Bedingt durch die Digitalisierung sehen sich traditionelle Unternehmen immer stärker mit dem Zwang zur Veränderung konfrontiert. Grund sind sich stark wandelnde Märkte, ein schrumpfender Wettbewerbsvorsprung und der Eintritt neuer Player in die etablierten Märkte.
Gerade in weiten Teilen des Commodity Marktes (siehe Digitalisierung des Energiemarktes) ist dies von einer gewissen Herausforderung. Die Produkte sind hier vergleichbar, die Margen sinken. Differenzierung nach Kundensegmenten, Produkten, Service findet kaum statt.
Der Einzelhandel selbst hat durch Online-Angebote wie die z.B. die von Amazon einige besondere Herausforderungen. Günstige Preise (in der Wahrnehmung der Kunden) und ein erstklassiger Service (Rückabwicklung, Service und Support Fälle) lassen Amazons Verkäufe in die Höhe schießen.
Ein Besuch bei verschiedenen Elektrofachhändler hat mir nun persönlich den Eindruck vermittelt, dass die Schlacht noch nicht geschlagen ist. Welche Chancen und Möglichkeiten ich persönlich sehe, möchte ich hier zum besten geben. Nehmen Sie als Beispiel die große Elektrofachhändler in Deutschland und der Welt. Diese bieten ihre Produkte nun auch per Online-Shop aber auch per App den Interessenten an.
Eine Kundenbindung sieht man aktuell jedoch hauptsächlich in der "Beantragung" von Kundenkarten durch den Kunden selbst. Dabei haben diese Läden einen großen Vorteil, um den Amazon sie beneiden dürfte: Den Kunden selbst in den eigenen Wänden.
Wie können diese Elektromärkte damit nun ihre Nachteile (Information im Laden, Kauf bei Amazon und Co) angehen? Hier einige Gedanken:
Digitale Preisinformationen als Kundenzugang
Nehmen wir als erstes die Preisschilder an den Produkten. Aus Papier haben diese Preisschilder ausgedient. Große Supermärkte haben diese bereits seit einiger Zeit als Auslaufmodell angesehen und auch in besagten Elektromärkten nimmt der Einsatz digitaler Preisschilder zu.
Denken Sie an dieser Stelle aber noch einen Schritt weiter. Stellen Sie sich vor diese Schilder beinhalten neben der Preisinformation einen QR Code. Dieser QR-Code hilft es nun, Kontakt mit dem Kunden aufzunehmen. Dieser kann sich über das Produkt nicht nur informieren, sondern hat auch die Möglichkeit, eigene Wunschzettel oder Favoritenlisten zu erstellen.
Bei einer Preisänderung müssen die Verkäufer nicht mehr die Papierkärtchen neu anbringen, Kunden erhalten hier auch die Information "digital", dass das für sie interessante Produkt sich im Preissegment verändert hat. Dieser als "Preisalarm" zu bezeichnende Mehrwertdienst könnte meiner persönlichen Meinung nach zu einer stärkeren Kundenbindung und einen "Neubesuch" durch den Kunden ermöglichen.
Ich habe vorhin die Informationen zu dem Produkt erwähnt. Dabei meine ich nicht nur die Möglichkeit, Handbücher zu lesen. Viel mehr denke ich an nützliche Informationen aus dem Alltag des Kunden.
Stellen Sie sich vor, dass ein Kunde zwei Produkte vergleichen kann, indem er einen zweiten QR-Code von der gleichen Gerätegattung einscannt. Oder die Möglichkeit, sich Verbrauchsinformationen anzuzeigen. Ein QR-Scan von einer Kaffeemaschine und die anschließende Angabe des durchschnittlichen Kaffeekonsums könnte eine Verbrauchsübersicht in Strom, CO2 Bilanz und sogar Kaffee-/Wasserkosten transparent machen.
Lagerhaltung - Just-In-Time 2.0
Die Anforderungen der Kunden haben sich durch das Internet drastisch geändert. Per Mausklick ordern sie individuelle Sendungen, gleiches erwarten Sie von einem Besuch im Fachmarkt. Hier dürfte die dahinterliegende Logistik nicht darauf ausgelegt sein, anders könnte ich es mir nicht erklären, das ich letztens vor einem leeren Fach mit den von mir gesuchten Druckerpatronen stand.
Die Konzepte der Lagerlogistik befinden sich meiner Meinung nach ebenfalls im Umbruch. Statt einer ausführlichen Lagerhaltung und -verwaltung kann das Internet der Dinge dies automatisiert, just in Time, selbst steuern.
Wenn jeder Behälter, jedes Paket und jede Palette um eine digitale Komponente erweitert wird, sind die Möglichkeiten enorm. Dieses Element wäre in der Lage, Entscheidungen auf Basis des aktuellen Orts, dem Ziel-Fachmarkt und der Priorität (z.B. wird in Elektrofachmarkt Wiesbaden dringend gebraucht) zu treffen. Faktoren wie Füllmenge und Gewicht können ebenfalls genutzt werden. Auch ist eine Nutzung autonomer Fahrzeuge, gerade in den eigenen Lagerhalllen, damit einfacher denkbar. Die IoT-Techniken helfen, die steigende Komplexität und die Forderung nach mehr Flexibilität in Verbindung mit der stetigen Forderung nach Effizienzsteigerungen weiter zu begegnen.
Kundenzufriedenheit durch Bewegungsprofile
Für die Ermittlung von Kundenströmen wurden bisher vor allem manuelle Methoden, wie z.B. Beobachtung, Verfolgung von ausgewählten Personen und Interviews oder halbmanuelle Methoden, wie z.B. videobasierte Erfassung und händische Auswertung der Videodaten, eingesetzt. Aber es geht auch anders, voll automatisch und wie ich hoffe völlig anonymisiert.
Ein Smartphone mit aktivierter WLAN-Funktion überwacht seine Umgebung auf vorhandene WLAN-Zugangspunkte (Hotspots). Während dieser "Suche" sendet das Gerät unter anderem auch meist eine eindeutige Gerätekennung aus (Ausnahme iOS), die sogenannte MAC-Adresse. Die MAC-Adresse stellt dabei nicht die Seriennummer des Handys, sondern die Seriennummer der im Handy eingebauten WLAN-Netzwerkkomponente dar. Jede dieser Netzwerkkomponente hat eine eigene MAC-Adresse. Die MAC-Adresse kann somit als eindeutiges Identifizierungsmerkmal herangezogen werden. Smartphones sind persönliche Gegenstände. Diese werden in der Regel nur selten ausgeliehen. Somit lässt sich über die Identifzierung der Smartphones in der realen Welt auch auf die Person (bzw. die damit zugeordnete Personengruppe) zurückgeschlossen werden. Ganz wie in der digitalen Welt.
Hatten bisher Webseiten den Mehrwert genossen, ihre Besucher über Tracking-Netzwerke besser zu identifizieren, erlangen nun auch Räume des öffentlichen Lebens, Einkaufsläden oder Konferenzen diese Benefits.
Die Vorteile für den Händler liegen klar auf der Hand: Es werden Statistiken über Besucherfrequenzen erfasst, die über das hinausgehen, was eine herkömmliche Lichtschranke an der Tür zu leisten vermag. Die Anzahl der potentiellen Kunden pro Stunde, die am Laden vorübergehen. Die Anzahl von Kunden im Laden, die Aufenthaltsdauer der Kunden, Wiederkehrende Stamm- und Neukunden können identifiziert weden. So kann die Konvertierungsrate von potentiellen Kunden zu tatsächlichen Käufern ermittelt werden (Attraktivitätsmessung). Dies kann zum Beispiel als Erfolgskontrolle bzw. zur Planung weiterer Werbeaktionen genutzt werden. Vergleichen Sie die Werte aus dem Kassen-System mit den Besucherwerten, erhalten Sie die Konversionsrate.
Wozu eine Kundenstromanalyse per WLAN fähig ist, ist mit einem Beispiel von der re:publica 2013 einsehbar. Da das WLAN und das Internet auf der re:publica naturgemäß fleißig genutzt wurde, fiel es nicht schwer die Geräte auf der Konferenz zu verfolgen. Sie können bei OpenDataCity auf einer interaktiven Karte das Bewegungsproflile der Besucher allgeine oder auch einzelne Personen (anonym) bei ihrer Bewegung durch die Konferenzräume verfolgen.
Neben dem Tracking über WLAN kann dies auch als Bluetooth-Tracking ergänzend bzw. alternativ erfolgen. Die Funktionsweise von Bluetooth-Tracking beruht auf dem Umstand, dass Smartphones eine aktive Bluetooth-Schnittstelle integriert haben. Jede Bluetooth-Schnittstelle besitzt ebenfalls eine individuelle Adresse, die keine Rückschlüsse auf die Telefonnummer und den Besitzer zulässt. Mit Hilfe von stationären Bluetooth-Sensoren (Beacons), können aktivierte Bluetooth-Schnittstellen in einem bestimmten Umkreis erkannt und gespeichert werden. Bluetooth LE (Low Energie) erlaubt theoretisch eine Ortung auf wenige Zentimeter. So können neben einer groben Bewegung auch genauere Positionen ermittelt werden.
Stellen Sie sich vor, ein Kunde wählt in einer App den Bedarf nach Beratung aus. Ihr Servicepersonal im Geschäft könnte direkt zu Ihrem Kunden gehen.
Service auch nach dem Kauf
Ein QR-Code auf den digitalen Preisschildern ist noch nicht das Ende des Potentials. Stellen Sie sich vor, dieser wäre auch auf den Kassenzetteln. Ein Kunde könnte diesen QR-Code scannen und erhält automatisch einige Dienstleistungen. Hierzu könnte gehören:
eine Möglichkeit zum Registrieren des Produktes für Servicemeldungen (statt den aktuellen Postkarten)
eine digitale Quittung für die Ablage
Pflege der Serviceakte (Garantiedauer, Serviceanträge stellen)
Steuerunterlagen generieren (Abschreibungsunterlagen)
Zu guter Letzt: der Online Kauf
Abgesehen von der vielfach oft unübersichtlichen Darstellung der Online-Shops sehe ich ein Riesenpotential in der Ladeninfrastruktur. Stellen Sie sich vor, jeder Fachmarkt hätte eine 24x7h zugängliche Ausgabetheke, ananlog der von DHL bekannten Packstationen. Ein Kunde könnte ein Produkt kaufen, erhält einen Code auf seinem Handy, der von der Station gescannt wird und ihm das Produkt auch zu Randzeiten übergibt.
Fazit
Ich sehe viel Potential für den Einzelhandel. Sicherlich wird damit nicht jede Kundengruppe getroffen und sicherlich habe ich viele Punkte, aufgrund meiner mangelnden Kenntnis im Einzelhandel nicht erkannt oder ausreichend Bewertet. Trotzdem sehe ich großes Potential in diesen Themen und würde - mit entsprechendem Datenschutzvorkehrungen - es sehr begrüßen, derartige Verfahren und Systeme erleben zu dürfen. Es ist eine spannende Zeit, lasst sie uns diese aktiv gestalten! (mb)