Den richtigen Preis finden

26.03.2007 von Herbert Lefering
In der heutigen Folge unserer Serie "Geschichten aus dem Channel" erzählt Herbert Lefering, wie durch eine "kleine" Preisänderung ein Softwareprodukt zu einem Renner wurde.

Als Vertriebsmitarbeiter hatte ich sehr viel mit recht unterschiedlichen Persönlichkeiten zu tun, für mich der schönste Teil eines interessanten Jobs. Einen tollen Kontakt hatte ich seinerzeit mit einem Mitarbeiter der Firma Cheyenne aufgebaut, die Wettbewerber von Tobit war - jenem Unternehmen, bei dem ich zur Zeit der folgenden Geschichte tätig war.

Nachdem am Anfang unserer Bekanntschaft die Wettbewerbssituation alles noch ein wenig hemmte, waren wir nach zirka zwei Jahren mehr als nur flüchtige Bekannte. Wir tauschten auch interne Geschichten aus beiden Firmen aus. Einmal hat er mir etwas erzählt, über das ich immer wieder schmunzeln kann. Und dabei ist die Story auch heutzutage noch immer irgendwie topaktuell:

Unser Mitbewerber Cheyenne war vor allen Dingen mit einem Produkt extrem erfolgreich: "ARCserve" war das Brot-und-Butter-Produkt dieses Herstellers und hatte eine extrem hohe installierte Basis von weit über 70 Prozent im damaligen Servermarkt. Aufgrund von Kundenanforderungen hat Cheyenne seinerzeit auch eine "Anbindung" beziehungsweise Lösung für SAP-Kunden erstellt, damit auch die SAP-Daten durch ARCserve gesichert wurden.

Gute Qualität - zum falschen Preis

Die "Schnittstelle" kostete seinerzeit 4.990 D-Mark und hatte alle möglichen Tests in verschiedenen Fachzeitschriften gewonnen. Cheyenne pumpte viel Werbung in dieses Produkt, schließlich war man hier nicht nur technisch extrem weit vorne.

Aber trotz aller Anstrengungen verkaufte sich das Produkt sehr schlecht. Man war nach zirka 18 Monaten kurz davor, die gesamte Entwicklung dieses Zweigproduktes zu stoppen. Vor einer endgültigen Entscheidung wollte die Marketingleitung jedoch eine Umfrage unter SAP-Kunden, Händlern und Consultants durchführen, um die Gründe für diese schlechte Verkaufssituation aufzudecken.

Eine Sache des Vertrauens

Die Reaktionen waren in der Zusammenfassung relativ eindeutig. Ein Kunde hatte das plakativ zusammengefasst: "Wenn ich ein Problem mit meiner SAP-Installation habe, dann muss ich einen Spezialisten kommen lassen, der pro Tag 5.000 DM kostet. Wie kann ich einer Software vertrauen, die meine sensibelsten und wichtigsten Daten sichern soll - und diese Software kostet "nur" 5.000 DM?"

Nach einer kompletten Auswertung der Umfragen arbeitete Cheyenne fieberhaft an der Version 2 der SAP-Schnittstelle für ARCserve. Es wurden im Wesentlichen zwei große Änderungen gemacht: Auf den Verpackungen des Produktes wurde ein zusätzlicher Aufkleber aufgebracht namens "Version 2". Es gab allerdings keinen Hinweis darauf, welche Änderungen/Ergänzungen gegenüber der ersten Version enthalten waren. Der Grund dafür: Die einzige technische Änderung war ein Hinweis bei der Installation, dass jetzt Version 2 installiert wird. Die zweite Änderung: Der Preis wurde von 4.990 DM auf 49.900 DM einfach verzehnfacht!!!

Die Reaktion war gewaltig: Plötzlich verkaufte sich das Produkt wie "geschnitten Brot". Der SAP-Kunde fühlte sich jetzt "wahr- und ernstgenommen".

Ich habe es in den Folgejahren nie wieder so extrem vor Augen geführt bekommen: Eine gute Preisstrategie gehört zum erfolgreichen Software-Business dazu! Sicherlich haben aber auch SAP-Kunden in der Zwischenzeit begriffen, dass allein der Preis noch nicht viel über eine gute (oder schlechte) Software aussagt.

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