Herr Keese, als sich eBay und PayPal Ende Juli aufspalteten, reagierte eBay lautstark und informationsfreudig auf die Trennung, bei PayPal blieb es dagegen eher ruhig. Was bedeutet der Split für PayPal in Deutschland?
Arnulf Keese: Es war auch bei uns sehr laut, weil wir uns über den erfolgreichen Split und die Resonanz an der Börse gefreut haben, was wir dann auch intern gefeiert haben. Ansonsten hat sich bei PayPal durch die Trennung erst einmal gar nichts geändert. Dennoch kann man sagen, dass die Unternehmensaufteilung für uns in einem recht guten Moment gekommen ist. Wir haben uns in einer Phase der Stärke auf die eigenen Füße gestellt: Wir zählen heute durchschnittlich 25 Transaktionen jährlich pro aktivem Kunden, wir haben in der jüngeren Vergangenheit spannende Akquisitionen getätigt und mit One Touch und PayPal.Me gute neue Produkte gelauncht. Wir wollen nun die Freiheiten nutzen, um intensiv über weitere Neuheiten nachzudenken. Wir werden zeigen, dass unsere Innovationskraft ungebrochen ist und dass wir uns nach der Aufspaltung in einer Aufbruchsstimmung befinden. An der starken Partnerschaft mit eBay wird sich aber nichts ändern, eBay bleibt weiterhin ein wichtiger Kunde für PayPal.
eBay will sich als eigenständiges Unternehmen auf seine Marktplatz-Kernkompetenz fokussieren. Gibt es eine ähnliche Rückbesinnung nach dem Split auch bei PayPal?
Keese: Wir justieren immer vieles neu, aber das ist weniger durch die Trennung getrieben. Als Payment-Anbieter steuern wir ja nicht, welche Produkte gekauft werden. Wir ermöglichen vielmehr, dass Konsumenten sicher und einfach bezahlen können. Und wir achten darauf, dass das in möglichst vielen Branchen und Märkten der Fall ist - mit einigem Erfolg: Heute haben bereits mehr als 80 Prozent der Top-Online-Händler PayPal eingebunden.
Zu den wichtigsten neuen Themen, die wir in letzter Zeit umgesetzt haben, gehört PayPal Plus, mit dem wir für den Mittelstand ein besonderes Problem lösen wollen: Das Management der wichtigsten fünf, sechs Zahlarten ist nämlich für kleine bis mittlere Händler sehr komplex, da jede Zahlart komplett andere Herausforderungen und Risiken mit sich bringt. Mit PayPal Plus haben wir dafür eine einfache Lösung geschaffen und ermöglichen seit Mitte September auch die Bezahlung auf Rechnung. Wenn man weiß, wie bedeutend das Angebot der richtigen Bezahlart für deutsche Konsumenten ist, ist das für Händler sicherlich relevanter als der Split zwischen eBay und PayPal.
"Der Trend geht zu In-App-Payments"
Stellt PayPal Plus einen Abgriff auf das Segment der Payment Service Provider dar? Traditionell liegt das Management verschiedener Zahlarten klar in deren Domäne...
Keese: Nein, wir wollen und können Payment Service Provider nicht ersetzen. Vielmehr arbeiten wir intensiv mit Payment Service Providern zusammen und vertreiben auch PayPal Plus über ein großes Partnernetzwerk, zum Beispiel im Shopsystembereich. Die Einführung von PayPal Plus stellt in erster Linie eine Ausweitung unseres bisherigen Angebots dar und hilft dem mittelständischen Händler, schneller und einfacher zu wachsen. Dabei ist PayPal Plus übrigens auch ein Beleg dafür, dass PayPal als internationales Unternehmen durchaus lokal fokussiert ist: Schließlich lösen wir damit ein Problem, das lokal im deutschen Markt eine besondere Bedeutung besitzt. Denn hierzulande genießt der Kauf auf Rechnung besondere Beliebtheit. Und indem wir den Rechnungskauf in PayPal Plus integrieren, erweitern wir den Mehrwert für deutsche Händler.
Einen Mehrwert für Händler will PayPal seit einiger Zeit auch im stationären Umfeld bieten - mit dem "Einchecken mit PayPal", das Sie seit Ende 2013 vor allem im Gastronomiebereich erproben. Wo stehen Sie hier?
Keese: Wir bieten das Einchecken mit PayPal weiterhin zusammen mit Orderbird, Payleven, Gastrofix und POSbill an. Für uns handelt es sich hier um einen von vielen Use Cases, bei dem wir lernen, was beim Konsumenten und Händler funktioniert und was nicht. Generell stellen wir aber fest, dass es eher einen Run in Richtung In-App-Payments gibt. Wenn Kunden bei Diensten wie Uber, MyTaxi, Fernbus.de und Easypark die Bezahlung innerhalb der App erledigen können, finden die Kunden das gut. Und ein Service wie Easypark, bei dem man statt den Parkautomaten mit Münzen zu füttern bequem per App bezahlt, ist einfach toll.
"Wir können vieles ermöglichen, aber nicht erzwingen"
Welche Perspektiven sehen Sie für PayPal beim stationären Einkauf?
Keese: Die Revolution im stationären Handel findet immer genau dann statt, wenn ein Problem des Konsumenten gelöst wird. Was nicht stattfinden wird, ist, dass einfach nur der Geldschein durch ein Handy ersetzt wird.
Ein spannendes Thema sind hier Automaten. Der erweiterte Bezahlfluss mittels PayPal funktioniert prinzipiell bei jedem Automaten auf der Welt. Allein in Deutschland werden jedes Jahr mehr als 2,5 Milliarden Euro an Automaten umgesetzt. Wir testen hier verschiedene Szenarien - in Public-Umgebungen wie am Frankfurter Bahnhof, Semi-Public oder auch Private zum Beispiel auf einem Firmengelände. Insgesamt handelt es sich hier um 300 Automaten an 160 Locations bundesweit. Vor allem im Firmenkontext läuft das ganz gut. Wir überlegen gerade zusammen mit den Automatenbetreibern, wie sich das skalieren lässt. Die mobile Revolution schreitet so gewissermaßen Use Case für Use Case voran und es klappt immer dort, wo sich ein Mehrwert für den Kunden herstellen lässt.
Beim stationären Einkauf denkt man allerdings nicht zuerst an Automaten, sondern an den Retail. Sind Sie am stationären Handel nicht interessiert?
Keese: Ich denke, der Handel muss aufholen. Es gilt die Frage zu beantworten, wie sich die Kundenbereitschaft zum mobilen Bezahlen in konkrete Lösungen übersetzen lässt. Wenn der Mehrwert für den Kunden versteckt ist oder unklar, dann hat eine Lösung auch keine Chance. Wir können vieles ermöglichen, aber nicht erzwingen. Mit unseren Schnittstellen oder Events wie dem "Battle Hack" geben wir Entwicklern die Möglichkeit, attraktive Lösungen zu entwickeln. Doch offensichtlich sind es heute oft die Plattformlösungen, die in der Wahrnehmung der Kunden den größeren Wert haben - wie zum Beispiel Pizza.de, das für Kunden, die kein Bargeld zuhause haben, ein wichtiges Problem löst.
"Neue Player besitzen größeres Veränderungspotenzial"
Sie haben eingangs von dem Trend zu In-App-Payments gesprochen. Sehen Sie hier auch für einzelne Händler oder Gastronomiebetriebe Potenzial?
Keese: Wir sehen, dass die Innovationsgeschwindigkeit bei den Plattformen wesentlich größer ist. Es gibt hier eine goldene Regel: Technologie ermöglicht, Experience gewinnt. Weil die Plattformen skalieren, haben sie das Potenzial, Branchen auf den Kopf zu stellen. Und eine Plattform wie MyTaxi ist einfach eine tolle Experience für den Nutzer.
Es ist nun einmal so, dass wir zwei Kunden haben: Den Käufer und den Verkäufer. Bei Plattformmodellen stellen In-App-Payments einen Mehrwert sowohl für den App-Betreiber wie auch für den Kunden dar. Aber im Handel ist das schon schwerer. Es reicht nicht, wenn eine mobile Bezahllösung an der Supermarktkasse angeboten wird. Diese müsste den Kunden auch erklärt werden. Wir haben mit Use Cases wie dem Einchecken mit PayPal und dem QRShopping gezeigt, wo Mehrwerte entstehen können. Nun müsste aber die weitere Nachfrage vom Handel kommen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass eine Einkaufs-App mit In-App-Payment im Lebensmittelhandel eine tolle Idee wäre. Das würde Konsumenten das Anstellen in der Kassenschlange ersparen. Doch wenn es darum geht, wer so etwas wirklich umsetzen wird, würde ich eher auf einen neuen Player tippen.
Sie haben gerade die QRShopping-Funktion von PayPal erwähnt, um die es nach einigem Hype nun wieder eher still ist. Setzen Sie weiterhin auf diese Technologie?
Keese: Wir unterstützen das QRShopping weiter - auch wenn klar ist, dass es sich dabei um eine Brückentechnologie handelt. Dafür haben QR-Codes auch die Vorteile einer Brückentechnologie: sie sind komfortabel nutzbar und funktionieren in Bereichen, wo der Einsatz sinnvoll ist. Zum Beispiel unser Pilotprojekt mit der Stadtverwaltung Kaiserlautern, wo seit rund einem Jahr Verwarngelder per QR-Code bezahlt werden können. Es handelt sich hier zwar eher um einen "unfreiwilligen Kauf", doch sorgt das Projekt dafür, dass sich regelmäßig neue Kunden bei PayPal registrieren und sich darüber freuen, wie viel einfacher das Bezahlen des "Knöllchens" ist.
"Beacons und NFC sind noch nicht da, wo sie sein sollten"
Keine Brückentechnologie, sondern eher eine Zukunftslösung ist der Einsatz von Beacon-Minisendern. Wird PayPal die Technologie von den USA in nächster Zeit auch nach Deutschland bringen?
Keese: Beacons sind noch nicht ganz da, wo sie sein sollten, und haben einiges an Zugkraft verloren. Es bestehen hier Probleme bei der Eindeutigkeit und der Zuverlässigkeit, wenn es darum geht, Kunden immer und an der richtigen Stelle zu erkennen. Beacons sind noch nicht ganz da, wo sie sein sollten. Aber wir beobachten das Thema und führen dazu auch weiter in den USA ein Pilotprojekt durch. Aber es ist noch vollkommen offen, welches Thema PayPal damit für den Handel lösen könnte.
Und wie sieht es mit NFC - der zweiten vielgehypten Zukunftstechnologie - aus?
Keese: NFC ist ein ähnliches Thema. NFC wurde schon 2006 stark gehypt, hat dann aber viel Glanz verloren, weil es einfach kein Problem löst und es keine Gerätebasis gab. Inzwischen wird NFC an vielen Stellen neu bewertet und es gibt mehr Geräte. Weltweit ist die Adaption von NFC sehr unterschiedlich: In den USA, aber auch in Polen ist das Thema schon recht weit, in Deutschland dagegen noch erst am Anfang. Aus unserer Sicht müsste die Technologie hierzulande weiter reifen und NFC auch von den Kartenausgebern konsequenter eingesetzt werden. NFC bietet sicher eine bessere Usability als die Bezahlung mit Chip und PIN. Und auch bei den Geräten verbessert sich die Situation seit dem iPhone 6. Doch ist man in Deutschland noch nicht so weit. Wir sind an dieser Stelle Tech-Agnostiker: Eine Lösung muss ein Kundenbedürfnis erfüllen und in einem Markt entsprechend nachgefragt werden, damit wir diese in unser lokales Portfolio integrieren. (mh)