Der User von heute hat sich offenbar seiner Hemmungen entledigt und surft scheinbar ohne schlechtes Gewissen durch das Web. Zwar bringt die ungezwungene virtuelle Welt zweifelsfrei auch die positiven Seiten der Nutzer zu Tage. Wie die Marktforscher von eMarketer unter Berufung auf Daten des Agenturnetzwerks Euro RSCG Worldwide aufzeigen, führt die Online-Kommunikation jedoch vermehrt zu deutlich negativerem Verhalten als in der realen Welt. Die Anonymität des Internets macht es möglich. Besonders bei Frauen zwischen 25 und 54 Jahren sei eine "Cyber-Enthemmung" festzustellen.
Virtuell-reales Mobbing
Welches Ausmaß bedenkliches Verhalten von Web-Usern annehmen kann, wird etwa im Fall von Cyber-Mobbing deutlich. Allerdings haben Kontakte und Erfahrungen, die man im Web 2.0 sammelt, auch realen Gehalt, stellt Natalia Wächter, wissenschaftliche Projektleiterin beim Österreichischen Institut für Jugendforschung, fest. Soziale Netzwerke übertragen reale Lebenssphären in die digitale Welt. Dass darunter auch Beleidigungen und böse Kommentare zu finden sind, sei eine traurige Tatsache.
Die Auswirkungen abfälliger Bemerkungen oder Beleidigungen im Internet, die die Betroffenen dennoch real verarbeiten müssen, können angesichts der Masse an Blogs, Tweets, Posts und Videos sowie der hohen Reichweite der Portale fataler sein als Äußerungen abseits der digitalen Welt. eMarketer zufolge kann die Enthemmung im Netz zwar auch positive soziale Folgen für die Nutzer haben. User würden beispielsweise offener auf andere Menschen zugehen als offline und können ihr Selbstbewusstsein stärken. Allerdings koste es gleichsam vergleichsweise geringe Überwindung, ausfällig zu werden.
Beschwerden und abfällige Bemerkungen über Unternehmen und Marken beispielsweise gehen den Experten nach im Web noch leichter von der Zunge als in der realen Welt, können bei massenhafter Verbreitung jedoch einen enormen Schaden hinterlassen. Ein Fünftel der Internet-Nutzer habe sich virtuell bereits negativ über Firmen oder Marken geäußert.
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Weniger Hemmungen
Eigenen Angaben zufolge fühlen sich 43 Prozent der US-amerikanischen User im Web weniger gehemmt als offline. Knapp 34 Prozent der männlichen Nutzer sowie 29,2 Prozent der Internet-Nutzerinnen fühlen sich im Netz darüber hinaus in Handlungen bestärkt, zu denen sie sich offline nicht in der Lage sehen. Beinahe der Hälfte sei die elektronische Kommunikation mit anderen Menschen mittlerweile sogar angenehmer als "face-to-face" zu kommunizieren. Deutlich mehr als die Hälfte stimmt dabei nicht mit der Behauptung überein, die Online-Kontaktpflege sei Sache "trauriger und einsamer" Personen, die außerhalb der Gesellschaft stehen. (pte/rw)