Nachhaltigkeit

Der Channel muss seiner Verantwortung gerecht werden

23.09.2021 von Armin Weiler
Umweltaspekte, soziale Standards und die nachhaltige Ausrichtung der Lieferkette gewinnen auch in der IT-Branche an Bedeutung. Wer sein Unternehmen zukunftssicher ausrichten will, sollte dies bei seinem Geschäftsmodell berücksichtigen.

Erderwärmung, Klimawandel, Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit sollten eigentlich Gründe genug sein, um soziale und umweltgerechte Standards grundsätzlich in Unternehmen, Behörden und Organisationen zu verankern. Das gilt auch für die IT-Branche und damit auch für den Channel.

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Viele Akteure haben dies erkannt und ihre Unternehmenspolitik entsprechend ausgerichtet. So sieht Daniela Matysiak, CSR Managerin bei Kyocera Nachhaltigkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, von der Politik, über Privatpersonen bis zum Unternehmen: "Jeder muss einen Teil dazu beitragen und ist für sein Handeln verantwortlich. Das gilt auch für die ökologischen und sozialen Auswirkungen des geschäftlichen Handelns", umreißt sie das Problemfeld. So ist dies auch für Brother nicht nur eine nette Idee: "Als Unternehmen in Deutschland tragen wir auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung", bekräftigt Jörg-Stefan Schmitt, Leiter Unternehmenskommunikation bei Brother.

„Nachhaltigkeit ist mittlerweile kein reines Nice-to-Have mehr, sondern festes Bewertungskriterium auch für geschäftliche Beziehungen“, Daniela Matysiak, CSR Managerin bei Kyocera
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Auch Fachhändler und Systemhäuser müssen sich ihrer Verantwortung für Umwelt und Klima bewusst sein, bekräftigt Karl Tucholski, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Schweizer IT-Produzenten Prime Computer. "Der Reseller sollte frühzeitig seinen Kunden daher IT-Lösungen anbieten, die nicht nur irgendeinen 'grünen Stempel' aufweisen, sondern nachweislich nachhaltig und klimaneutral sind", fordert er. So trage der Reseller dazu bei, dass die Lösungen seine Kunden dabei unterstützen, den CO2-Fußabdruck zu verringern und Umweltziele sowie Gesetzesvorgaben erreichen zu können.

„Auch Reseller müssen sich ihrer Verantwortung für Umwelt und Klima bewusst sein“, Karl Tucholski, Geschäftsführer bei Prime Computer
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Henning Ohlsson, Geschäftsführer bei Epson Deutschland und auf Europaebene auch für das Thema Nachhaltigkeit zuständig, bringt es auf den Punkt: "Ohne Zukunft kein Geschäft. Ohne Verantwortung keine Zukunft, für Niemanden", betont er. Nur wer nachhaltig agiere, werde auch wirtschaftlich erfolgreich sein, glaubt der Epson-Chef. "Klimawandel, Zirkularität, IoT und künstliche Intelligenz sowie soziale Nachhaltigkeit sind aktuelle Megatrends, an denen sich die Gesellschaft ausrichtet", hat er erkannt. Seiner Meinung nach zahlt es sich aus, bei diesen Trends" aktiv die Ausrichtung zu bestimmen" und nicht nur hinterherzulaufen.

Deutlicher Sog des Marktes

Wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges Handeln müssen dabei keine Gegensätze sein. Bei Ausschreibungen werden diese Kriterien immer häufiger nachgefragt. "Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein wichtiger Differenzierungsfaktor und ein fester Bestandteil jeder Ausschreibung", bestätigt Susanne Kummetz, Director Commercial und Consumer Channel Sales bei HP. Ein klares Bekenntnis und Engagement mache sich positiv bei der Entscheidungsfindung bemerkbar.

„Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein wichtiger Differenzierungsfaktor und ein fester Bestandteil jeder Ausschreibung“, Susanne Kummetz, Director Commercial und Consumer Channel Sales bei HP
Foto: HP

Der Refurbish-Spezialisten BB-Net registriert einen "deutlichen Sog" des Marktes. "Das Bekenntnis zu grünen Technologien und Nachhaltigkeitsthemen ist bei Unternehmen mehr denn je im Trend", berichtet Geschäftsführer Michael Bleicher. Beim Büromaschinenspezialisten Brother stellt man bereits seit einigen Jahren einen zunehmenden Stellenwert fest. "Das betrifft nicht nur ökologische und soziale Aspekte, sondern geht mittlerweile bis hin zur Rohstoffbeschaffung", präzisiert Brother-Manager Schmitt. Hersteller sollten also auch darauf achten und diese Informationen ihren Partnern zur Verfügung stellen, damit sie bei Ausschreibungen nicht ins Hintertreffen geraten.

Auch Karl Tucholski von Prime Computer berichtet von "einer deutlichen Zunahme" der Kriterien und Gewichtung zur Nachhaltigkeitsthematik. "Wobei zugegebenermaßen die Veränderung bei Weitem noch nicht ausreichen", schränkt er ein.

„Manche Konzerne haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für nachhaltige Lösungen, einige gar nicht“, Michael Bleicher, Geschäftsführer bei BB-Net
Foto: BB-Net

So sollte allein der wirtschaftlicher Druck nicht der Hauptgrund für das Engagement sein. "Wem Umweltschutz und unsere Zukunft nicht Grund genug sind, dem ist kann ich auch nicht mehr weiterhelfen", kommentiert Meik Blase, Leiter Qualitätsmanagement und Sicherheitsingenieur bei Wortmann, mit einem deutlichen Verweis auf die Situation von Resellern im hochwassergeschädigten Ahrtal.

Öffentliche Auftraggeber sind Vorreiter

Es scheint aber noch Unterschiede bei der Art und Große der Kundengruppen zu geben. "Vorreiter sind die öffentlichen Auftraggeber, gefolgt von Großkonzernen", erklärt Jörg-Stefan Schmitt von Brother. "Öffentliche Stellen und Verwaltungen legen darauf vermehrt Wert", meint auch Meik Blase von Wortmann. Bei anderen Käufergruppen, beispielsweise bei Gamern, sei das aber ganz anders. "Wir haben beobachtet, dass eher größere Unternehmen und weniger der Mittelstand das Thema Nachhaltigkeit mehr und mehr fokussieren", bestätigt Prime-Computer-Chef Karl Tucholski. Er führt dies auch auf das öffentliche Interesse an diesen Unternehmen zurück.

„Nur wer nachhaltig agiert, wird auch wirtschaftlich erfolgreich sein“, Geschäftsführer bei Epson Deutschland
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Refurbishing-Experte Michael Bleicher von BB-Net sieht jedoch keinen klareren Trend. "Manche Konzerne haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für nachhaltige Lösungen, einige gar nicht", meint er. Das gelte auch für kleine und mittelständische Unternehmen, Organisationen und Institutionen. Viele hänge von der Einstellung der jeweiligen Entscheidungsträger ab. HP-Channel-Chefin Susanne Kummetz sieht auch ein übergreifendes Interesse in allen Kundengruppen: "Mittlerweile sind die Nachhaltigkeit des Herstellers, des Vertriebspartners und der Produktangebote über alle Branchen und Kunden ein wichtiger Entscheidungsfaktor", erklärt sie.

Ein gewisses Interesse am Umweltschutz kann man allerdings den wenigsten absprechen. Doch sind die Kunden auch bereit, mehr für nachhaltige Produkte und Lösungen zu bezahlen? "In diesen Zeiten sind Verfügbarkeit und Preise die entscheidenden Kriterien", schätzt Wortmann-Manager Blase die Lage realistisch ein. Er sieht daher die Hersteller in der Pflicht, umweltfreundliche, klimaneutrale, langlebige und gleichzeitige bezahlbare Produkte zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen. "Es wird nach wie vor zu wenig getan. Der Preis spielt nach wie vor viel zu oft die ausschlaggebende Rolle", kritisiert Karl Tucholski von Prime Computer. So sieht das auch Michael Bleicher von BB-Net. "Am Ende entscheidet nach wie vor der Preis, da spielt der Nachhaltigkeitsgedanke nur oberflächlich eine Rolle, meistens aus Gründen des Green Washings", beklagt er. Man wolle praktisch Neuware mit grünem Etikett für das reine Gewissen. Er plädiert daher für die kostengünstige Variante von wiederaufbereiteten Produkten: "In vielen Fällen sind gar keine Highspeed-Notebooks mit unendlicher Speicherkapazität vonnöten, beispielsweise in Schulen und Behörden", betont er.

„Wem Umweltschutz und unsere Zukunft nicht Grund genug sind, dem ist kann ich auch nicht mehr weiterhelfen“, Meik Blase, Leiter Qualitätsmanagement und Sicherheitsingenieur bei Wortmann
Foto: Wortmann

Für Henning Ohlsson muss daher am Ende das Gesamtpaket stimmen. "Hohe Qualität, vernünftige Preise und ein verlässlicher Service stehen ja nicht im Widerspruch zu nachhaltigen Produkten, ganz im Gegenteil", glaubt der Epson-Nachhaltigkeitsdirektor. Man müsse den Kunden eben Produkte an die Hand geben, mit denen sie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können. "Preis und Servicequalität sind weiterhin wichtig", betont Daniele Matysiak von Kyocera. Aber das Thema Nachhaltigkeit sei mittlerweile kein reines "Nice-to-Have" mehr, sondern festes Bewertungskriterium auch für geschäftliche Beziehungen.

Unterstützung für die Partner

Damit Systemhäuser und Fachhandelpartner dies auch bei ihren Kunden aktiv anbieten können, bedarf es also der Unterstützung der Hersteller, nicht nur beim Produktangebot, sondern auch in Form von gezielten Informationen, Argumentationsgrundlagen, Schulungen und zielgerichtetem Marketingmaterial. Bei HP hat man dafür das Amplify-Partnerprogramm um das Modul "Impact erweitert. "Als Teil des Programms evaluieren wir gemeinsam mit unseren Partnern Prozesse und Praktiken, um Verbesserungspotenzial konkret zu identifizieren", erklärt Susanne Kummetz. Aber auch wirtschaftliche Anreize funktionieren: "Wir incentivieren unsere Handelspartner seit vielen Jahren dabei, gebrauchte Tintenpatronen und Tonerkassetten an uns zu retournieren, damit wir diese in unserem Werk in Krupina in der Slowakei wiederaufbereiten können", berichtet Brother-Sprecher Schmitt.

„Als Unternehmen in Deutschland tragen wir auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung“, Jörg-Stefan Schmitt, Leiter Unternehmenskommunikation bei Brother
Foto: Brother

So ist es für Hersteller mehr denn je wichtig, ihr Engagement für Umwelt, Klimaschutz und soziale Belange Partnern und Kunden gegenüber darzustellen. Wobei sich bei manchen Playern der Eindruck aufdrängt, dass umweltbewusstes Handeln nur dem Image dient. "Wenn Nachhaltigkeit nicht intrinsisch motiviert ist oder nur aus Imagegründen betrieben wird, dann stellen dies Kunden in der Regel schnell fest", glaubt Kyocera-CSR-Managerin Matysiak. Nachhaltigkeit lebe von "kontinuierlichem strategischen und fachbasierten Tun" und nicht von kurzen, medienwirksamen Aktionen.

Wortmann-Experte Meik Blase sieht die Sache pragmatisch: "Hauptsache ist doch, dass Verantwortliche in Unternehmen tatsächlich umweltbewusst handeln", bekräftigt er. Wenn dies dann nach außen kommuniziert werde, sei das in Ordnung. "Authentisch zu bleiben ist die Voraussetzung, um glaubwürdig zu sein", bekräftigt Epson-Chef Ohlsson. Man sei aber noch lange nicht perfekt, arbeite aber daran, "immer noch ein Stück besser zu werden".

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