Omnichannel im Fokus

"Der Handel kennt keine Öffnungszeiten mehr"

17.06.2014 von Dr. Stephan Zoll
Händler müssen Kunden das Beste aus der Off- und Online-Welt bieten - auf den richtigen Mix kommt es hier an.

In den letzten Jahren haben sich mobile Technologien rasant weiterentwickelt. Eine Innovation jagt die nächste, wodurch uns ständig neue Möglichkeiten geboten werden. Was wir früher nur aus Filmen oder der eigenen Fantasie kannten, ist mittlerweile Realität: Wir können alltägliche Dinge wie unseren Einkauf überall und jederzeit über mobile Geräte erledigen. Wir können in der S-Bahn nach Inspiration für das Wochenend-Outfit suchen, in der Kinoschlange Bewertungen für das neueste iPhone nachlesen und zu Hause auf der Couch den Wocheneinkauf für die gesamte Familie erledigen. Und das Beste: Mobile Technologien kennen keine geographischen Grenzen und keine Öffnungszeiten.

eBay-Gebäude in Berlin - Außenaufnahme
Foto: eBay Germany

Durch neue Technologien hat sich unser Leben verändert - vor allem aber unsere Erwartungen. Das merkt jeder, der im Einzelhandel tätig ist. Kunden möchten das, was technologisch möglich ist, auch nutzen können. Wo man früher Nachmittage lang durch Läden streifte und Preise verglich, zückt man heute das Mobiltelefon. Läden, in denen Kunden keinen Zugriff auf das Internet haben, ziehen schnell Unmut auf sich. Mit nur einem Klick entscheiden wir über einen Kauf. Nach Öffnungszeiten möchten wir uns dabei nicht mehr richten müssen. Gleichzeitig möchten wir aber auch nicht auf Dinge verzichten, die wir aus dem traditionellen Handel schätzen gelernt haben: gute Beratung in stationären Geschäften und eine sofortige Verfügbarkeit des Produkts.

Mix aus Off- und Online

Für Händler ist das eine Herausforderung, sie müssen Kunden das Beste aus der Offline- und der Online-Welt bieten. Und nicht nur das. Recherche, Preisvergleich, Austausch mit anderen Konsumenten und der Kauf an sich finden häufig an verschiedenen Orten und über verschiedene Kanäle statt, und Kunden erwarten dabei einen nahtlosen Übergang. Wer im Laden den Pullover nicht in der richtigen Größe findet, bestellt ihn zu Hause über das Internet. Wer auf das neue Mobiltelefon nicht drei Tage warten will, kauft es eben im Laden - oft erst, nachdem er sich online ausführlich mit Produktbewertungen befasst hat. Dem modernen Shoppingerlebnis sind keine Grenzen gesetzt, da stationärer, mobiler und Online-Handel zunehmend verschmelzen.

Nun liegt es an den Händlern, auf das neue Kaufverhalten der Konsumenten und ihre gestiegenen Erwartungen zu reagieren. Das Erfolgsgeheimnis im Handel hat sich nicht geändert: Der Kunde ist König. Wenn Konsumenten heutzutage auf allen Kanälen aktiv sind und diese für ihren Einkauf nutzen, müssen Händler dort präsent sein - omnipräsent!

Wenn der Kunde, der den Pullover online in der richtigen Größe sucht, feststellt, dass der Händler gar keinen Online-Shop hat und auch nicht auf Online-Marktplätzen vertreten ist, verliert dieser einen möglichen Kunden. Die neuen Technologien bieten Händlern vielfältige Möglichkeiten, die traditionellen Stärken des stationären Geschäfts mit der Flexibilität des Online-Handels zu verbinden. Wer große Auswahl schätzt, aber das iPhone schnell haben möchte, kann online bestellen und die Ware im Laden abholen. Wer den Pullover über sein Tablet bestellt hat und ihn lieber in einer anderen Farbe haben möchte, kann im Laden vorbeischauen und den Umtausch tätigen. Je mehr Kontaktpunkte ein Verkäufer seinen Kunden bietet, desto erfolgreicher wird er sein.

Die richtige Omnichannel-Strategie

Eine solche Omnichannel-Strategie aufzubauen ist eine Herausforderung. Aber einmal richtig aufgestellt, ermöglicht sie Händlern, ihre Reichweite und damit ihren Absatz zu steigern. In einer gemeinsamen Studie mit Deloitte haben wir herausgefunden, dass Verkäufer mit einer guten Omnichannel-Strategie in hohem Umfang zusätzliche Umsätze erzielen können: Anhand von vier führenden deutschen Omnichannel-Händlern für Haushaltsgeräte zeigte die Studie, dass von jeden 100 Euro, die außerhalb von Ladengeschäften für Produkte ausgegeben wurden, 98 Euro zusätzlich zum stationären Geschäft generiert wurden. Sehr ähnliche Ergebnisse ergab eine Analyse des britischen Marktes für Damenmode.

Dies beweist einmal mehr, dass Online- und Offline-Handel nicht in Konkurrenz miteinander stehen, sondern sinnvoll miteinander verbunden werden müssen. Deshalb sollten Händler, die im heutigen Markt auch weiterhin erfolgreich sein wollen, nicht länger warten und ihr Geschäft mit einer durchdachten Omnichannel-Strategie für aktuelle und zukünftige Herausforderungen fit machen. (rw)

Fünf Ideen für den Omnichannel-Handel der Zukunft -
Echtes Autohaus virtuell besichtigen
Fiat setzt auf Live-Videoübertragungen, um potenzielle Kunden anzusprechen. Dabei präsentieren Mitarbeiter mit Headset und Webcam neue Modelle. Gleichzeitig blendet Fiat Informationen und Farbvariationen ein. Die Zuschauer können Probefahrten vereinbaren.
Über Barcodes Gutscheine für Freunde erstellen
Mit der mobilen Anwendung Jifiti können Nutzer in ausgewählten Geschäften Barcodes an Produkten einscannen und daraus Geschenkgutscheine herstellen. Diese lassen sich digital versenden. Der Empfänger kann damit das Geschenk im Laden abholen oder es online bestellen.
Laden markiert die auf Pinterest beliebtesten Waren
Die in Seattle ansässige Kaufhauskette Nordstrom markiert jene Produkte, die auf Pinterest am häufigsten gepinnt werden. Momentan verfügt Nordstroms Pinterest-Account über 4,5 Millionen Follower, so dass die Schilder die Meinung einer erheblichen Anzahl von Kunden repräsentieren.
Touchscreen mit endlosem Warenkatalog
Die britische Supermarktkette Tesco stellt in Filialen Touchbildschirme auf, auf denen Kunden mehr als 11.000 Produkte finden. Die Artikel lassen sich unter anderem nach Preis filtern. Kunden können die Produkte an einem Abholschalter mitnehmen oder sich nach Hause schicken lassen.
Nahtloser Kundendialog über mehrere Kanäle
Der Anbieter SapientNitro erlaubt mit dem System Connected Retail einen Kundendialog über mehrere Kanäle. Ein Sportartikelhändler ermöglicht Kunden mit Connected Retail, sich zuhause von einer virtuellen Shoppingassistentin online beraten lassen und einen Besuchstermin im Geschäft vereinbaren. Im Laden ist die Assistentin per Bildschirm an der Beratung beteiligt.