringen und sehr schnelle Reaktionszeiten erfordern. Seitdem bildet z/OS ein paralleles Universum, das sich grundlegend von "normalen" Ökosystemen der Server-, PC- und mobilen Welt unterscheidet. Der Betrieb von IBM-Mainframe-Hard- und Software erfordert allerdings besonderes Wissen, das allmählich auszusterben droht.
Ist der Mainframe im Jahr 2017, gut 50 Jahre nach seiner Einführung, daher noch relevant? Können Client/Server- und Cloud-Technologien ihn ablösen? Und wenn ja, wäre es nicht folgerichtig für Großunternehmen, Banken und Versicherungen, ihre Geschäftsanwendungen langfristig auf solch "modernere" Plattformen zu transferieren?
Nein, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist! Zum einen lässt sich eine Mainframe-Landschaft nicht von heute auf morgen ablösen und Plattformwechsel bergen stets auch ein hohes Betriebsrisiko. In Mainframe-Systemen steckt überdies gebundenes Kapital in Form hoher Hardwareinvestitionen. Vor allem bleibt die Frage nach technischer Notwendigkeit: Mit z/OS-basierter IT lassen sich noch immer Probleme bewältigen, die mit herkömmlicher Hardware nur schwer zu lösen wären, und dies mit bislang unerreichter Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit.
Unerreicht bei Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit
Was sind nun die Alleintstellungsmerkmale der Mainframes? Da wäre zunächst die dezimale Arithmetik, mit der sie operieren. Insbesondere Finanzdienstleister müssen hier mit 100prozentiger Genauigkeit arbeiten, und dies bei vielen Billionen von Operationen pro Tag. Versuche, dies durch Fixpunkt-, Gleitkomma- oder binärer Arithmetik zu ersetzen, werden regelmäßig mit mehr Fehlern behaftet und zudem deutlich langsamer sein. Der z/OS-Prozessor arbeitet mit dedizierten Dezimaleinheiten, die ausschließlich binär codierte Dezimal-Arithmetik durchführen. Hieraus resultieren seine enorme Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit, die mit binär arbeitender Software nicht zu erreichen ist.
Alle Daten zu jeder Zeit
Desweiteren garantiert der Mainframe 100 Prozent Uptime. Also nicht: Die meisten Daten sind die meiste Zeit verfügbar und beanspruchen dafür einen Teil der Rechenleistung. Sondern: Alle Daten zu jeder Zeit mit der vollen Rechenkraft. Ohne Datenverlust kann der Administrator komplette CPU-Platinen aus der laufenden Maschine entfernen. Dazu bedarf es einer ganzen Reihe von Soft- und Hardware-Voraussetzungen. Und es gibt weitere Unique Selling Points (USP): massive I/O-Bandbreite, echte Virtualisierung und integrierte anwendungsspezifische Hardware.
Vor allem Großunternehmen setzen auf IBM-Mainframetechnologie zur Abbildung ihrer IT, auf deren Fähigkeiten sie angewiesen sind. Durch seine besondere Architektur ist ein z/OS-System besser konfigurierbar und um Längen schneller als jedes x86-basierte System. Zum Vergleich: Am 12. Juli 2016, dem "Amazon Prime Day", teilte der Online-Händler Amazon stolz mit, 636 Artikel pro Sekunde auf Basis seiner AWS-Infrastruktur verkauft zu haben. Eine Veröffentlichung von Visa offenbarte 56.000 Kreditkartentransaktionen pro Sekunde mit ihrem z8-System.
Während Amazon für seine Web-Services eine riesige Infrastruktur benötigt, passt ein z8-System in den Raum eines großzügigen Hauses. Denn auch dies ist ein überholter Mythos: Dass Mainframes ganze Betriebshallen benötigten. Im Laufe der Zeit sind sie nicht nur schneller und vielseitiger, sondern auch kleiner geworden. Es ist daher eine irrige Annahme, angesichts immer höher gestapelter Container von Rack-Servern gegenüber kleineren Mainframes auf den Niedergang letzterer zu schließen.
Integrationsfähig mit anderen Technologieplattformen
Zu ihrer Zukunftsfähigkeit trägt auch bei, dass Mainframe-Systeme äußerst integrationsfähig mit anderen Technologieplattformen sind. So entwickelte IBM Middleware-Technologien, die das z/OS-Backend mit Java/Dot.net verbinden, um den Betrieb von Websites mit einem Mainframe-Frontend zu ermöglichen.
Die stete Verbesserung ihrer Zuverlässigkeit ermöglichte es Unternehmen mit den Jahren, die Anzahl sowohl der z/OS-Maschinen wie auch deren Operatoren zu reduzieren. Eine Handvoll Operatoren erledigt heute Arbeiten, für die in den 1980er Jahren noch 20 oder 30 Fachleute erforderlich waren. Da sich bei IBM auch in punkto Usability und Nachwuchsförderungen in den vergangenen Jahren viel getan hat, ist davon auszugehen, dass der Mainframe auch im Jahr 2020 auf dem neuesten Stand der Technik und zentraler Bestandteil der modernen Unternehmens-IT sein wird. (haf)
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